«Falsche Polizisten» ergaunerten 575 000 Franken – auch im Bezirk

52-Jähriger «Kurier» vor Bezirksgericht Affoltern – 54 Monate Gefängnis gefordert

Rund 575 000 Franken hat eine aus der Türkei operierende, mehrköpfige Bande in der Schweiz durch Telefonbetrug ergaunert. Vier der 51 in der Anklage aufgelisteten Geschädigten stammen aus Ämtler Gemeinden. Dabei geht es pro Fall um fast durchwegs fünfstellige Beträge. Vor dem Bezirksgericht Affoltern musste sich ein 52-jähriger, in Deutschland niedergelassener Türke verantworten. Er diente der Bande als sogenannter «Logistiker». Angeworben wurde er gemäss eigenen Angaben von einem «Josef», den er 2021 an der Zürcher Streetparade kennengelernt haben soll.

Laut Anklage bestand seine Aufgabe darin, für die Tätergruppe Schweizer SIM-Karten mit falschen Namen zu organisieren und diese schliesslich zu aktivieren – dies in mindestens 16 Fällen. In einem Fall geschah dies mittels Prepaid-Kreditkarte. Damit finanzierte der Angeklagte unter anderem Inserate auf «Tutti» und ein Abo bei «Skype», um damit – zusammen mit Kleininseraten im Migros und im Coop Kuriere anzuwerben, die das Geld bei den Geschädigten abholten – Beiträge, die schliesslich via Hintermänner in die Türkei überwiesen wurden. In diesen Fällen belief sich die Deliktsumme auf über 150000 Franken, in weiteren Fällen kamen 67000 und 108000 Franken hinzu. Von zwei «Abholern» nahm der Beschuldigte weitere 18340 Franken entgegen. In weiteren 14 Fällen gab er seinem Bruder und dessen Lebenspartnerin den Auftrag, während seiner Abwesenheit Bargeld von diversen Kurieren entgegenzunehmen, insgesamt über 161000 Franken. Der Beschuldigte selbst holte laut Anklage in mindestens zwei Fällen insgesamt 44000 Franken Bargeld bei Geschädigten ab.

Sattsam bekannte Maschen der «Keiler»

All dies geschah in den 51 zur Anklage stehenden Fällen auf der sattsam bekannten Vorgehensweise. Als «falsche Polizisten» nahmen sie vornehmlich Personen im Rentenalter ins Visier. In der Anklage werden diese Opfer wegen ihrer erfahrungsgemäss hohen Vertrauensseligkeit als «sehr empfänglich für Vermögensdelikte» bezeichnet – als Opfer arglistiger Täuschungen. Die Täterschaft sucht dabei in Telefonverzeichnissen nach altmodischen Vornamen, die in Festnetznummern verzeichnet sind – entgegen jener, die sich mehr und mehr nicht mehr in öffentlich einsehbaren Verzeichnissen registrieren lassen. Sobald die Täter, die als sogenannte «Keiler» bezeichnet werden, Auskunftsbereitschaft feststellen, setzen sie ihre Opfer unter Druck, oftmals auf Hochdeutsch, aber in jüngerer Zeit auch auf Schweizerdeutsch. Sie geben sich als Beamte eines schweizerischen Polizeicorps, einer Staatsanwaltschaft oder eines Finanzinstituts aus. In vielen Fällen gaukeln sie den Opfern Ermittlungen gegen Verbrecherbanden vor – mit unterschiedlichen Begründungen.

Dabei erwähnen diese «Keiler» fiktive Schwierigkeiten bei einem Zahlungsauftrag der Hausbank der Geschädigten. Und sie suggerieren, es laufe ein Verfahren gegen das Finanzinstitut, bei dem das Opfer Kunde ist. Und zwar wegen In-Umlauf-Bringens von Falschgeld. Mutmasslich würden auch Mitarbeitende dieser Hausbank mit dieser vermeintlichen Verbrecherbande kooperieren. Mit dieser Lüge wurden die Opfer aufgefordert, bei ihrer Hausbank Geld abzuheben. Das diene dann der Beweissicherung und Präventionszwecken. Es solle per Codewort einem Kurier ausgehändigt werden. Den Opfern wurde die Rückgabe dieses Geldes nach Abschluss der Ermittlungen versprochen.

Gewinnanteil für Geldübernahmen

Eine weitere Betrugsmasche: Das Geld der Geschädigten sei für einen Betrug verwendet worden; es gebe Probleme mit dem Bankkonto. Das Geld müsse «kontrolliert» werden, weshalb der Bezug eines grösseren Betrags ab dem Bankkonto nötig sei. Auch damit hatten die Täter Erfolg. Geld haben die Opfer den «Kurieren» per Codewort ausgehändigt oder auf ein «Sicherheitskonto» eingezahlt – wieder mit dem Versprechen einer Rückzahlung nach Abschluss der «Ermittlungen».

