«Eindrücklich, wie die Leute in dieser Extremsituation zusammenhalten»
Auf der Suche nach Glutnestern: Ämtler Feuerwehrleute im Waldbrand-Einsatz im Wallis
Die Feuerwehren des Kantons Zürich haben übers Wochenende die Einsatzkräfte im Wallis unterstützt. Je zwei Personen jedes Waldbrand-Stützpunkts reisten dazu am Samstag nach Ried-Mörel. So auch Thomas Wiss und David Elsener aus Affoltern.
Doch der Reihe nach: Seit zwei Jahren stellt die Stützpunktfeuerwehr Affoltern einen Waldbrand-Stützpunkt: 26 Feuerwehrleute, die speziell ausgebildet sind und von den Ortsfeuerwehren im Limmattal, der Stadt Zürich und diesseits des Zürichsee bei Bedarf angefordert werden dürfen (im «Anzeiger» vom 28. Juli). Angesichts der seit zwei Wochen schwelenden Feuer in den Wäldern über Bitsch bot auch der Kanton Zürich dem Wallis Unterstützung an. Erst sei von fünf bis sieben Leuten pro Waldbrand-Stützpunkt die Rede gewesen, verrät Luana Maggetti, Leiterin des Waldbrand-Stützpunkts Affoltern, schliesslich traten je zwei am Samstagmorgen die Reise ins Oberwallis an.
Mit zivilen Bergschuhen durch den glitschigen Asche-Schlamm
Für die beiden Vertreter der Feuerwehr Affoltern ging es erst nach Bülach, wo die Zürcher Delegation in zwei Feuerwehr-Personentransportern gemeinsam ins Wallis fuhr. Kurz nach Mittag, nach einer Einweisung über die Ausgangslage im Einsatzgebiet, die Zusammenarbeit mit den Helikoptern und vor allem über Sicherheits-Aspekte ging es dann bereits ins Gelände. Die Aufgabe der Unterländer: In tieferen Lagen Glutnester aufspüren und löschen. Dazu erhielten sie die Koordinaten, die bei den morgendlichen Überflügen des Super-Puma-Helikopters mit Wärmebildkamera festgehalten worden waren. Geflogen wird am Morgen, weil sich der Boden über Nacht abkühlt und dann auf dem Wärmebild die Kontraste zwischen Glutnestern und Umgebungstemperatur besser sichtbar werden.
In weiser Voraussicht hatten David Elsener und Thomas Wiss ihre zivilen Bergschuhe mitgebracht. Die sollte es im unwegsamen Gelände auch brauchen: Steile Abhänge, Felsbänder und da, wo die Flammen nicht hinkamen, Wald und Unterholz. «In unserem Einsatzgebiet haben wir nur am Üetliberg und am Albis ähnliche Voraussetzungen – wobei die Zugänglichkeit bei uns einfacher ist», vergleicht David Elsener. Erschwerend kam eine bis zu 20 cm dicke Ascheschicht dazu, die sich in Verbindung mit Wasser zu glitschigem Schlamm entwickelt hatte. Entsprechend anstrengend und gefährlich war die Fortbewegung im Einsatzgebiet.
Immerhin: Fast zwei Wochen nach dem Brandausbruch hatte sich der Boden mittlerweile etwas abgekühlt. «Flammen und Rauch hatten wir nicht mehr», so Elsener, «schwer vorzustellen, was vorher abgegangen ist.» Das liessen die Bilder erahnen, die sich ihnen boten: stellenweise stehen nur noch schwarze Überreste von Baumstämmen wie abgebrannte Zündhölzer in der Landschaft. Hohlräume im Boden, gefüllt mit verkohltem Material, liessen erkennen, wo sich das Feuer in Wurzeln hineingefressen hatte. Da und dort hing ein Baum einige Meter hoch in der Luft, dessen Stamm abgebrannt war, aber dessen Krone sich mit anderen Bäumen verkeilt hatte. Und manchmal zeigten sich zwischen Bereichen von intaktem Wald verkohlte Inseln, wo fliegende Funken offenbar wieder entzündliches Material gefunden haben.
