Fahrplan ohne Haltestellen

Stand- und Durchgangsplätze für Schweizer Fahrende: Ausbau stockt – auch im Säuliamt

Der Parkplatz Chratz in Hausen wurde früher provisorisch von Fahrenden genutzt – heute ist das nicht mehr erlaubt. 
(Bild Angela Bernetta)

Der Parkplatz Chratz in Hausen wurde früher provisorisch von Fahrenden genutzt – heute ist das nicht mehr erlaubt. (Bild Angela Bernetta)

Im kantonalen Richtplan sind fünf Standplätze und dreizehn Durchgangsplätze für Schweizer Fahrende vorgesehen. Während der Grossteil der Standplätze in den regionalen Richtplänen eingetragen ist, fehlen weiterhin acht der vorgesehenen Durchgangsplätze. Zudem weisen bestehende Anlagen teilweise Mängel auf. Die kantonale Baudirektion stuft den Auftrag daher als nicht erfüllt ein. Um den Ausbau voranzutreiben, unterstützt der Kanton Gemeinden und Regionen bei der Suche nach geeigneten Flächen – auch auf Grundstücken von Bund, Kanton oder Gemeinden. So ist im regionalen Richtplan etwa ein zusätzlicher Standplatz im Zürcher Oberland eingetragen. Weitere Durchgangsplätze sind im Glattal, Unterland, Limmattal, am Zimmerberg und im Knonauer Amt geplant. Ein verbindlicher Zeitplan für deren Realisierung fehlt bislang.

Hürden auf Gemeindeebene

Im Bezirk Affoltern gibt es derzeit weder einen Stand- noch einen Durchgangsplatz. Die Zürcher Planungsgruppe Knonaueramt (ZPK) fand trotz Bemühungen keine Lösung. «Rechtliche Vorgaben, raumplanerische Einschränkungen und praktische Hindernisse verhinderten die Umsetzung», erklärt Peter Schärer von der ZPK. Ein zentrales Problem: Die Plätze dürfen nicht anderweitig genutzt werden – was für viele Gemeinden ein Hindernis darstellt.

Ein Beispiel ist Hausen: Der Parkplatz Chratz an der Weidstrasse wurde früher unter Auflagen provisorisch von Fahrenden genutzt. 2009 hob der Gemeinderat die Duldung wegen wiederholter Probleme auf, wie der Hausemer Gemeindeschreiber Christoph Rohner erklärt. Seither weist die Polizei Fahrende bei Bedarf weg. «Der Parkplatz Chratz ist der einzige grössere öffentliche Parkplatz der Gemeinde», betont Rohner. «Er wird intensiv genutzt – etwa für Veranstaltungen, kirchliche Anlässe und Sportevents oder als Parkplatz für Anwohnende und das Gemeindepersonal. Auch die Grüngutmulden müssen jederzeit zugänglich bleiben.» Der regionale Richtplan sieht deshalb vor, weiterhin gemeinsam mit den Gemeinden einen Ersatzstandort zu suchen und planungsrechtlich zu sichern.

Einzelne Fortschritte im Kanton

Trotz Schwierigkeiten gibt es auch angemessene Entwicklungen. So wird am Rastplatz Gerenholz an der A3 demnächst ein neuer Durchgangsplatz eröffnet – ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Wädenswil und des Kantons. «Mit Strom-, Wasser- und Abwasseranschlüssen für acht Einheiten, einem Entsorgungsplatz, einem beheizten Sanitärcontainer sowie geregelter Müllabfuhr bietet der Platz eine zweckmässige Infrastruktur», erklärt Reto Wullschleger vom zuständigen Ingenieur- und Architekturbüro Wullschleger und Aceti in Au/Wädenswil. Die Anlage kostet den Kanton rund 500000 Franken.

In Meilen dürfen Fahrende ihre Fahrzeuge derzeit provisorisch am Vorderen Pfannenstil – nahe der Kreuzung Stuckistrasse/Herrenweg – abstellen. Dort ist ein ausgebauter Durchgangsplatz mit entsprechender Infrastruktur geplant, ebenso ein ganzjährig öffen­tlich nutzbarer Ersatzparkplatz. Ein konkreter Zeitplan gibt es laut dem Meilemer Gemeindeschreiber Didier Mayenzet jedoch noch nicht.

Dauerhafte Lösungen gefordert

In vielen Regionen gibt es provisorische Lösungen. Ein Vertreter der Radgenossenschaft der Landstrasse, der anonym bleiben möchte, kritisiert: «Die befristete Nutzung zwingt uns zur ständigen Improvisation. Das führt immer wieder zu Spannungen mit Gemeinden und Anwohnenden.» Die Jenischen fordern ganzjährig nutzbare, winterfeste Plätze mit Strom, Wasser, Sanitäranlagen – und einem fairen Tagestarif von 15 Franken pro Fahrzeug. Zwar übernimmt der Kanton Planung, Bau und bietet eine Defizitgarantie, für Betrieb und Unterhalt sind jedoch die Gemeinden verantwortlich. Sie legen auch die Nutzungsbedingungen fest – häufig mit einer maximalen Aufenthaltsdauer von 30 Tagen. Die Plätze sind ausschliesslich für Angehörige der national anerkannten Minderheit der Jenischen und Sinti vorgesehen; eine touristische Nutzung ist ausgeschlossen.

Politischer Widerstand bremst Umsetzung

Trotz kantonaler Unterstützung fehlt es in vielen Gemeinden am politischen Willen – aus Sorge um das Ortsbild, die Sicherheit oder die Sauberkeit. In Thalwil etwa lehnte der Gemeinderat einen Standort bei der Gattikerhöhe mit Verweis auf Sicherheitsbedenken ab. Inzwischen ist im Ortsteil Wettinger ein alternativer Standort im Richtplan eingetragen.

Auch organisatorische Hürden erschweren die Umsetzung. «Häufig wechselnde Zuständigkeiten in den Verwaltungen verlangsamen den Prozess zusätzlich», erklärt der Vertreter der Jenischen. «Das bedeutet jedes Mal neue Überzeugungsarbeit.» Sein Appell: «Wer die Gleichberechtigung der Jenischen ernst nimmt, muss dies auch in der Raumplanung zeigen – mit konkreten Projekten, nicht nur auf dem ­Papier.»

Obwohl der Kanton Planung, Bau und finanzielle Mittel bereitstellt, kommt der Ausbau der Infrastruktur nur schleppend voran. Ohne das Engagement der Gemeinden bleibt der Fortschritt begrenzt.

Gefragt sind weiterhin gemeinsame Anstrengungen von Kanton, Regionen und Gemeinden – sowie Geduld und Kompromissbereitschaft auf allen ­Seiten.

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