Ein «mutiges Signal» oder eine «Lachnummer»?
Das sagen die Ortsparteien zur geplanten 38-Stunden-Woche

Der Stadtrat plant für 350 seiner 500 Angestellten eine 38-Stunden-Woche. Das hat er vergangene Woche bekanntgegeben. Der formelle Beschluss dazu ist noch nicht gefällt, doch der Stadtrat beabsichtigt, die reduzierten Arbeitszeiten per April 2024 einzuführen. Was sagen die Ortsparteien zu diesen Plänen? Nachfolgend geben die Parteivertreter eine erste (persönliche) Einschätzung ab. Intern im grösseren Kreis diskutiert wurde die Angelegenheit noch bei keiner Partei. Die FDP Affoltern war für den «Anzeiger» bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.
Grüne: «Eine innovative, zukunftsgerichtete Idee»
Für Kantonsrat Thomas Schweizer sind gute Arbeitsbedingungen bei der öffentlichen Hand grundsätzlich zu begrüssen. Er spricht von einer «innovativen, zukunftsgerichteten Idee», die auch das Bemühen der Stadt Affoltern sichtbar mache, sich als fortschrittliche Arbeitgeberin zu positionieren. «Ich hoffe sehr, dass die Massnahme Früchte trägt, sodass die Fachkräfte länger bleiben und offene Stellen besetzt werden können.» Gleichzeitig ist für Thomas Schweizer klar: Die Kosten für dieses Projekt dürften nicht dazu führen, dass das Geld bei anderen Anliegen – etwa bei der überparteilich lancierten Bio-Diversitätsinitiative – eingespart werde. «Wir erwarten auch dort eine fortschrittliche Politik.»
SP: «Entscheid ist auch ein Signal an die Privatwirtschaft»
Zuspruch finden die Pläne auch in der SP Affoltern. Alt Stadtrat Martin Gallusser spricht von einem «mutigen, begrüssenswerten» Entscheid der öffentlichen Verwaltung, die mit diesen reduzierten Arbeitszeiten auch ein Signal an die Privatwirtschaft aussende. Auf die Lebensqualität werde sich die zusätzliche Freizeit auf jeden Fall positiv auswirken, ist er überzeugt. Ihm scheint bei der Reduktion von Arbeitsstunden die Planung zentral: Wenn die Arbeit gut organisiert werde, sei sie erfahrungsgemäss meist auch in weniger Stunden zu schaffen.
EVP: «Mutiger Vorschlag, der deutliche Kommunikation fordert»
Für Kantonsrat Daniel Sommer braucht es von Seiten des Stadtrats eine «bürgernahe» Politik, die behördliche Anliegen «kompetent, freundlich und in vernünftigen zeitlichem Rahmen» erledigt. Seien diese Dienste aufgrund von fehlendem oder ungeeignetem Personal gefährdet, bestehe Handlungsbedarf. «Diesen hat der Stadtrat erkannt und sich mit einem mutigen Vorschlag für eine Vorwärtsstrategie entschieden. In diesem Sinn kann ich den Entscheid des Stadtrates unterstützen», schreibt Sommer. Gleichwohl erachtet er es als wichtig, «dass der Stadtrat deutlich und verständlich kommuniziert», welche Leistungen die Stadt erbringe und welchen Standard sie dabei erfüllen wolle. «Als Einwohner von Affoltern möchte ich Klarheit darüber haben, welche Konsequenzen es hat, wenn wir zunehmende Personalengpässe zu verzeichnen haben.»
GLP: «Anreize bieten, damit höhere Pensen sich lohnen»
Kantonsrat Ronald Alder bezeichnet es als positiv, dass sich der Stadtrat der Problematik des Fachkräftemangels annimmt und Ideen dazu entwickelt. Ob eine Reduktion der Arbeitszeit zielführend sei, scheine aus Sicht der GLP allerdings fraglich. «Die Bevölkerung wächst und benötigt mehr Dienstleistungen, die Babyboomer gehen in Pension und Fachleute sind in manchen Branchen bereits heute rar. Es braucht deshalb Anreize, dass die Arbeitnehmenden mehr arbeiten – nicht weniger.» Attraktive Teilzeit-Modelle auf allen Stufen, bezahlbare Kitas, mehr zeitliche und örtliche Unabhängigkeit für die Angestellten oder eine partizipative Arbeitskultur mit flachen Hierarchien sind für die GLP eher der Hebel, an dem es sich anzusetzen lohnt.
Die Mitte: «Bei den Auslagen mehr Bescheidenheit walten lassen»
Hans Rudolf Haegi spricht mit Blick auf die Pläne der Stadt von «grossen Vorbehalten» seinerseits. Ihm scheint es nicht optimal, dass Affoltern bald Arbeitsbedingungen bietet, mit denen die anderen Gemeinden vermutlich kaum mitziehen können oder wollen. «Das vergrössert das Gefälle», befürchtet er. Politisch ist die 38-Stunden-Woche für ihn deshalb «eine ungute Sache». Nicht zuletzt auch wegen der klammen Finanzen: Vor dem Hintergrund der finanzpolitischen Situation scheint es ihm angemessen, bei den Ausgaben «ein bisschen mehr Bescheidenheit walten zu lassen.»
SVP: «Dieses Vorgehen ist schon fast eine Lachnummer»
Alt Nationalrat Toni Bortoluzzi hält von den Plänen des Stadtrats nicht viel. Für ihn zeugen sie von einer «grossen Fehlbeurteilung»: «Stabilität in einem Betrieb hängt nicht nur von Arbeitszeit und Lohn ab, sondern von mehr, etwa auch von der gelebten Kultur.» So oder so gehört dieses Geschäft seiner Ansicht nach vors Volk, weil es sich um wiederkehrende Auslagen handelt, welche die Finanzkompetenz des Stadtrats überschreiten. Dass das Stimmvolk über die PVO, nicht aber über die viel einschneidendere 38-Stunden-Woche abstimmen darf, ist für ihn «schon fast eine Lachnummer». Er sagt: «Wir werden den Entscheid sicher nicht akzeptieren.»