Hundehaltung als Spiegel der Gesellschaft

Seit 1993 ist Irène Kleiner Präsidentin des Kynologischen Vereins. Im Laufe ihrer langjährigen Amtszeit hat sie Veränderungen in der Hundehaltung erlebt. Hunde sind nicht mehr ausschliesslich Befehlsempfänger, sie sind Partner. Was nicht heisst, dass sie Partnerersatz sind.

Die kleine Sanna lernt im Welpen-Kurs in einer anspruchsvollen Umgebung spielerisch, Leckerli zu suchen. Irène Kleiner liebt die «Nasenarbeit» mit den Hunden. (Bild Regula Zellweger)
Die kleine Sanna lernt im Welpen-Kurs in einer anspruchsvollen Umgebung spielerisch, Leckerli zu suchen. Irène Kleiner liebt die «Nasenarbeit» mit den Hunden. (Bild Regula Zellweger)

Für Irène und Peter Kleiner haben ­Hunde eine grosse Bedeutung in ihrer Lebensgestaltung. Peter Kleiner leistete vor Jahren mit seinen Hunden Militärdienst, Irène Kleiner reduzierte bereits 1986 ihre berufliche Tätigkeit bei einer Bank, um mehr Zeit für ihre Hunde zu haben. Seit gut 30 Jahren präsidiert sie den Kynologischen Verein, was neben Organisation und Administration auch das Erteilen von Kursen umfasst.

Im Jahr 1994 fanden in der Schweiz erste Welpen-Kurse statt. Seit 2008/2010 mussten alle Hundehalter schweizweit einen Sachkundenachweis (SKN) erbringen. Nun liegt der Entscheid dafür bei den Kantonen. Im Kanton Zürich gilt: Die revidierte Hundeverordnung ist noch nicht in Kraft. Deshalb ist die Hundeausbildung für alle Hunde obligatorisch, die nicht als kleinwüchsig gelten. Dies beinhaltet für Hundehalter vier Stunden Welpen-Kurs und 10 Stunden Junghunde-Kurs, für jeden Hund wieder neu.

Teilweise besuchen die Hundehalter Kurse mit Widerwillen

Das Angebot des Kynologischen Vereins besteht nicht nur in den obligatorischen Kursen. Ab dem Alter von sieben Monaten bereitet der Basis-Grunderziehungskurs auf den Fortsetzungskurs vor. Diese Kurse sind teilweise Voraussetzung für den Übertritt in den Hunde-Sportbereich, beispielsweise in die ­Trainingsgruppe «Begleithund». Peter Kleiners Hunde waren als Katastrophenhund, Fährtenhunde sowie als Schutzhunde ausgebildet. Irène Kleiners Engagement mit ihren Hunden liegt im Winter bei den Lawinenhunden, im Sommer bei den Begleit-, Fährten- und Sanitätshunden.

Ausschliesslich Hundehalter sind gesetzlich verpflichtet, mit ihrem Tier eine Ausbildung zu absolvieren. Für die Haltung anderer Haustiere braucht es keine obligatorische Ausbildung. Dies beeinflusst das Kursangebot. Während früher ausschliesslich Personen, die mit ihren Hunden gezielt arbeiten wollten, Kurse besuchten, gibt es heute auch Hundehalter, die dies mit einem gewissen Widerwillen tun. Vielleicht hielten sie bereits viele Jahre Hunde und wollen nicht mehr Geld investieren in etwas, das sie nicht für nötig halten. «Das ist eher selten, meistens wird verstanden, dass auch in der Hundeausbildung Stillstand ein Rückschritt ist», meint Irène Kleiner. Sie ist aber überzeugt, dass der Besuch von Hundekursen Freude machen soll, dem Menschen und dem Hund.

Wenn Hunde im Alltag ihre Besitzer unterstützen

Sanitätshunde, Militärhunde, Blindenführhunde, Lawinenhunde, Herdenhunde und Polizeihunde kennt man seit vielen Jahren. Man bezeichnet sie mit dem unschönen Begriff ­«Gebrauchshunde». Im Bereich Therapiehunde und Assistenzhunde hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung stattgefunden. Hunde ­haben eine nachgewiesen positive Wirkung auf Menschen. Diese Tatsache wird immer häufiger in Therapien, wie etwa der Sprach- und Ergotherapie, der Physio- oder Psychotherapie, in Krankenhäusern, Tageskliniken, heilpädagogische Praxen, Seniorenheimen oder Schulen genutzt.

