«Es war mir immer ganz recht, wenn sich die Scheinwerfer auf andere richteten»
Serie vor den Kantonsratswahlen vom 12. April: Die Ämtler Kantonsräte (1): Jakob Schneebeli, SVP

«Ich hatte als Kantonsrat nie das Bedürfnis, jederzeit wahrgenommen zu werden. Ich wollte meine spezifischen Fähigkeiten für meine Region und meine Partei einbringen, aber es war mir immer ganz recht, wenn sich die Scheinwerfer auf andere richteten», fasst Jakob Schneebeli am Ende seiner zweiten und letzten Amtsdauer seine Zielsetzungen als Kantonsrat zusammen. Er empfinde sich selbst als «ganz normalen Säuliämtler», der seine Wünsche und Anliegen habe, für die sich einzusetzen er gewählt worden sei.
«Geduld haben, zuzuhören – das unterscheidet mich von anderen»
Auf die Frage nach seiner wichtigsten Fähigkeit antwortet er: «Ich habe die Geduld, zuzuhören – eine Eigenschaft, die mich von manchem anderen Kantonsrat unterscheidet.» Nach dem Zuhören überlege er, komme zu Folgerungen und vertrete diese in der Fraktion. Und wenn die Fraktion anders entscheidet, als er es beantragt hat? Dann trete er ein für die Ansicht der Mehrheit, denn «wer dies nicht kann, ist im Kantonsrat am falschen Ort.»
Um diese Loyalität der Fraktion gegenüber zu erläutern, schildert Jakob Schneebeli, wie er das Funktionieren des Kantonsrats erlebt: Die eigentliche Arbeit geschehe in den Kommissionen und Fraktionen. Hier setze man sich mit den Argumenten der anderen Parteien auseinander, arbeite gegebenenfalls an Kompromissen.
Die Ratsdebatte selbst sei für die Medien bestimmt. Für ihn, der kein Mandat im Nationalrat angestrebt habe, sei es nicht wichtig gewesen, in den Medien zu erscheinen, deshalb habe er sich auch nie ohne einen bestimmten inhaltlichen Grund in der Debatte geäussert. Er habe es nie erlebt, dass die Fraktion anders als zuvor beschlossen gestimmt habe, was zeige, dass die Ratsdebatte selbst keinen grossen Einfluss auf die Entscheide ausübe.
Sach- anstatt Einzelgeschäfte
Was interessiert Jakob Schneebeli an der Arbeit im Parlament? Die Arbeit im Kantonsrat brauche einen längeren Atem als im Gemeinderat, dem er in Affoltern angehört hat. Während die kommunale Exekutive sich mit unzähligen Einzelgeschäften auseinandersetze, konzentriere man sich im kantonalen Parlament auf die Sachgeschäfte im eigenen Kompetenzbereich. Dies führe zu einer interessanten Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Parteien und Interessengruppen. In den Kommissionen sei es auch möglich, über die Fraktionsgrenzen hinaus Einigungen zu finden. Im Moment arbeitet Schneebeli an der Vorlage zum Immobilienmanagement des Kantons: «Hier ziehen wir mit den Grünliberalen und der CVP am selben Strick und arbeiten sehr gut zusammen, unabhängig davon, dass wir in anderen Fragen entgegengesetzte Ansichten vertreten.» Mehrheiten könne man nur schaffen, wenn man mit allen Koalitionspartnern in der jeweiligen Sachfrage kooperiere.
In der Fraktion werde zu jedem Geschäft ein Themenleader bestimmt. Dieser müsse einerseits in der Kommission eine mehrheitsfähige Position erarbeiten und gleichzeitig die Fraktion davon überzeugen. «Dieses System kommt mir sehr entgegen. Politische Arbeit ist für mich Themenarbeit.» Der Tagesanzeiger habe ihn deshalb zu den Hinterbänklern gezählt: «Wenn der Tagesanzeiger dies so sieht, ist es für mich fast ein Kompliment.» Die Öffentlichkeit erhalte ein falsches Bild der politischen Arbeit, wenn in Medien die Anzahl der eingereichten Vorstösse aufgelistet werde – dies diene der Kampagnenführung, habe aber oft nur einen sehr beschränkten politischen Einfluss: «Die wirksamsten Kantonsräte sind selten diejenigen, welche die meisten Vorstösse einreichen und bei jeder Gelegenheit im Plenum das Wort ergreifen.»
