Finanzdirektor wehrt sich vehement gegen «Steuer-Stasi»-Vorwurf

Regierungsrat Stocker verteidigt Vorgehen der Steuerbehörden bei Wohnsitz-Abklärungen

Wohnsitzabklärungen sind für die Steuerbehörden und Steuerpflichtigen aufwendig und reichen bisweilen bis in die persönliche Sphäre der Steuerpflichtigen: Regierungsrat Ernst Stocker an der Medienkonferenz. (Bild Daniel Vaia)
Wohnsitzabklärungen sind für die Steuerbehörden und Steuerpflichtigen aufwendig und reichen bisweilen bis in die persönliche Sphäre der Steuerpflichtigen: Regierungsrat Ernst Stocker an der Medienkonferenz. (Bild Daniel Vaia)

Der Zürcher Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) hat am Donnerstag in Zürich vor den Medien das bisweilen unzimperliche Vorgehen des kantonalen Steueramts bei Wohnsitz-Abklärungen verteidigt. Laut Stocker halten sich die Behörden streng an die gesetzlich erlaubten Vorgaben. In Einzelfällen könnten zwar auch mal Mobilfunk-, Bank- oder Kreditkartendaten von Steuerpflichtigen ausgewertet werden – aber nur so weit es die für die ganze Schweiz geltende Rechtsprechung erlaube.

Mit dem Auftritt wehrte sich Stocker gegen jüngst veröffentlichte Berichte in der NZZ zu den Methoden der Zürcher Steuerbehörden. Darin wurde der Kanton als eine Art Steuerhölle für Vermögende beschrieben, die wegen mutmasslich falschen Wohnsitzangaben ins Visier der Behörden geraten. In einem NZZ-Kommentar war gar von einer «Steuer-Stasi» die Rede. Vor den Medien bezeichnet Stocker den Vergleich mit der berüchtigten Staatssicherheit (Stasi) in der kommunistischen DDR nun als «völlig daneben» und «verantwortungslos».

Dass insbesondere Vermögende bei der Angabe des Wohnorts zu tricksen versuchen, um Steuern zu sparen, ist nicht neu. Sie geben als Wohnort eine Adresse an einem steuergünstigen Ort an, haben aber ihren wahren Lebensmittelpunkt an einem ganz anderen, steuerlich weniger attraktiven Ort. Auf diese Weise lassen sich, je nach Einkommen und Vermögen, schnell Zehntausende Franken pro Jahr sparen. Die Aufgabe der Steuerbehörde ist es, solche Schummeleien aufzudecken. Dabei stellt sich jedoch die Frage, wie weit sie hierbei gehen darf.

Auch ein bekannter Fall aus dem Säuliamt

Die NZZ beschrieb unlängst in einem Artikel vier Fälle, in denen die Zürcher Steuerbehörden zum Teil tief ins Privatleben der Verdächtigen eindrangen. So seien Kredit-, Debit- und Bankkartenabrechnungen über mehrere Jahre verlangt worden, ebenso Standortdaten von Mobiltelefonen und Angaben über Aufenthalts- und Arbeitsorte. «Selbst eine Detailzusammenstellung der Krankenkasse wurde eingefordert, mit sämtlichen Adressen der Rechnungssteller und allen abgerechneten Positionen», schrieb die Zeitung über den Fall eines Unternehmers. Treuhänder und Wirtschaftsanwälte würden mittlerweile davon abraten, nach Zürich zu ziehen, so die Zeitung: «Dies nicht nur wegen der hohen Steuern. Sondern auch wegen des Gebarens des Steueramts.» Ähnlich detaillierte Abklärungen wurden Anfang Jahr in Zusammenhang mit einem Fall am Bundesverwaltungsgericht bekannt. Darin involviert war ein im Säuliamt wohnhafter, erfolgreicher Unternehmer («Anzeiger» vom 21. Februar 2025: «Datenspur verrät Multimillionär»). Dieser hatte sich nach Jahren im Knonauer Amt zusammen mit seiner Frau ein Haus im steuergünstigen Kanton Zug gekauft, wobei die beiden ihr früheres Haus im Kanton Zürich weiter nutzten. Als neuen Wohnort gaben sie gegenüber den Steuerbehörden den Kanton Zug an. Die Zürcher Steuerbehörden zweifelten allerdings daran, worauf Steuerkommissäre den Fall unter die Lupe nahmen. Wasser- und Stromverbrauch in den beiden Liegenschaften wurden miteinander vergleichen, Kosten für den Umzug analysiert, selbst digitale Spuren von Einkäufen in einer Coop- und einer Dennerfiliale in der Nähe des Zürcher Wohnorts wurden ausgewertet. Am Ende kam das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss: Lebensmittelpunkt des Ehepaars ist weiterhin der Kanton Zürich, also hat es auch dort seine Steuern zu entrichten.

