«Für mich wäre es der einfachere Weg gewesen, zu sagen: ‹Ich tauche ab›»
Bonstettens Sek-Präsidentin Tamara Fakhreddine (FDP) nimmt Stellung zum Eklat im Sommer und zu ihrer Zukunft

«Anzeiger»: Tamara Fakhreddine, knapp fünf Monate sind seit dem Eklat an der Schulgemeindeversammlung in Bonstetten vergangen. Damals platzte verschiedenen Anwesenden, etwa Eltern oder Lehrpersonen, erstmals öffentlich der Kragen. Was ging Ihnen damals nach der Versammlung durch den Kopf?
Tamara Fakhreddine: Es ist mir wichtig, mit den Menschen in Kontakt zu sein, zuzuhören und zu verstehen. Da ich nicht auf Wortmeldungen vorbereitet gewesen war, wollte ich ihnen zuerst keinen Raum geben. Ich war unsicher, ob das angebracht ist und die Schulversammlung dafür der richtige Ort ist. Trotzdem habe ich dem dann stattgegeben. Hinterher war ich sehr froh darüber.
Weshalb?
Wir sind als Schulpflege vom Volk gewählt, sind quasi Delegierte. Normalerweise sind es ganz wenige Leute, die immerhin über 13 Millionen Franken Budget entscheiden, deshalb fand ich gut, dass es viele Leute an der Versammlung hatte und dass Kritik kam. In einer direkten Demokratie muss das Platz haben.
Wann haben Sie begonnen zu ahnen, dass diese Versammlung anders wird?
Ich habe mitbekommen, dass der Elternrat die Eltern in einer Information dazu ermuntert hat, an der Versammlung teilzunehmen. Zudem bin ich im Vorfeld auch vereinzelt von Eltern angesprochen worden. Ich habe also gewusst, dass es Unstimmigkeiten gibt, und bin davon ausgegangen, dass mehr Leute kommen werden. Welcher Redebedarf tatsächlich vorhanden war, habe ich aber erst realisiert, als aus dem Publikum das Wort angefragt wurde.
Es brodelte an verschiedenen Fronten – bei Eltern, bei Lehrpersonen, in den Klassen – und Sie als Schulpräsidentin wollen es nicht gemerkt haben?
Klar habe ich mitbekommen, was an der Schule läuft. Wir waren im Sommer in einer Konfliktsituation, die mit der Aufsichtsbeschwerde beim Bezirksrat gegen mich sehr auf meine Person bezogen war. Zugleich haben wir im Verlauf der letzten Jahre bewusst entschieden, das Operative vom Strategischen zu trennen und als Schulpflege mehr in den Hintergrund zu treten. So ist es der Auftrag der strategisch tätigen Schulpflege, dafür zu sorgen, dass eine Schule nach den eigenen und rechtlichen Grundlagen geführt wird und ihren Auftrag gut erfüllt.
Die Vorwürfe, die damals gegen Sie erhoben wurden, waren teils happig: Die Rede war von einer Liste mit Personen, die Sie angeblich loswerden wollten. Von Aufträgen zur Bespitzelung oder von systematischen Aktennotizen. Damals gingen Sie nicht näher auf die Vorwürfe ein. Möchten Sie heute Stellung nehmen?
Diese Vorwürfe weise ich klar von mir. Einen solchen Auftrag gab es nie.
Das Hausdienst-Team sagte gegenüber dem Bezirksrat, es habe die Anweisung erhalten, Mitarbeitende zu beobachten und Fehlverhalten zu melden. Soll dieser Vorwurf erfunden sein?
Was innerhalb des Hausdienst-Teams kommuniziert wurde, weiss ich nicht. Wichtig ist: Wir haben ein Führungsthema an unserer Schule ...
...ein Führungsproblem?
Ja, man kann es auch so nennen. Die geleitete Schule ist an der Sekundarschule Bonstetten noch nicht etabliert. Diese zu etablieren, ist eine Herausforderung. Als ich 2018 angefangen habe, habe ich das rasch erkannt. Früher gab es Schulhausvorstände, damals hat sich die Lehrerschaft um alles gekümmert und ist für alles verantwortlich gewesen. Diese Verantwortung abgeben und loslassen zu können, fällt schwer.
Welche Schritte hat die Schulpflege unternommen?
Eine Schule muss sich entwickeln. Auch die Gesellschaft und die Arbeitswelt verändern sich. Da ist Stillstand keine Option. Wir haben Verschiedenes ausprobiert, ein Projektportfolio erstellt, haben die Leute immer wieder involviert, um Kooperation und Partizipation sicherstellen zu können. Ein Thema, das uns immer wieder auffiel und auch bei Schulevaluationen durch Externe bemängelt wurde, war die Verbindlichkeit. Verbindlichkeit entsteht unter anderem durch Schriftlichkeit. Beispielsweise ist wichtig, den Inhalt von Gesprächen schriftlich festzuhalten. Das schafft Verbindlichkeit und gibt Sicherheit. Das war der Hintergrund für die Gesprächs- beziehungsweise Aktennotizen.
Entstanden sind dann Aktennotizen, wenn ein Lehrer mit den Hallenschuhen draussen turnen liess oder über eine Absperrung kletterte, um einen Ball zu holen. Das klingt nach Lappalien. Verstehen Sie, dass bei den Angestellten der Eindruck entstand, Sie seien hinter den Leuten her?
Verbindlichkeit ist in der Personalführung zentral. Ebenso ist es selbstverständlich, dass Regeln für alle gelten sollen. Was genau zu Notizen geführt hat und wie die Zusammenhänge waren, ist Sache der Betroffenen und der operativen Führung. Das ist sehr operativ und hat mit der Schulpräsidentin nichts zu tun.
