Ein Knistern liegt in der Luft

Sommerserie (4): Wie funktioniert eigentlich ... ein Strom-Unterwerk?

Das Unterwerk Obfelden mit einem Transformator im Hintergrund. (Bilder Dominik Stierli)

Das Unterwerk Obfelden mit einem Transformator im Hintergrund. (Bilder Dominik Stierli)

Vorne sogenannte Kombiwandler, im Hintergrund das Betriebsgebäude.

Vorne sogenannte Kombiwandler, im Hintergrund das Betriebsgebäude.

Swissgrid-Mediensprecher Daniel Daester (rechts) erklärt dem Journalisten, wie das Unterwerk aufgebaut ist.

Swissgrid-Mediensprecher Daniel Daester (rechts) erklärt dem Journalisten, wie das Unterwerk aufgebaut ist.

Fährt man von Obfelden in Richtung Affoltern, erblickt man auf der linken Seite das Unterwerk, welches Teil des Schweizer Stromnetzes ist und auch der regionalen Stromversorgung dient. Eigentlich unscheinbar, aber gut abgesperrt. Aber was passiert darin eigentlich und was gibt es hinter dem Zaun zu entdecken? Das Unterwerk gehört Swissgrid, welche sich in der Schweiz um die Stromübertragung kümmert – nicht aber um die Produktion. Aber auch die Axpo, die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) und das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) haben Teile ihrer Infrastruktur im Unterwerk von Swissgrid installiert.

Nach einigen Vorabklärungen erhielt ich von Swissgrid die Möglichkeit, das Unterwerk zu besichtigen. An diesem warmen Sommertag empfängt mich der Swissgrid-Mediensprecher Daniel Daester vor Ort. Vorschriftsgemäss mit Helm, Besucherweste und festem Schuhwerk beginnt der Rundgang.

Umwandeln und Umleiten

Die Hauptaufgaben des Unterwerks sind überblickbar. Im Fokus steht die Spannungsumwandlung des Stroms mithilfe der Transformatoren. Zusätzlich lassen sich im Werk auch Leitungen ab- oder umschalten. Dies geschieht mit verschiedenen Schaltern und Geräten.

Um Stromflüsse zu trennen, gibt es einerseits Trennschalter, erkennbar an den Greifern oben, aber auch sogenannte Leistungsschalter, bei denen die Trennung im Innern geschieht. Wichtig sind auch Kombiwandler, welche einerseits die Stromstärke (Menge an Strom), aber auch die Spannung (elektrischer «Druckunterschied») messen können und dies an die Swissgrid-Netzleitstellen übermitteln. Diese sind in der Schweiz in Aarau und in Prilly bei Lausanne.

Das Höchstspannungsnetz von Swissgrid umfasst 126 Unterwerke. Von der Grösse her reiht sich Obfelden mit um die 35000 Quadratmetern eher hinten ein. Das Werk entstand in den 1960er-Jahren, zuerst vermutlich für Hochspannung (150 kV), ab 1952 mit der Leitung nach Niederwil mit Höchstspannung (220 kV).

Durchschreitet man das Gelände, überrascht einen die grosse Fläche, welche von der Strasse her nicht komplett einsehbar ist. Beim Gang durch das Unterwerk nimmt man immer ein leichtes Knistern wahr. «Das nennt sich Koronaeffekt und hängt mit Spannungsentladungen zusammen. Dies ist vor allem bei feuchtem Wetter wahrnehmbar», erklärt mir Mediensprecher Daniel Daester. Auf die Frage des Journalisten, wie gefährlich denn nun ein Spaziergang durch die Anlagen sei, kann dieser leichte Entwarnung geben: «Hier wird zum Beispiel auch der Rasen gemäht, ohne weitere Vorkehrungen. Allerdings gelten auf allen unseren Anlagen strenge Sicherheitsvorschriften.» So halte ich dann beim weiteren Rundgang auch immer genügend Abstand von den Anlagen.

Zwei Arten von Anlagen

Kurz wird mir auch erklärt, dass es zwei Arten von Schaltanlagen gibt: luftisolierte und gasisolierte Anlagen. Der grösste Unterschied ist dabei der Platzbedarf. Eine gasisolierte Anlage hat in einem Gebäude Platz. Einzig das verwendete Gas ist klimaschädlich und wird daher strengstens kontrolliert, damit möglichst nichts austritt. Im Unterwerk Obfelden sind die Anlagen grösstenteils draussen, also luftisoliert. Die EKZ betreiben aber auch eine ­gasisolierte Anlage in einem der ­Gebäude.

Das Unterwerk ist in mehrere Bereiche aufgeteilt, für welche die verschiedenen Partner wie EKZ oder EWZ zuständig sind. «Die Zusammenarbeit ist vertraglich genau geregelt, aber oft löst man Probleme auch zusammen», erklärt Daniel Daester. So sei man oft schneller als allein. Damit das Unterwerk auch im Fall von Stromausfällen jederzeit funktioniert, sind auch Notstromaggregate vorhanden.

