«Es isch so bubig gsi!»
Sie ist ein Jahr später in den Kindergarten gekommen. Nun hat sich Fiona Moser aus Hausen umso mehr auf die Schule gefreut. Vor ihrem ersten Tag war die Siebenjährige «es bizzeli nervös».

Manchmal ändert sich über Nacht mehr als nur der Wochentag. Fiona Moser hat das in den vergangenen Tagen erlebt. Sie ging am Sonntagabend als Kindergärtlerin ins Bett – und ist am Montagmorgen als Erstklässlerin aufgewacht.
Ein paar Tage zuvor treffen wir sie in einem Wohnquartier in Hausen, seit einem Jahr lebt sie hier mit ihren Eltern und den beiden Schwestern in einem Einfamilienhaus. Auf der anderen Strassenseite befindet sich der Kindergarten. Dort hat Fiona in den letzten Monaten viele Puzzles zusammengesetzt. Sie hat gespielt, gebastelt und Mia, Amira und Flurina kennengelernt. Mit ihnen hat sie nach dem Unterricht besonders gerne Schnecken gesammelt und sie quer über die Strasse zum Rennen antreten lassen. Und weil das Primarschulhaus, das sie bald besucht, nicht nur ein paar Schritte, sondern etwa vierhundert Meter entfernt liegt, weiss Fiona sofort, worauf sie sich als Erstklässlerin am meisten freut: «Auf den Schulweg!»
Neu wird Fiona mit der Ebertswilerstrasse eine Hauptstrasse überqueren müssen. «Ich habe volles Vertrauen, dass sie den Weg gut meistert», erzählt ihre Mutter, Patricia Moser. Vor drei Jahren war das noch anders gewesen. Damals stand in Langnau am Albis, am früheren Wohnort der Familie, Fionas Kindergarteneintritt zur Diskussion, weil sie es mit ihrem Geburtsdatum Mitte Juli gerade noch in den älteren Jahrgang geschafft hätte. Patricia und Pascal Moser befürchteten, dass dieser Schritt zu früh komme für ihre Tochter, die sich zu jenem Zeitpunkt noch nicht selbst die Schuhe oder die Regenkleidung anziehen konnte. Fiona blieb noch ein Jahr zu Hause, besuchte danach den Kindergarten und hat sich seither motorisch und kognitiv enorm entwickelt, wie ihre Mutter erzählt. «Jetzt ist sie wirklich bereit für die Schule.»
Endlich schreiben und rechnen lernen
Fiona freut sich, dass sie bald lernt, wie man schreibt. Sie möchte eigene Postkarten verfassen, und wenn sie dann später als Köchin arbeite, müsse sie es ja aufschreiben, wenn sie etwas bestelle, erklärt sie. Auch auf das Rechnen freut sich Fiona. Ein bisschen was hat sie schon gelernt. Was 4 plus 4 gibt, weiss sie längst, und als ihre Mutter fragt, ob sie die Buchstaben ihres Namens kenne, zählt Fiona auf und ruft: «So bubig isch das!»
Auch ihren Thek hat sie schon gepackt. Er ist mit Pferdemotiven verziert, hatte zuvor ihrer grossen Schwester Selina gehört und wird nun am Esstisch wieder ausgeräumt. Fiona greift in den Rucksack, zieht eine Kartonmappe heraus und legt sie auf den Tisch. «Ich han zwei Etui», sagt sie, greift nach einem und öffnet es. Zum Vorschein kommen Filzstifte, Massstab, Bleistift und Spitzer, aber auch eine Biene, ein Affe und ein Marienkäfer, die als Radiergummi dienen.
Dann zeigt Fiona auf das grosse Reissverschluss-Fach, das zuvorderst am Thek angenäht ist. «Und da», sagt sie, «chunnt denn min Znüni drii.» Ihre Tochter esse sehr gerne, sagt Patricia Moser lachend, und gemeinsam zählen sie die mögliche Pausenverpflegung auf: «Äpfel, Tomätchen, Darvida, Gurken…» – «da chum ich würklich Hunger über», sagt Fiona.