Teilweise bis zu 400 Grad heisse Glutnester
Die Zürcher Delegation war als Zehnertrupp mit einem ortskundigen Forstwart unterwegs. Daneben standen drei bis sechs weitere Teams im Einsatz. Waren die ihnen zugewiesenen Koordinaten erreicht, begann die strategische Suche nach dem Glutnest. Keine einfache Sache: «Von oben her ist nichts wahrzunehmen: Man sieht nichts, man riecht kaum etwas und je nach Tiefe zeigen sich auch keine Wärmespuren», so Elsener. Entsprechend gelang es nicht immer, im Umkreis der gemeldeten Koordinaten tatsächlich ein Glutnest zu finden, dafür stiessen die Zürcher auf eines, das bei den Überflügen nicht entdeckt worden war. Dann war erst mal graben angesagt. Die Anzeige auf der Wärmebildkamera bestätigte, dass man auf der richtigen Spur war: Plötzlich waren es über 200 und teilweise bis zu 400 Grad. Die Feuerwehrleute holten das erhitzte Material heraus und breiteten es sorgfältig aus, um es richtig ablöschen zu können.
Immer wieder traf man im Gelände auch auf Gebäude. Teilweise trennten diese nur noch zwei Baumreihen vom abgebrannten Bereich. «Das lässt erahnen, welch riesige Leistung die Löschtruppen vor Ort in der Akutphase des Feuers erbracht haben», so Elsener. Kilometerweise Schläuche, die noch immer dort lagen, untermauerten diesen Eindruck. Die Zürcher Gruppe operierte unabhängig von diesem Leitungssystem mit den eigens mitgeführten Schläuchen ab Löschwasserbecken, am zweiten und dritten Tag auch mal mit Luftunterstützung vom Helikopter. Dazu komplettierte ein Flughelfer das Team.
Grosse Dankbarkeit und warmherziger Empfang
Besonders beeindruckt zeigte sich David Elsener vom warmherzigen Empfang der Walliser. In der Turnhalle von Ried-Mörel, rund zwölf Minuten Fahrzeit vom Einsatzgebiet, hatte der Zivilschutz den Helfern eine Feldbett-Unterkunft eingerichtet. Hier wurden die Unterländer abends auch verköstigt und sogar musikalisch unterhalten, am Samstag mit Schwyzerörgeli-Klängen, am Sonntag spielte ein Grossvater mit seinen beiden Enkeln auf. «Es war eindrücklich zu sehen, wie die Leute in dieser Extremsituation zusammengehalten haben», so David Elsener. Von der Dankbarkeit den Helfenden gegenüber zeugten auch zahlreiche Transparente. «Von Herzen Dank für euren Einsatz» und Ähnliches war darauf zu lesen.
Insgesamt leisteten die Zürcher Feuerwehrleute über die drei Tage je gegen 20 Einsatzstunden. Der Haupt-Beweggrund, ins Wallis zu reisen, sei sicher die Unterstützung der Zivilbevölkerung und die Entlastung der Einsatzkräfte vor Ort gewesen so Elsener. Daneben habe man aber auch den Austausch zwischen den Feuerwehrleuten verschiedener Kantone pflegen und zudem wichtige Praxiserfahrung sammeln können im Umgang mit Waldbränden. Bewährt habe sich die Teamzusammenstellung mit einem ortskundigen Forstwart, der auch auf Gefahren des Geländes hinweist und bei Bedarf einen Baum fällen könnte, und einem Flughelfer, der die Kommunikation mit der Luftunterstützung sicherstellen kann.
Der Kanton Wallis hat bereits angekündigt, den Einsatz detailliert auswerten zu wollen. Die Erkenntnisse sollen dann auch den anderen Kantonen zur Verfügung gestellt werden. Diese und die persönlichen Eindrücke von Thomas Wiss und David Elsener werden auch für den hiesigen Waldbrand-Stützpunkt von Interesse sein. Auch wenn man natürlich hofft, im eigenen Einsatzgebiet von grösseren Waldbrand-Ereignissen verschont zu bleiben.