Eine Stadtpräsidentin für Affoltern
Die Herausforderin holt mehr als doppelt so viele Stimmen wie der Amtsträger. In dieser Deutlichkeit dürfte das Resultat der Stadtratswahl Affoltern alle überrascht haben. Eveline Fenner wird das Gremium in die nächste Legislatur führen.

Schon als Stadtpräsident Clemens Grötsch am Wahlsonntag um 14.13 Uhr das Protokoll der Stadtratswahl zu verlesen beginnt, zeichnet sich im Foyer des Kasinosaals Affoltern die grosse Überraschung ab: Obwohl man bei drei Kandidierenden fürs Stadtpräsidium davon ausgehen konnte, dass sich allen voran diese drei gegenseitig Stimmen kosten würden, hat doch Eveline Fenner (EVP, neu) das Bestresultat erreicht. Es folgten die drei Bisherigen Claudia Ledermann (GLP), Eliane Studer Kilchenmann (parteilos) und Markus Gasser (EVP), dann Felix Fürer (SP, neu) sowie die Bürgerlichen Claudia Spörri (SVP, bisher) und Markus Meier (FDP, bisher). Das absolute Mehr erreichte zwar auch Clemens Grötsch noch, trotzdem hat er als Überzähliger das Nachsehen.
Chancenlos blieb derweil Hermann Brütsch. Das gilt auch für die Ausmarchung ums Präsidium. Da holte er gerade mal 172 von 2029 gültigen Stimmen, Grötsch immerhin deren 506. Die 1123 Stimmen für Eveline Fenner lassen allerdings keine Fragen offen: 55,35 Prozent der Wählenden haben sich für die amtierende RPK-Präsidentin als künftige Stadtpräsidentin ausgesprochen. Sie ist die erste Stadtpräsidentin von Affoltern überhaupt. Irene Enderli, von 1998 bis 2010 als letzte Frau im höchsten Kommunalamt von Affoltern, war damals noch Gemeindepräsidentin.
Vertrauensbeweis als Verpflichtung
«Ich bin überwältigt», so Eveline Fenner zu ihrem deutlichen Erfolg. Sie habe bestenfalls mit einem zweiten Wahlgang gerechnet. Das klare Resultat wertet sie als klares Votum für Veränderung, für einen Kulturwechsel. Als Beispiel nennt sie den Umgang mit den Bürgern. «Auf Augenhöhe» wolle sie mit diesen kommunizieren, so Fenner. Und wo will sie anfangen? «Erst müssen wir eine Auslegeordnung machen», so die künftige Stadtpräsidentin, «uns kennenlernen, Vertrauen aufbauen, uns finden in der neuen Zusammensetzung.» Zu ihren prioritären Zielen gehört weiter das Erlangen von Dossiersicherheit. «Ich freue mich sehr», sagt die künftige Stadtpräsidentin und spricht von einem Vertrauensbeweis, den es nun zu rechtfertigen gelte. «Das verpflichtet mich auch – und ich hoffe, dass es mir gelingt.»
Die undankbare Aufgabe, seine eigene Niederlage zu verkünden, trug Clemens Grötsch mit Grösse. Zu kneifen und den Stadtschreiber die Resultate verkünden zu lassen, sei für ihn keine Option gewesen, so der Stadtpräsident: «Ich stehe bei Sieg wie bei Niederlage hin», betont er und: «Ich habe immer Haltung gezeigt.» Seine Überraschung über die Nichtwahl versucht Grötsch indes nicht zu verhehlen: «Das hat sich nicht abgezeichnet, aber ich nehme es zur Kenntnis.» Obwohl sich die Parteien nicht offiziell festgelegt haben, habe es anscheinend doch Absprachen gegeben, interpretiert er das deutliche Resultat zu seinen Ungunsten, hält aber auch mit Stolz fest, dass er eine dynamische Stadt abgeben könne, eine Stadt, die sich entwickle und auch finanziell besser dastehe. Und doch: Zum Selbstläufer werde die kommende Legislatur sicher nicht. So schlage fünf Minuten nach Bekanntwerden der Ergebnisse auch Erleichterung durch, bekennt Grötsch.
Tiefe Wahlbeteiligung
Die Verkündung der Resultate gar nicht richtig mitverfolgt hat derweil der Dritte im Bunde der Stadtpräsidiumsanwärter: «Ich habe es probiert und es hat nicht geklappt. Das Universum hat offenbar anderes im Sinne mit mir», bilanziert Hermann Brütsch auf dem Marktplatz unmittelbar vor seinem Aufbruch. Als Ursache für seine deutliche Schlappe nennt er die «lausige Stimmbeteiligung»: Gerade mal 28,78 Prozent der Berechtigten haben ihre Stimme abgegeben. Insbesondere die Bürgerlichen haben seiner Meinung nach zu wenig von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht: «Jetzt haben wir eine linksregierte Stadt, das finde ich schade.»
Gänzlich unumstritten war derweil die Wahl zur Primarschulpräsidentin: Claudia Spörri wird das personell reduzierte Gremium mit den Bisherigen Martina Thüring, Daniel Ledermann, Roger Marti und Beat Kalt weiter anführen. Von den vier Kandidierenden für die RPK schafften alle die Wahl, ein fünftes Mitglied wird noch gesucht.