Ein begeisterndes Literaturexperiment
«Ich und die Welt»: Jugendliche aus Hausen und dem Lilienberg präsentierten selbst geschriebene Texte

Der Austausch zwischen den Jugendlichen vom MNA-Lilienberg und der Sek Hausen hat schon eine gewisse Tradition. Vor einigen Jahren fand ein gemeinsames, sehr erfolgreiches Theaterprojekt statt. «Wir könnten wieder etwas Positives, Gemeinsames auf die Beine stellen.» Diesen Input brachte Brigitte Meier, Leiterin der Schulbibliothek Hausen, im vergangenen Herbst ein. Sie stiess damit auf offene Ohren bei den Betreuungs- und Lehrpersonen der Sek Hausen und des MNA-Lilienberg, wo unbegleitete minderjährige Geflüchtete wohnen. Dieses Mal waren zudem Jugendliche des Albisbrunn mit im Boot. Der Weg vom Start eines gemeinsamen Literaturprojekts unter dem Motto «Ich und die Welt» bis zur Lesung war dann für sämtliche Beteiligte ein spannendes Experiment.
Der Essraum «La Table» im Albisbrunn füllte sich am vergangenen Donnerstag mit Gästen aus allen Generationen. Interessierte Personen aus der Umgebung, Eltern sowie befreundete Jugendliche der Autorinnen und Autoren waren gekommen, um den Ausgang des Experiments mitzuerleben. Der Anlass mit den Jugendlichen aus drei Institutionen wurde vom Verein Kultur im Dorf Hausen unterstützt.
Wertvoller Austausch
Die jungen Frauen und Männer begeisterten das Publikum, nicht nur mit ihren Texten, sondern auch mit ihrem selbstbewussten Auftreten und ihrer positiven Ausstrahlung. Während der verschiedenen Präsentationen wurde spürbar, dass zwischen den Jugendlichen der verschiedenen Institutionen viel geschehen ist – ein wertvoller nachhaltiger Austausch mit bereichernden Erfahrungen. Zu Beginn des Literaturabends berichteten die Jugendlichen der 3. Sek Hausen und die jungen afghanischen Männer aus dem MNA-Lilienberg selber von ihren Erlebnissen an den gemeinsamen Projekttagen. «Wir spielten zusammen, tauschten uns aus, lernten uns kennen und schrieben Texte, das war sehr spannend», erzählten die einen. Oder: «Ich habe es toll gefunden, dass wir durch dieses Projekt zusam-men Deutsch lernen konnten.» Beim Vorlesen der gegenseitigen Steckbriefe erfuhr das Publikum da und dort kleine Splitter der teilweise dramatischen Fluchtgeschichten der jungen Afghanen. Das stimmte nachdenklich. Es gab aber auch Anlass für Erheiterung, zum Beispiel beim Stichwort Lieblingsessen oder Lieblingsauto. Ein besonderer Genuss war die Präsentation der «Elfchen». Das sind Kurzgedichte, deren elf Wörter in festgelegter Folge auf fünf Verszeilen verteilt sind. Es ging um die Natur, die Welt, Tiere, die Schweiz und auch um Liebeskummer. Die jungen Autorinnen und Autoren ernteten viel Applaus und lösten Schmunzeln, Erstaunen und Betroffenheit aus.
Sorry-Story mit abgebrühter Ausrede
Die Sek Hausen war auch im Albisbrunn zu Gast. Dabei entstanden verschiedenste originelle Texte wie Ping-Pong-Geschichten, ABC-Geschichten, Heiratsanträge mit vorgegebenen Wörtern oder auch erfinderische Sorry-Storys. Zur Auflockerung des Anlasses durfte das Publikum auch zum Schreibzeug greifen und eine solche Sorry-Story mit einer abgebrühten Ausrede fürs Zuspätkommen aufschreiben. Zu den gewürfelten Stichwörtern Zange, Kamm, Sparschwein, Vulkan und Bowling wurden nach drei Minuten einige originelle und lustige Geschichten vorgetragen. Zum Abschluss des Abends lasen eine Lehrerin und zwei Schülerinnen Texte der 2. Sek Hausen, die an einer Schreibwerkstatt entstanden sind. Sie handelten beispielsweise von Zusammenarbeit, Zeit, Krieg oder Schönheit und Zerstörung der Welt. Es waren beeindruckende Texte, entstanden direkt und unverfälscht aus dem Leben junger Menschen: tiefsinnig, poetisch, humorvoll, philosophisch oder auch kritisch.