Ein Blick auf den Wert der Dinge
«FlottSchrott» in der Galerie Märtplatz und Ausstellung «Flickä statt spickä» im Ortsmuseum
Am vergangenen Freitag wurde in der Galerie Märtplatz die Ausstellung «FlottSchrott» eröffnet, am Tag darauf die Ausstellung «Flickä statt spickä» im Ortsmuseum Affoltern in Zwillikon. Die beiden Künstlerinnen Rosi Weiss und Myrta Moser-Zulauf und die Leiterin des Ortsmuseums Affoltern, Ursula Grob, haben für ein gemeinsames Anliegen unterschiedliche Sprachen gefunden. Der Fokus richtet sich generell auf Materialien, die nicht mehr gebraucht werden. Auf Objekte, die nicht mehr besessen werden wollen, weil sie veraltet, überflüssig oder defekt sind. Während «FlottSchrott» experimentell mit dem Hier und Jetzt arbeitet, schlägt «Flickä statt spickä» die Brücke zu früheren Zeiten.
«Abfall» wollen alle drei Frauen nicht als Oberbegriff wählen. Denn sie bringen diesen Materialien Respekt entgegen – als Gegenbewegung zur aktuellen Wegwerfgesellschaft. Sie sammeln Objekte, die den beiden Künstlerinnen als «Material» oder «Werkstoff» für ihr künstlerisches Schaffen dienen, Ursula Grob sammelt, archiviert und dokumentiert Material im Rahmen ihres Auftrages: «Das Ortsmuseum Affoltern sammelt aus der Geschichte und der Gegenwart Objekte, Dokumente und Lebensgeschichten aus der Gemeinde und vermittelt den Besuchern einen Einblick in das Leben von früher unter Einbezug der Gegenwart. Dies geschieht in der Dauerausstellung und Wechselausstellungen.»
«FlottSchrott»
Rosi Weiss und Myrta Moser-Zulauf verfügen beide über einen Bachelor in «Kunst und Vermittlung» der Zürcher Hochschule der Künste. Vermittlung gehört zu ihrem Berufsalltag, Rosi Weiss ist Kindergärtnerin, Myrta Moser-Zulauf Werklehrerin. Im Bereich Kunst schafft Rosi Weiss Holzskulpturen mit der Kettensäge, Myrta Moser-Zulauf arbeitet mit Textilien und weiteren Materialien.
Anlässlich der gemeinsamen Ausstellung wurden neue Wege beschritten. An den Wochenenden ist die Ausstellung für Besucherinnen und Besucher geöffnet, unter der Woche wird der Galerieraum zum Atelier. Vom Tag der Eröffnung bis zur Finissage verändert sich die Ausstellung stetig. Man darf unter der Woche auch mal durchs Fenster in die Galerie gucken und beobachten, wie die beiden Künstlerinnen arbeiten. In der Vorbereitungszeit haben sie gezielt Materialien gesammelt und in Gruppen eingeteilt: Schirme, Skier, Bügeleisen und Heizungs-Expansionsgefässe. Diese Materialien werden zusammengefügt, verfremdet, bearbeitet, neu gruppiert ...
Man darf gespannt sein, wie sich alles bis zur Finissage verändert. Die beiden Künstlerinnen haben eine Menge Spass beim «Work in Progress»-Kunstprojekt und freuen sich auf Gespräche mit Besucherinnen und Besuchern. Die Objekte können auch gekauft werden.
«Flickä statt spickä»
Das Kuratieren der Wechselausstellung «Flickä statt spickä» bereitete Ursula Grob viel Freude, denn sie erinnert sich auch selbst an Zeiten, als Sparen im Alltag gang und gäbe war. Sie erzählt: «Viele Objekte im Museum weisen Abnützungsspuren und sorgfältig bearbeitete Reparaturstellen auf. Sie wurden abgeändert und immer wieder weiterverwendet. Wegwerfen war keine Option. Sie zeigen den Respekt vor der Qualität der Materialien und deren Verarbeitung und spiegeln die wirtschaftliche Situation.»
In den letzten Jahren beschäftigte sich die Leiterin des Ortsmuseums Affoltern besonders mit der Hinterlassenschaft der Familie des Kunstmalers Conrad Steinmann in Affoltern. Bei der Räumung des Hauses wurden viele Objekte gefunden, die zeigen, wie im letzten Jahrhundert Dinge geflickt statt weggeworfen wurden. Tochter Vroni Steinmann lebte als Stickerin bis fast zum Lebensende im Jahr 2003 im Hause ihrer Familie. Von ihr stammen in der Ausstellung Handarbeiten, darunter auch Flickarbeiten und begonnene Mustertücher. «Daran lässt sich die Sorgfalt und handwerkliche Geschicklichkeit im Umgang mit Pflege und Wiederverwertung von Holz und Textilien ablesen», so Ursula Grob.
Blick zurück, Gedanken zur Zukunft
«Die Ausstellung soll aufhorchen lassen und das Bewusstsein für Qualität und Nutzung von Textilien schärfen», betont Ursula Grob. Sie wählte gezielt Alltagsobjekte aus dem Fundus des Museums. Zu denken geben die sichtbar heiss geliebten alten Spielsachen. Bei ihnen liegt das Bilderbuch «Reise nach Tripiti» vom Maschwander Künstler H. U. Steger auf. Es erzählt die Geschichte von alten Spielsachen, die sich nicht mehr geliebt fühlen und ausreissen, Richtung Tripiti.
Die Ausstellung eignet sich für Gross und Klein. Insbesondere Grosseltern werden motiviert, ihren Enkelkindern von früher zu erzählen. Von Zeiten, als man verhasste Wollstrickstumpfhosen immer wieder flickte, als man im Handarbeitsunterricht noch Hemdenkragen wenden musste, Stickstiche lernte und flickte, was möglich war. Dies war vor allem die Domäne der Hausfrauen. Wer «wiflet» heute noch Löcher in Textilien?
Vor Ort kann kreativ mit Textilien und Holz gearbeitet werden. Angefangene Handarbeiten können abgegeben werden, Besucherinnen dürfen sie nach Hause mitnehmen und vollenden.
Ursula Grob erzählt: «Gestern Nachmittag waren zwei Sechsjährige im Museum. Sie haben an der grossen Wand gewoben und alle Bohrer ausprobiert. Es hat richtig Spass gemacht!»
Ausstellung «FlottSchrott» in der Galerie Märtplatz, Freitag, 5. September 2025, bis Sonntag, 21. September, Öffnungszeiten: Freitag: 17 bis 20 Uhr, Samstag: 10 bis 13 Uhr, Sonntag: 14 bis 17 Uhr
Ausstellung «Flickä statt spickä» im Ortsmuseum Affoltern in Zwillikon, jeweils Samstag, 10 bis 16 Uhr, und Sonntag, 12 bis 16 Uhr. Öffnungsdaten: September: 6./7., 13./14., 20./21.; Oktober: 4./5.; November: 1./2., 9., 16., 23., 30.; Dezember: 6./7. oder nach Vereinbarung
«Die Ausstellung soll aufhorchen lassen und das Bewusstsein für Qualität und Nutzung von Textilien schärfen.»
Ursula Grob,Leiterin Ortsmuseum Affoltern