Ewigi Liebi – Sehnsucht, Wunsch, Ideal?
Wie bleibt eine Beziehung lebendig? Was ist eigentlich Liebe und warum soll man sich überhaupt auf diese Gefühle einlassen? Fachpsychologe und Stellenleiter Christoph Pally hat den Jahresbericht unter den Titel «Ewigi Liebi» gestellt und unterhält sich mit dem «Anzeiger» über diese Fragen.

Der Jahresbericht der Ökumenischen Beziehungsberatungsstelle Affoltern trägt den Titel «Ewigi Liebi». Der Stellenleiter, Christoph Pally, ist sich bewusst, dass er damit verschiedene Assoziationen weckt: Romantik, Hoffnung, Sehnsucht, Wünsche, aber auch Abwehr und Infragestellung. Was ist denn überhaupt Liebe, kann man sich fragen. Ist das nicht bloss Kitsch für den Film? Liebe könne man natürlich nicht mit ein zwei Worten umschreiben, denn bei der Liebe gehe es um starke Gefühle einerseits wie Begehren, Attraktion, Nähe oder Glück. Liebe sei aber auch vergleichbar mit einer sicheren Grundlage wie Verlässlichkeit, Angenommensein und Heimat, erklärt Christoph Pally. Auf die Frage, warum sich der Mensch eigentlich in die Liebe, in Beziehungen begibt, obwohl das immer auch Konflikte, Frustration und im schlimmsten Fall sogar Verletzungen und Trennung bewirkt, betont er: «Ich bin überzeugt, der Mensch ist auf Beziehung angelegt, er ist sich selber nicht genug.» Beziehung sei eine schwierige Herausforderung, aber auch das höchste Glück. Und sie ermöglicht vielfältige Entwicklungen: «Schliesslich kann ich es von meiner Liebsten vielleicht am besten annehmen, wenn sie mir sagt, wie ich wirklich bin und wo ich mit meiner Art anecke.»
Weniger Nähe aus Angst vor Verlust
Im Jahresbericht zeigt der Psychologe auf, dass Gegensätze auf die Dauer wichtig sind für eine lebendige Beziehung. Gibt es denn ein Rezept, um eine Beziehung zu erhalten? «Ja, keine Bilder machen!» Damit meine er, keine Bilder, wie es ablaufen müsse in der Beziehung, wie das Gegenüber sein müsse. Man solle Pläne machen, doch zugleich offen sein, diese zu ändern. Widerspruch und Infragestellung, das sei wichtig für eine dynamische Beziehung. Zu viel Harmonie könne einschläfernd wirken. «Gegensätze halten hingegen wach und zwingen zu Bewegung und Entwicklung.»
Eine sehr nahe, glückliche Beziehung birgt natürlich auch eine Gefahr in sich, nämlich den umso schmerzhafteren Verlust, wenn sie – aus welchem Grund auch immer – zu Ende ist. Aus Angst vor dieser Enttäuschung gebe es tendenziell mehr Menschen, die sich nicht wirklich ganz auf nahe Beziehungen einlassen, weiss Christoph Pally.
Liebe ist nicht machbar
Was kann eine Therapie bewirken? «Ratsuchende kommen ja immer, wenn es nicht mehr weitergeht», sagt der Stellenleiter. Die Beziehung befinde sich dann in einem Ungleichgewicht oder einem Schwebezustand. Das Ziel der Gespräche sei, Klarheit zu bekommen, was war, was ist und wie es weitergehen soll. Das könne ein Neubeginn sein aber auch eine Trennung. Im zweiten Fall sei es ein Ziel, diese mit möglichst wenig zusätzlichen Verletzungen zu vollziehen. Mediationsberatung könne zu einer fairen Trennung viel beitragen.
Der Therapeut kann helfen, eine Kommunikation wieder in Gang zu bringen. Und er kann Unterstützung geben, das Umfeld wieder herzustellen, in dem die Liebe zwischen den Partnern wieder eine Chance bekommt, um sichtbar und spürbar zu werden. Letztendlich sei die Liebe ein grosses Geheimnis. Der Begriff Liebe werde heute zu schnell nur mit Sex verbunden und zu schnell dahergesagt. Das sei oberflächlich, denn die echte Liebe habe ja auch mit Tiefe und Ernsthaftigkeit zu tun. Nach einem Schlagerideal, wie «Ewigi Liebi» könne man nicht leben. Die Sehnsucht, die in diesem Traumbild mitschwinge, sei aber gut, sie weise zu einem Ziel hin. «Aber die wirkliche Liebe ist nicht fassbar, nicht machbar und nicht therapierbar. Sie ist ein Geschenk, ein Wunder, erfordert Geduld und Achtsamkeit im Umgang miteinander.»