Mit Video: Europameisterin zurück im Job
Die Affoltemerin Marlena Senne ist nach ihrem Titelgewinn wieder an der Arbeit
Vergangene Woche durfte die Affoltemerin Marlena Senne jubeln. An den europäischen Berufsmeisterschaften in der polnischen Stadt Gdańsk (auf Deutsch Danzig) gewann die 23-jährige Steinmetzin die Goldmedaille (der «Anzeiger» berichtete). Bereits am Mittwoch war die Gewinnerin wieder an der Arbeit. In der Stadt Zug wird eine aus dem 15. Jahrhundert stammende Stadtmauer beim Huwiler-Turm mit ihrer Mithilfe restauriert.
Als der «Anzeiger» vor Ort eintrifft, geht es direkt hoch hinaus aufs Gerüst. Flink huscht die Steinmetzin darüber und eine Treppe hinauf. Überall stehen Arbeitsmaterialien im Weg. Zudem ist der Gerüstbau auch eher niedrig gehalten, so dass der Schreibende selbst froh um seinen Helm ist.
Senne erklärt die verschiedenen verwendeten Steinarten, aus denen die Mauer im Mittelalter erbaut wurde. Es muss nicht alles ersetzt werden. Um fehlerhafte Stücke zu finden, werden diese abgeklopft und je nach Ton ersetzt oder auch neu befestigt. Ersatz gibt es im zur Baustelle gehörenden Steinlager, wo die entsprechenden Stücke mit grobem Werkzeug zugehauen werden.
Es geht hoch hinaus
Noch eine Etage höher ist die Mauer schon fast fertig restauriert. Hier werde mit passendem Mörtel die Restauration abgeschlossen. Zum Einsatz kommt dabei ein Spezialmörtel, welcher in ähnlicher Weise bereits beim Bau im Mittelalter verwendet wurde.
Marlena Senne ist für dieses denkmalgeschützte Bauwerk die ideale Besetzung: Seit Juni hat sie den eidgenössisch anerkannten Abschluss als «Handwerkerin in der Denkmalpflege FA». Nun kann sie ihre Kenntnisse direkt anwenden. Die Arbeiten an der Zuger Stadtmauer dauern noch bis in den Oktober hinein. Während der Ausbildung habe sie die Arbeit in der Werkstatt in Freienbach geschätzt. Unterdessen und gerade wenn es eine so spezielle Baustelle sei, gefalle ihr die Arbeit draussen aber auch, sagt die Steinmetzin.
Nach der Baustellen-Tour bleibt Zeit, auf die EuroSkills von vergangener Woche zurückzublicken. Beim Wettkampf in der Kategorie «Architectural Stonemasonry» setzte sich Senne gegen sechs Kontrahenten durch und wurde Europameisterin.
Fast 20 Stunden Wettkampf
Ihr Wettkampf, welcher über 19 1/2 Stunden verteilt auf drei Tage dauerte, bestand aus drei Modulen. Die bei Modul eins erstellen Blechschablonen dienten danach als Vorgabe für das dritte Modul.
Beim zweiten Modul war Senne mit einem Steinwürfel gefordert. Es musste ein Relief und ein Schriftzug eingearbeitet werden. Für die ersten beiden Module waren vier Stunden vorgegeben, die restliche Zeit galt Modul drei. In diesem wurde ein grösseres Stück Stein entsprechend den Vorgaben und mit Hilfe der erstellten Schablonen bearbeitet. Bei dieser Aufgabe wurde die Zeit für Marlena Senne knapp. «In den Pausen habe ich bei den Kollegen aus Frankreich und Deutschland gesehen, dass diese gut fertig werden. Ich selber dachte am Morgen des letzten Tages, dass ich wenig Chance habe, noch fertig zu werden. Irgendwie gelang mir das aber doch noch.»
Grosse Emotionen
Vom Wettkampfende am Freitagnachmittag berichtet die Affoltemerin, dass nach Ablauf der Zeit der ganze Druck abgefallen sei und sich alle in den Armen gelegen hätten. So das Team von SwissSkills, ihre mitgereisten Eltern, vier von ihren sechs Geschwistern sowie die Konkurrenten selbst. Doch auch danach blieb es emotional: Am Samstagabend wurden am Austragungsort die Medaillen verteilt und Senne erhielt mit knappem Vorsprung vor Deutschland und Frankreich die goldene Auszeichnung. Am Sonntag folgte zudem ein Empfang beim Flughafen in Kloten. Auch hier gingen die Emotionen nochmals hoch: «Als wir Kandidaten hinter der Bühne auf unseren Auftritt warteten, lief fürs Publikum ein Videozusammenschnitt mit Highlights des Wettkampfes. Wir konnten nur zuhören, aber alleine dies brachte nochmals alle Emotionen hervor.»
Bereits im letzten Jahr hätte Marlena Senne an den Weltmeisterschaften in Shanghai teilnehmen können. Allerdings waren es in ihrer Kategorie zuwenig Kandidaten. Es gebe im nächsten Jahr in Lyon nochmals einen Anlauf, eine Weltmeisterschaft durchzuführen, allerdings habe sie da die Alterslimite von 21 Jahren bereits überschritten. Daher ist keine Teilnahme mehr möglich.
Ohne Sponsoren geht es nicht
Arbeitgeber und Steinmetzmeister Franz Kuster, der ebenfalls auf der Baustelle ist, erklärt gegenüber dem «Anzeiger», dass ihr Lehrbetrieb J. & A. Kuster Steinbrüche AG Bäch sehr stolz auf Marlena Senne sei. Man gönne ihr den Erfolg von Herzen. Damit sei auch an grosser Dank an die Sponsoren verbunden. Marlena Senne sagt dazu, dass ihr Erfolg auch mit genügend Sponsoren zusammenhänge. Dies sei so fast nur in der Schweiz möglich. Sie wendete viele Samstage auf, um zu üben. Dazu wurde extra polnischer Kalkstein beschafft, damit sie mit dem gleichen Material wie am Wettbewerb trainieren konnte. Kuster ergänzt, dass man auf gute Handwerker angewiesen sei. Darum würden bei ihnen auch Lehrlinge gefördert. Und auch Marlene Senne ist dies ein grosses Anliegen. Im November übernimmt sie nach abgeschlossener Ausbildung zur Lehrmeisterin die Betreuung des Lehrlings. Natürlich auch mit dem Ziel, diesen an die Meisterschaften zu bringen.