Es gab im Sommer Stimmen, die Ihren Rücktritt forderten. Sie haben sich dagegen entschieden. Weshalb?
Ich verspürte nach wie vor die Motivation, die Sekundarschule Bonstetten zu führen und meine von den Bürgerinnen und Bürgern übertragene Verantwortung als Schulpräsidentin wahrzunehmen. Auch wenn im November 2024 beim Bezirksrat eine Beschwerde gegen mich eingereicht worden war.
Die Beschwerde muss Sie doch getroffen haben. Sie war ein persönlicher Angriff.
Ja, die Beschwerde hat mich getroffen. Aber als Demokratin und Milizpolitikerin finde ich eine Beschwerde ein legitimes und wichtiges Instrument – auch wenn es in diesem Fall gegen meine Person gerichtet war. Wenn man unter Beschuss steht, finde ich es wichtig, zuzuhören. Und versuchen zu verstehen, zu lernen, und weiterzuentwickeln, statt sich einfach aus dem Staub zu machen.
Sie nennen es «aus dem Staub machen». Man könnte auch davon sprechen, neuen Kräften Platz zu machen.
Das ist eine Interpretation. Da ich wusste, dass im Sommer zwei neue Schulleiter kommen werden, und dass es eine gewisse Grundstabilität braucht, bevor ein Neuanfang möglich wird, entschied ich mich zu bleiben. Zudem habe ich die Zusammenarbeit innerhalb der Schulpflege, mit der Geschäftsleitung und mit der Schulverwaltung stets als gut und bereichernd erlebt.
Sie haben sich innerhalb der Schulpflege also noch genügend getragen gefühlt?
Ja. Ich habe die Vertrauensfrage gestellt.
Und Zuspruch für die weitere Zusammenarbeit erhalten?
Ja.
Hand aufs Herz: Waren Sie für den Rücktritt zu stolz?
Nein, Stolz ist in dieser Geschichte nicht vorgekommen. Für mich wäre es der einfachere Weg gewesen, zu sagen: «Ich tauche da mal ab.» Vielmehr wollte ich die Verantwortung als Schulpräsidentin wahrnehmen.
Die ganze Eskalation ereignete sich kurz vor den Sommerferien. Wie ging es nach den Ferien weiter?
Wir haben den Lehrpersonen vor den Sommerferien ein Gesprächsangebot gemacht, was allerdings etwas kurzfristig war und nicht so rege genutzt wurde. Nach den Sommerferien startete das neue Schulleitungsteam. Ihnen war es ein Anliegen, dass dieser Konflikt beim internen Kick-off-Tag nicht Thema ist, weil sie einen Neuanfang wollten. Als Schulpflege haben wir die Eltern informiert, dass die neue Schulleitung da ist, und bei der Einarbeitung haben wir Wert auf die existierenden Vorgaben, Konzepte und Reglemente gelegt, die als verbindliche Basis gelten. In der Zwischenzeit gab es auch nochmals ein Gesprächsangebot an die Lehrpersonen, und es hat auch ein Gespräch stattgefunden. Bald findet zudem ein erster Abend des Elternrats statt, auch dort wird jemand von der Schulpflege dabei sein.
Der Bezirksrat hat der Schulpflege mit Beat Vogt im Sommer eine externe Fachperson zur Seite gestellt. Wie läuft diese Zusammenarbeit in der Praxis genau ab?
Beat Vogt nimmt vor allem an Sitzungen teil und ist für mich ein Sparringspartner, ob für Absprachen oder zur Reflexion. Zudem erstattet er dem Bezirksrat regelmässig Bericht. Ich habe mich gefreut, dass er kommt, und war froh um jemanden, der eine Aussensicht mitbringt und gleichzeitig sehr erfahren ist.
Wie nehmen Sie die Stimmung an der Schule aktuell wahr?
Es läuft einiges, alle sind beschäftigt. Zunächst haben wir mit Beat Vogt vor allem geschaut, wie wir stabilisieren und Sicherheit bieten können. Nun ist die neue Schulleitung da und hat übernommen. Jetzt geht es darum, noch genauer herauszufinden, wer wofür verantwortlich ist und was das bedeutet. Hierzu haben wir nun ein Projekt gestartet.
Das Mandat von Beat Vogt wurde vom Bezirksrat auf Ende 2025 befristet. Läuft es nun aus, oder wird es verlängert?
Das wird der Bezirksrat entscheiden.
Im März finden die Gesamterneuerungswahlen statt. Sie haben sich bisher nicht öffentlich geäussert. Treten Sie nochmals an?
Nein. Nach reichlichem Überlegen und Gesprächen mit meinem engsten Umfeld bin ich zum Entscheid gekommen, dass ich nicht mehr als Schulpräsidentin kandidieren werde.
Wie schwer fiel Ihnen der Entscheid?
An einer Schule mitwirken zu können, ist ein grosses Privileg. Deshalb fiel mir der Entscheid nicht leicht. Wichtig war mir jedoch, dass wir in der Führung der Schule Stabilität und damit eine stabile Basis haben, auf der sich die Sekundarschule Bonstetten weiterentwickeln kann. Dazu braucht es eine etablierte Geschäftsleitung. Daran arbeiten wir jetzt bis im Sommer. Dann – so glaube ich – ist ein guter Moment, um abzugeben und neuen Kräften Platz zu machen.
Freuen Sie sich darauf, in Bonstetten bald nicht mehr gewähltes Behördenmitglied, sondern einfach wieder Stimmbürgerin zu sein?
Ja, jedes Ende schafft Platz für Neues. Und darauf freue ich mich.