Das wohl bekannteste Beispiel ist das des früheren Novartis-Chefs Daniel Vasella. Er behauptete, seinen Wohnsitz vom steuergünstigen Kanton Zug ins noch günstigere Monaco verlegt zu haben. Anhand einer Reihe von Indizien konnten ihm die Zuger Steuerbehörden 2017 das Gegenteil beweisen – wobei sie unter anderem überprüften, wo Vasella seine Nespresso-Kapseln kauft.

«Keine Lust, Steuerpflichtige zu plagen»

Zurück zu den Vorwürfen der NZZ. Ist «big Steueramt watching you», wie das Blatt titelte? Nein, hiess es an der Medienkonferenz in Zürich. Beispiele wie die oben erwähnten könnten zwar hin und wieder vorkommen, seien aber die absolute Ausnahme. Und sie würden nur angewandt, wenn die Steuerpflichtigen zuvor ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen seien. Man sei sich sehr wohl bewusst, so Stocker, wie «wichtig und sensibel» das Thema ist. Man lebe aber in einem Rechtsstaat und es gelte das Verhältnismässigkeits-Prinzip. Dementsprechend gehe man «mit Augenmass» vor und strebe einen «fairen Umgang mit den Steuerpflichtigen» an. Sowohl Marina Züger, Chefin des Zürcher Steueramts, als auch Harry Müller, Leiter Privatpersonen beim Steueramt, betonten, dass sie bei Kreditkarten- und Mobilfunkdaten in den erwähnten Einzelfällen nur das Wann und das Wo interessiere – nicht die Details. Auch würden keine Daten auf Vorrat gesammelt. Müller: «Wir wollen die Daten, die wir brauchen, nicht mehr und nicht weniger.» Dass das Zürcher Steueramt mehr Fälle untersuche als andere Ämter, liege alleine an der grossen Zahl von einer Million Steuerpflichtigen im Kanton. Quotenmässig untersuche man nicht mehr als andere Kantone.

Nach Angaben der Zürcher Finanzdirektion betreffen die meisten untersuchten Fälle, in denen es um den Wohnsitz geht, Wochenaufenthalter. Das seien zirka 300 Fälle pro Jahr (0,03 Prozent der Steuerpflichtigen). In 250 Fällen davon komme es jeweils zu Steuerhoheitsentscheiden, 50 würden nicht weiterverfolgt.

Dazu kämen rund 200 Wohnsitz-Abklärungen durch das Steueramt (0,02 Prozent der Steuerpflichtigen, Zahlen für das Jahr 2024): In rund 60 Fällen habe das Steueramt auf eine Steuerhoheit verzichtet, in 120 sei die Steuerhoheit durch den Kanton Zürich akzeptiert worden und 20 Fälle seien noch nicht abgeschlossen.

Von zehn Streitfällen pro Jahr, die vor dem Steuerrekursgericht, dem Verwaltungsgericht oder dem Bundesgericht landeten, würden acht Fälle zugunsten des Steueramts entschieden und nur zwei gegen das Steueramt.

Laut Stocker stieg im Kanton Zürich die Zahl der Steuerpflichtigen zwischen 2010 und 2024 um 20 Prozent. Im selben Zeitraum sei der Personalbestand im Steueramt jedoch nur um sechs Prozent gewachsen. Jeder Steuerkommissär müsse derzeit pro Monat 270 Fälle bearbeiten – dementsprechend hätten sie «keine besondere Lust, Steuerpflichtige zu plagen».

Notiz am Rande: Steuerämter verlangten bisher in Zusammenhang mit Abklärungen rund um den Wohnsitz auch mal ein Foto der Inneneinrichtung der Wohnung oder des Hauses. Wegen KI verliere dieses Mittel aber zunehmend an Bedeutung, erklärte Harry Müller. Der Grund: Mittels KI lassen sich heute auf Fotos relativ einfach Möbel et cetera in einen real leeren Raum hineinrechnen.

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