Laut Staatsanwaltschaft beläuft sich die zwischen 2021 und 2023 ermittelte Deliktsumme auf 574 653 Franken. Davon habe der Beschuldigte als Gewinnanteil für seine eigenen zwölf Geldübernahmen, den zwei Geldübernahmen seines Bruders und Partnerin jeweils 1000 Franken pro Übernahme erhalten – dies bei einem legal erwirtschafteten Lohn von 3200 bis 3500 pro Monat. Diese illegalen 1000 Franken entnahm der Geschädigte aus dem jeweiligen Couvert. Danach zahlte er den übrigen Betrag an einem Bitcoin-Automaten ein. Später übergab er die Beute einem Mittelsmann oder stellte sie in dessen Briefkasten bereit.

Der Mann wird ausserdem wegen Geldwäscherei beschuldigt. Weil er von verschiedenen Abholern 381000 Franken diverser Geschädigter an weitere Tatbeteiligte weitergab. «Geld aus betrügerischen Handlungen», so die Anklage.

Der Mann kam 2017 als Schreiner-Monteur in die Schweiz und hat sich mit einer GmbH selbstständig gemacht. Seine Partnerin, eine inzwischen an Krebs erkrankte Schweizerin, lebt seit Sommer in Deutschland, wo der Beschuldigte nach Verbüssung der Strafe hinziehen will und deutscher Staatsbürger ist. Die geforderte siebenjährige Landesverweisung wäre für ihn nach eigenen Worten «keine besondere Härte». Er anerkennt den Anklagesachverhalt und ist geständig. Ob er sich bei den Opfern entschuldigt habe, wollte der Gerichtspräsident wissen. «Ich wollte Kontakt, habe mich dann aber nicht getraut.» Und mit «Jein» beantwortete er die Frage, ob er bloss als Gehilfe dabei gewesen sei. Er könne auch nicht sagen, ob vorliegend ein schwerer Fall von Geldwäscherei vorliege, wie das die Staatsanwaltschaft beurteile. Die Staatsanwältin bezichtigt ihn der Mittäterschaft auf mittlerer Hierarchiestufe. Er habe einfältig, verwerflich und egoistisch gehandelt. Das Verschulden sei erheblich – mit dem Resultat auch, dass die Geschädigten Vertrauen verloren haben. Straferhöhend seien die Vorstrafen – unter anderem wegen Gläubigerschädigung und ungetreuer Geschäftsbesorgung – strafmildernd sein kooperatives Verhalten und das Geständnis.

Wegen gewerbsmässigen Betrugs, des versuchten gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Anstiftung zum gewerbsmässigen Betrug und wegen mehrfacher Geldwäscherei fordert die Staatsanwaltschaft eine unbedingte Gefängnisstrafe von 54 Monaten. Dazu will sie eine siebenjährige Landesverweisung. Hinzu kommt die Forderung nach der Verlängerung der Probezeit für eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 90 Franken von zwei auf drei Jahre.

Bis 33 Prozent «Rabatt»

Sein Verteidiger plädiert für eine Gefängnisstrafe von maximal drei Jahren und verlangt die sofortige Entlassung aus dem Gefängnis sowie einen Landesverweis von lediglich fünf Jahren; der Mann sitzt seit dem 22. November 2024 im vorzeitigen Strafvollzug. Eine bedingte Strafe sei um ein Jahr zu verlängern. Die sichergestellte Barschaft von 5100 Franken sei zur Deckung der Verfahrenskosten zu verwenden, 18100 sichergestellte Franken müsse er zwei Geschädigten zurückerstatten. Sein Mandant sei vollumfänglich geständig, kooperativ und habe bei der Suche nach Mittätern mitgeholfen. Dies ergebe einen «Rabatt» von 20 bis 33 Prozent. Vergleichbare Fälle seien milder geahndet worden. Zudem habe das Verfahren sehr lange gedauert, das Beschleunigungsgebot sei verletzt worden. Das Thema «Entschuldigung» sei heikel und für Geschädigte meist eher störend, sagte der Verteidiger.

«Ich kann das leider nicht wiedergutmachen und habe vielen wehgetan, auch meiner Familie», sagte der Beschuldigte in seinem Schlusswort.

 

 

Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Das Bezirksgericht hat noch kein Urteil gefällt. Es wird den Parteien schriftlich eröffnet

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