Mehrheitsfindung in Kernanliegen
Als wichtigste Erfolge nennt Jakob Schneebeli den Mieterausbau desToniareals für die Zürcher Fachhochschulen für weit über 100 Millionen, die Leichtathletik-EM in Zürich und die Verhinderung des Zürichsee-Uferwegs über private Grundstücke. Beim Toniareal habe er sich gegen eine starke Front in der eigenen Fraktion durchsetzen müssen, die er habe aufweichen können. Ähnlich sei es bei der Leichtathletik-EM gewesen, wo er in der Fraktion die Risikogarantie von 5 Millionen aus dem Lotteriefonds durchzubringen vermochte; der Wirtschaftsmotor der Schweiz müsse doch in der Lage sein, einen solchen Anlass zustande zu bringen, hält Schneebeli fest. Im Fall des Zürichsee-Uferwegs habe er nicht die eigene Fraktion, sondern die FDP und die Mittelparteien überzeugen müssen – bei diesem Geschäft sei die Mehrheit in der Fraktion zwar von Beginn weg klar gewesen, aber er habe in der Kommission Partner finden müssen. Obwohl mit Ernst Stocker ein SVP-Regierungsrat auf der Gegenseite gestanden habe, sei es ihm gelungen, ein Signal zu senden für den Schutz des privaten Eigentums.
Beim Autobahnzubringer Obfelden-Ottenbach habe er die Basisarbeit für das Lobbying geleistet, die öffentlichen Auftritte aber anderen Ämtler Kantonsräten überlassen. Hier habe man politisch einen klaren Erfolg gefeiert, nun müssten die Gerichte über die Einsprachen entscheiden.
Und wie schaut es aus mit Niederlagen? Als neuer Kantonsrat und Mitglied der Finanzkommission hat Schneebeli das Budget des Kantons in stundenlanger Arbeit nach Sparpotenzial durchforstet und der Fraktion einen detaillierten Vorschlag unterbreitet. Ein Fraktionskollege, der sich nicht sonderlich mit Finanzen befasse, habe den Antrag gestellt, das Budget global prozentual zu kürzen, und habe ohne grosse Debatte einen klaren Entscheid zu seinen Gunsten erreicht. «Ich fand solches Vorgehen ein wenig unreif», meint Schneebeli, «aber solche Entscheide muss man wegstecken – und im Plenum mit der Fraktion stimmen.»
Erkannt, wo die Arbeit geleistet wird
Für Neumitglieder sei der Kantonsrat gewöhnungsbedürftig. Drei Monate nach seiner Wahl ins Parlament habe ihn jemand gefragt, wie es ihm gefalle. Er habe geantwortet, er sei schockiert über die Unruhe im Plenum, niemand höre niemandem zu. Nach den ersten Erfahrungen in Kommissionen habe er aber erkannt, wo die Arbeit geleistet werde und von diesem Moment an habe er sich mit der Kantonsratsarbeit angefreundet.
Die Zusammenarbeit mit den anderen Ämtler Kantonsräten hänge von der Interessenlage ab. Naturgemäss finde er sich häufiger mit den anderen bürgerlichen Kantonsräten. Dennoch habe er einen guten Draht zum Sozialdemokraten Moritz Spillmann, mit dem man gut und verlässlich besprechen könne, wo gemeinsame Positionen bestehen und wo nicht. Beim Grünen Hans Läubli sei es naheliegend, dass im Strassenbau kein Konsens möglich sei, wohl aber beim Lobbying für eine Ämtler Kantonsschule oder eine Postautolinie.
Nach seinem Rücktritt wird Jakob Schneebeli weiterhin Parteiarbeit leisten, unter anderem als Präsident der Ortssektion der SVP, und sich wieder vermehrt auf die Gemeinde konzentrieren, beispielsweise in der Ortsplanung. Er freue sich auch darauf, sich wieder vermehrt seinem Immobilien-Büro widmen zu können und das Arbeitspensum insgesamt eher etwas abzubauen. Er habe von Beginn weg zwei Amtsdauern im Kantonsrat ins Auge gefasst und halte sich nun an seine eigene Vorgabe: «In der ersten halben Amtsdauer muss man sich einarbeiten. Nun habe ich anderthalb Amtsdauern lang arbeiten können und jetzt ist es Zeit, die Parlamentsarbeit in jüngere Hände zu legen.»