Die Höchstspannungsleitungen übertragen den Strom mit einer Spannung von 380 oder 220 Kilovolt. Die hohen Spannungen sind notwendig, um den Strom möglichst verlustfrei zu transportieren. Im Unterwerk wird diese Spannung mithilfe der Transformatoren ein erstes Mal reduziert. Weitere Anlagen reduzieren die Spannung dann bis auf die in den Haushalten verwendeten 230 Volt. Die Transformatoren sind dann auch die grössten Apparaturen im Unterwerk. In Obfelden haben die Axpo und die EWZ je zwei Geräte in Betrieb. Ein fünfter Transformator steht als Reservegerät direkt beim Eingang der Anlage.

Wie ein Transformator genau funktioniert, würde wohl den Umfang dieses Artikels sprengen. Aber nur so viel: Der Transformator besteht aus einer Primärspule, welche mit dickerem Draht umwickelt ist, und einer Sekundärspule mit dünnerem Draht. Durch den Stromfluss in der Primärspule wird ein Magnetfeld erzeugt, welches die tiefere Spannung in die Sekundärspule induziert. Beim ganzen Prozess entsteht Wärme, wie man beim – nach dem gleichen Prinzip funktionierenden – Smartphone-Ladegerät selbst feststellen kann. Umgekehrt kann mit einem Transformator die Spannung aber auch erhöht werden.

Strom-Knotenpunkt

Aber zurück zum Unterwerk (UW). Drei Leitungen von Swissgrid kommen hier zusammen. In Richtung Luzern geht es zum UW Mettlen, in Richtung Stadt Zürich zukünftig zum UW Waldegg und in Richtung Aargau zum UW Niederwil. Diese Leitung ist dann auch seit Jahren ein Thema in den Medien. Diese soll neu gebaut und auf 380 Kilovolt erweitert werden. Beim Ausbau ist der Abschnitt im Bereich der Reusslandschaft zwischen Besenbüren und Jonen auf rund vier Kilometern als Erdverkabelung geplant, alles andere weiterhin als Freileitung. Das führt zu Diskussionen. 2022 hat der Bundesrat entschieden, dass es bei der Freileitung bleibt. Seither arbeitet Swissgrid ein Bauprojekt aus und wird die Bevölkerung vor der öffentlichen Auflage im Bewilligungsverfahren weiter informieren.

Bei der Leitung nach Zürich soll bis 2032 die Spannung auf 220 Kilovolt erhöht werden. «Bisher ist die Stadt Zürich nur vom Norden her an das Höchstspannungsnetz angeschlossen», erklärt Daniel Daester dazu, darum sei dieser Ausbau für die Versorgungssicherheit sehr wichtig. Wenn dies umgesetzt ist, kann die sogenannte Albisleitung der Axpo nach Thalwil zurückgebaut werden. Diese ist die vierte Leitung, die hier angeschlossen ist. Dazu ist vom Unterwerk aus auch das regionale EKZ-Verteilnetz erschlossen.

Was beim Rundgang auffällt: Man sieht keine anderen Personen auf dem Gelände. Auch in den wenigen Gebäuden ist alles leer. «Das Unterwerk wird komplett ferngesteuert», erklärt Daniel Daester. «Es findet monatlich ein Kon­trollgang auf dem Gelände statt», ergänzt er. Ansonsten seien ab und zu Wartungsarbeiten nötig.

Ein eigentlicher Ausbau im Unterwerk ist nicht geplant. Mit den erwähnten Spannungserhöhungen an den Leitungen nach Niederwil und Zürich gebe es Umbauarbeiten, aber nicht, dass flächenmässig etwas erweitert würde.

Herausforderungen – auch politische

Für die Zukunft sieht Daniel Daester aber einige Herausforderungen. Vor allem die steigende dezentrale Energie, zum Beispiel von PV-Anlagen, benötige einen Netzausbau. «Das geht aber aktuell einfach zu lange», sagt er. Man habe jeweils 15 bis 20 Jahre, bis so ein Netzprojekt – vor allem bei neuen Stromleitungen – umgesetzt ist, was im Verhältnis zu den Wachstumsraten beim PV-Strom sehr langsam sei.

Auch sonst moniert er die politische Situation, zum Beispiel bezüglich des Stromabkommens mit der Europäischen Union, welches die Strombranche dringend benötigen würde. «Wir wären froh, wenn wir im Bereich Netzbetrieb EU-Recht anwenden könnten», sagt er. So könnte man auch mitbestimmen und nicht wie aktuell nur dabei sein.

Mit dem Ausflug in die Politik endet auch der Ausflug im Unterwerk in Obfelden. Es geht für mich wieder zurück nach Hause – um mich beim nächsten Einstecken eines Stromkabels zu erinnern – wie komplex die Stromverteilung eigentlich ist und dass man die praktisch ständige Verfügbarkeit durchwegs auch mal schätzen sollte.

Bisher erschienen: «Wie funktioniert eigentlich ...?»: «ein Volg-Laden» (15. Juli); «eine Deponie» (18. Juli); «eine Abwasserreinigungsanlage» (22. Juli)

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