Noch nicht so grosse Lust verspürt Fiona auf die Hausaufgaben, die bald auf sie warten dürften. Auf die Frage, ob sie sich freue, sagt sie: «Es bizzeli», und fügt an: «Irgendwenn wirds nüme luschtig!» So viel hat Selina, inzwischen Fünftklässlerin, ihrer kleinen Schwester schon verraten.
Mit Pippi Langstrumpf in die Schule
Und dann ist der Montagmorgen da. Um acht Uhr, eine knappe Dreiviertel-stunde vor der Begrüssungszeremonie, treffen wir Fiona erneut zu Hause. Sie ist nun «es bizzeli nervös». An ihrem ersten Schultag trägt sie einen orangen Rock. Darauf grinst Pippi-Langstrumpf, die bekanntlich auch schon zur Schule ging, und dann lieber nicht mehr.
Fiona zieht ihre Leuchtweste an, ihren Thek, in dem eine Znünibox mit Aprikosen, Darvida und einem Farmerstängel wartet. Zu Hause bleiben müssen hingegen die Süssigkeiten aus der Schultüte, die sie nun in Händen hält. Ihre Eltern hatten sie ihr überreicht, als kleine Überraschung für den grossen Tag. Auch deshalb, weil Fiona den Thek der Schwester trägt und bei ihr deshalb, anders als bei ihren Freundinnen, das Thek-Aussuchen ausgefallen war.
Auf dem Schulweg wird Fiona heute von ihrem Vater, Pascal Moser, begleitet. Später, als sie auf dem Pausenplatz des Primarschulhauses stehen, stösst auch Patricia Moser dazu und lauscht den Begrüssungsworten von Primarschulleiterin Sibylle Müller: «Ein Ende hat nun das Warten, vorbei ist die Zeit im Kindergarten. Rechnen, Lesen, Schreiben und Singen, ich wünsche dir viel Spass und gutes Gelingen. Nun geht für dich die Schule los, du bist ja nicht mehr klein, sondern schon richtig gross.»
Nach einem Lied, das die anderen Klassen für die 20 Erstklässlerinnen und Erstklässler singen, wird es für Fiona und ihre «Gspänli» Zeit, um für die erste Unterrichtsstunde ins Schulzimmer zu gehen. Coronabedingt dürfen keine Gäste, nur ein Elternteil, mit rein.
War ja gar nicht so schwer
Um 15.20 Uhr hat Fiona den ersten Tag geschafft. Um 16 Uhr, zurück am elterlichen Esstisch, spendiert sie ein Kau-bonbon aus ihrer Schultüte und erzählt: Wie sie im Kreis gesungen und gewürfelt und später am Pult eine Zeichnung ausgemalt hätten. Dass sie Hefte erhalten und ihre beiden Etuis gar nicht gebraucht habe, weil sie von ihrem Klassenlehrer ein neues bekommen hat, samt Stiften. «Mami, du musst auch noch etwas machen», ruft Fiona. Sie läuft zum Thek, fischt darin und murmelt: «Hoffentlich han ichs nöd bide Amira vergässe.» Bei ihr war sie über Mittag gewesen. Schliesslich bringt sie ein gefaltetes A4-Blatt an den Tisch, dort sollen die Eltern ihre Wünsche für Fiona aufschreiben.
Muss auch Fiona noch etwas erledigen? Auf der Rückseite des Blattes steht schliesslich: «Meine ersten Hausaufgaben». Alles schon über Mittag erledigt, sagt sie und erklärt, was es zu tun gab: Formen ausmalen oder das Tier erkennen, das nicht zu den anderen gehört: «Es isch so bubig gsi!», ruft sie. Die Spinne, die sie abzeichnen sollte, hat allerdings nur Beine, aber keine Füsse. «Ja», sagt Fiona, als ihrer Mutter das auffällt, «aber ich han dänn nüme welle, hans soo blöd gfunde, d Ufzgi. Han nüme welle.»
Und dann mag Fiona nicht mehr allzu viel erzählen. Ob sie müde sei, fragt Patricia Moser, und ob es ein auf-regender Tag gewesen sei. «Nur ganz es bizzeli», sagt Fiona.