Das Zuhause des Hundes ist und bleibt das Haus seines Besitzers. Dies unterscheidet ihn vom Assistenzhund, der als ständiger Begleiter dauerhaft bei Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen lebt. Es gibt Assistenzhunde mit verschiedenen Aufgaben: Diabetes-Warnhunde, Epilepsie-Warnhunde, posttraumatische Belastungsstörung-Assistenzhunde, ­Autismus-Assistenzhunde, Asthma-Warnhunde, Demenz-Assistenzhunde und Mobilitätsassistenzhunde. Diese speziell ausgebildeten Hunde, die erstaunliche Leistungen erbringen, haben sowohl das Image von Hunden als auch die Einstellung zu ihnen nachhaltig verändert.

17 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt allein in einem Haushalt. Insbesondere rüstige Seniorinnen und Senioren entscheiden sich für einen Hund, weil dieser den Tagesrhythmus bestimmt, zu Bewegung verhilft und emotional das Leben bereichert. Es gilt, vor dem Erwerb des Hundes sicherzustellen, was mit ihm geschieht, sollte man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr adäquat für das Tier sorgen können.

Für einen Hund hat man bis zu 15 Jahre die Verantwortung

Während der Pandemie hatten viele Leute mehr Freizeit und manche fühlten sich im Homeoffice allein. Die Lösung: ein Hund. Dabei waren sich viele nicht bewusst, dass man für den Hund bis an sein Lebensende, bis zu 15 Jahren, Verantwortung trägt, dass Hunde Zeit, Zuwendung und Training brauchen und dass Hunde nicht immer für spontane Freizeit-Ideen geeignet sind. Schon nach dem ersten Shutdown landeten viele Tiere in Tierheimen oder wurden ausgesetzt. Noch heute ist dieser Trend zu beobachten, man hat nach der Pandemie keine Lust mehr auf einen Hund. Oder man ist es leid, mit Hundekotbeuteln durch die Natur zu streifen.

Manchmal werden Hunde auch als Ausdruck des Lebensstils erworben – überspitzt gesagt: passend zum Interieur des Autos. Gewisse Hunderassen kommen in Mode und verschwinden wieder. Man wählt sie passend zum Lifestyle. «Spezielle Familienhunde beispielsweise gibt es nicht», erklärt Irène Kleiner resolut. «Das Verhalten und die Integration in die Familie macht einen Hund zum Familienhund. Hunde brauchen viel Zeit.»

«Hunde sind Partner, aber kein Partnerersatz», so Irène Kleiner. «Hunde brauchen liebevolle Zuwendung, Respekt, Achtung, aber auch Erziehung, um sich in unsere Gesellschaft einzufügen.» Sie ist strikt gegen eine Vermenschlichung von Hunden. Beobachtet man, was alles in Bezug auf Hundemode, ­Hunde-Gourmet-Ernährung und Hundespielzeug auf den Markt kommt, fragt man sich, ob diese Dinge tiergerecht sind.

Brückenbauer, Ausdruck des Lifestyles und Mittel gegen Einsamkeit

Hunde haben auch eine soziale Wirkung, weil sich Hundebesitzer beim Hundespaziergang kennenlernen. Man teilt immerhin ein Interesse! «Es gab in den letzten 30 Jahren in unserem Verein zwei bis drei Paare, die sich über ihre Hunde kennen gelernt haben», lacht Irène Kleiner. «Hunde können Brücken von Mensch zu Mensch sein.»

Hunde sind ein Spiegel der Gesellschaft. Zurzeit sind Hunde einerseits ein Ausdruck für den Lifestyle ihrer Besitzer oder ein «Mittel» gegen Einsamkeit, andererseits werden Hunde als Partner geschätzt und für ihre Leistungen als Gebrauchshunde, Therapiehunde oder Assistenzhunde respektiert und bewundert.

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