Hier sind die Tiere in guten Händen
Die putzigen Vierbeiner geraten immer mehr unter Druck, weil die Natur zugebaut wird – in Not erhalten sie nun Hilfe im Säuliamt

Isidor hat es sich schön gemütlich gemacht – zwischen den alten, zerknüllten «Anzeiger»-Zeitungsseiten, mit denen das Igelmännchen seine Behausung gepolstert hat. Noch ist nur ein Rascheln des stachligen Tieres zu hören, das sich versteckt hält. «Igel sind grundsätzlich scheue Wildtiere», erklärt Edith Stöckli, die Leiterin der neuen Igelpflegestation, die in Hedingen Mitte März ihren Betrieb aufgenommen hat. Die Station ist an der Affolternstrasse 12, direkt bei der Autogarage Reichenbach, beheimatet.
«Im Knonauer Amt und Umgebung werden jedes Jahr bis zu 150 verletzte, kranke oder unterernährte Igel gefunden. Wer einen solchen Igel findet, hat jedoch oft Mühe, eine Igelstation mit Kapazität zu finden», erklärt Stefan Bachmann, der Präsident des Vereins, welcher die Igelstation betreibt. Igel mussten bisher nach Zürich-Oerlikon oder in andere Kantone gebracht werden, doch auch diese Stationen sind oft überfüllt. Die nächste kleine Station in Arni AG wurde diesen Frühling geschlossen. «Aus diesem Grund keimte im Herbst 2021 die Idee, eine neue Igel-Pflegestation im Säuliamt aufzubauen. Inzwischen stehen rund 20 Personen auf der Liste der Ehrenamtlichen, die Igel pflegen möchten», berichtet Bachmann weiter.
Wer eine Igelstation betreibt, braucht dazu eine Bewilligung des kantonalen Veterinäramtes. Wie die Stationsleiterin, haben auch alle Helferinnen und Helfer einen vom Igelzentrum Zürich angebotenen Theoriekurs zur Igelbetreuung besucht. Die Betreuung der Tierchen ist komplex – sie brauchen sieben Tage in der Woche eine Betreuung. Täglich müssen die grossen Plastikwannen, in denen die Igel leben, ausgemistet werden. Täglich bekommen die Tiere zudem frisches Wasser und Nahrung: vor allem Katzenfutter oder getrocknete Mehlwürmer. Zudem erhalten sie eine umfassende medizinische Betreuung. «Sind Tiere aber schwerer verletzt, können wir nicht helfen. Dann ist der Tierarzt gefragt», betont Edith Stöckli, die früher beruflich als Pflegefachfrau tätig war.
Lungen- und Darmparasiten: Das sind neben Zecken und Flohbefall die häufigsten Krankheiten, die das Igelpflegepersonal in Hedingen betreuen muss. Dabei stellt es selber eine Diagnose. Der Igelkot wird unter dem Mikroskop genau untersucht und der Befund wie vorgeschrieben protokolliert. «Wir haben ein Fachbuch zur Hand, in dem alle gängigen Parasitenarten beschrieben sind. Bis wir genügend Erfahrung haben, schicken wir die Proben zur Analyse auch noch ans Tierspital Zürich», erklärt Stöckli.
Helfer verabreichen auch Spritzen
Die Helferinnen verabreichen die nötigen Medikamente als Paste mit dem Futter oder setzen dem Tier auch eine Spritze – das übten die Ehrenamtlichen vorher in diversen Einsätzen in der Igelstation in Arni. Durchschnittlich werden die Igel in Hedingen rund vier Wochen lang betreut, bis sie wieder ausgewildert werden können. In der Station gibt es Platz für zehn bis 14 Tiere, wie Stefan Bachmann erklärt. Der studierte Biologe ist beruflich bei Birdlife Schweiz als Medienverantwortlicher tätig und den «Anzeiger»-Lesern durch seine Kolumne «Streifzüge durch die Natur» bekannt. Pro Jahr sind 20000 Franken nötig, um die Igelstation kostendeckend zu betreiben. Die Miete, Medikamente oder das Futter schlagen vor allem zu Buche. Gönner und Sponsoren finanzieren die Igelstation, die Finanzierung für das laufende Jahr ist gesichert. Für den weiteren Betrieb sind aber noch rund 100 Gönnerinnen und Gönner gesucht, damit jedes Jahr genug Geld zusammen kommt.
Nachts überfahren
Zurück zum rund drei bis vier Jahre alten Igelmännchen Isidor, das wegen Darmparasiten betreut wird. Es wurde von der nun geschlossenen Igelstation Arni übernommen. Edith Stöckli nimmt beim Besuch vor Ort den Igel mit Handschuhen vorsichtig in die Hand. Das Tier hat sich zur Sicherheit zur typischen stachligen Kugel zusammengerollt. «Igel leben nicht im Wald. Sie bewohnen dasselbe Siedlungsgebiet wie die Menschen», weiss Bachmann. Doch immer mehr Grün wird zugebaut und so schwindet auch die Population der Igel. Zudem werden sehr viele Igel nachts überfahren. Überdies sind viele Gärten mit ihren Zierrasen und exotischen Pflanzen nicht besonders igelfreundlich. «Igel benötigen vor allem Nahrung, also Insekten, und Verstecke. Dies finden sie in Gärten mit einheimischen Sträuchern und Bäumen, mit Blumenwiesen und verwilderten Ecken. Vor allem auch grosse Asthaufen sind sehr wertvoll», betont Edith Stöckli.
Jetzt erwachen die Tiere langsam aus dem Winterschlaf und wagen sich aus ihren Verstecken. Grundsätzlich sind die Tiere nachtaktiv. Doch auch am Tag sind sie manchmal zu sehen. «Igel brauchen nicht immer Hilfe, auch wenn sie einmal tagsüber oder im Winter unterwegs sind», sagt Bachmann dazu (siehe Textbox).
Sind die in der Igelstation gepflegten Tiere gesund, werden sie in die Natur entlassen. Zunächst bleiben sie noch in einem Gehege, in dem sie noch kurzzeitig Futter erhalten. Optimalerweise werden die Igel in der Nähe, wo sie gefunden wurden, ausgesetzt. Denn die Tiere, die in der Nacht bis zu zwei Kilometer oder noch mehr zurücklegen, bewohnen ihr Leben lang das gleiche Revier.