«I mag eifach nid»

Mag er wirklich nicht mehr, der einzigartige Rolf Schmid?

Komiker Rolf Schmid bei seinem Auftritt anlässlich des Comedy-Festivals 2005 im Casino in Luzern. (Archivbild Adrian Baer)
Komiker Rolf Schmid bei seinem Auftritt anlässlich des Comedy-Festivals 2005 im Casino in Luzern. (Archivbild Adrian Baer)

Keine Ahnung, wann ich ihm das erste Mal begegnete. Ich kannte ihn aus dem Fernsehen, aus dem Radio und sah ihn vielleicht zwei, drei Mal auf der Bühne. Sein tiefgründiger, verwickelter, feinfühliger Humor sprach mich an und erinnerte mich unweigerlich und in jeder Hinsicht an einen Derwisch – ausser, dass der Tanz bei ihm eher im Kopf stattfindet.

Ein unscheinbarer Mann

Ein Anlass der Comedy-Szene. Regula Esposito, damals schon lange als Helga Schneider erfolgreich und noch lange nicht meine Frau, nahm mich mit. Ein Küsschen hier, ein Küsschen dort, Prösterchen hier, Prösterchen dort. Alle fein gekleidet und jeder darauf bedacht, sich mit lieben Worten und Komplimenten zu begrüssen. Plötzlich war er da. Ein unscheinbarer Mann, der nicht auf feine Kleidung und schleimende Worte achtete. Ein Regisseur? Ein Tontechniker? Ein Bühnenarbeiter? Nein, das Gesicht kam mir bekannt vor. «Du Schatz, den kenne ich, wo muss ich ihn einordnen?» «Gaht’s no, dass isch dä Rolf Schmid!» Eine wunderbare, bodenständige Erscheinung in einer Welt, wo sich alle gerne im Rampenlicht sehen.

In Bann ziehendes Charisma

Später am Abend ergab sich die Möglichkeit, miteinander zu plaudern. Ein lockeres, einfaches, offenes Gespräch, wie es normalerweise nur unter langjährigen Kollegen stattfindet. Bei weiteren, diversen Anlässen wiederholte sich das Szenario. Spontanes Zusammentreffen, Gespräche, als würden sich Altbekannte treffen. Das imponierte mir. Ich unterhielt mich mit Regula über ihn. Begann im Internet über Rolf Schmid zu lesen, suchte nach Interviews, kaufte seine Biografie. Langsam meinte ich, auch ein wenig hinter sein Gesicht zu sehen und dadurch zu wissen, wieso sein Charisma einen so in den Bann ziehen kann. Authentisch, beide Füsse auf dem Boden und die Demut immer im Hinterkopf.

Genug vom aufgegleisten Leben

Rolf Schmid sagte einst, er sei eigentlich ohne Eltern aufgewachsen. Was so nicht stimmt. Seine Eltern waren einfach zu sehr mit ihrer Bäckerei in Rothenbrunnen im Bündner Domleschg und mit sich selbst beschäftigt. Mit zwölf Jahren, 1971, bestimmte sein patriarchischer Vater Conradin, dass er in ein Knabeninternat gehöre, anschliessend musste er eine Bäckerlehre über sich ergehen lassen. Mit 26 Jahren das Geschäft seiner Eltern zu übernehmen, entsprach ebenfalls nicht seinem Lebenstraum. Mitte der 90er hatte Rolf definitiv genug von diesem vorgespurten und aufgegleisten Leben. Kurzerhand tauschte er die Backstube gegen die Bühne aus. Wobei Backstube wohl nicht das zutreffende Wort ist. Backstuben trifft es besser bei eigenem Geschäft mit acht Filialen und über dreissig Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Rolf Schmids erster Ausbruch

Mit 37 Jahren, einer Familie mit drei Kindern, brach er nochmals aus. Das letzte Mal geschah dies mit 21 Jahren. Nach dem erfolgreichen Lehrabschluss und dem Militärdienst. Grundsätzlich war bereits fixiert, dass er nun die Bäckerei übernehmen sollte. Seine clevere Patin Margrit half, die Pläne seines Vaters halbwegs zu durchkreuzen, und ermöglichte ihm, eine Anstellung als Konditor im mondänen «Hilton Kensington» in London zu erhalten. Mehr noch, Rolf, der englischen Sprache nicht mächtig, wurde als Chef Patissier vorgestellt. So lernte er nicht nur Elton John, sondern – viel wichtiger – seine zukünftige Frau Dorothee kennen. Kurzerhand verreiste er 1984 mit Dodi – so nennt er sie noch heute liebevoll – für vier Monate nach Afrika. Die abenteuerliche Reise mit einem umgebauten Toyota führte das verliebte Paar von Dakar nach Algerien. Anschliessend wurde geheiratet, der Vater tauschte die Flitterwochen kurzerhand mit einem verlängerten Wochenende ab. Schliesslich mussten die Frischvermählten nun endlich arbeiten.

Die Töchter Peppina und später Fiona vervollständigten die junge Familie. Vorerst. Das dritte Kind kündigte sich 1991 an. Familie, ein Geschäft voller Herausforderungen und dazu noch Rolfs Hobby, die Bühne. Ziemlich viel. Auf die wenigen Frei- und Ferientage sehnte man sich, die waren jeweils vonnöten. Auf dem Weg zur Fähre nach Korsika passierte es. Rolf auf der Fahrerseite, Dodi hochschwanger daneben, die Kinder auf der Rückbank. Das Auto der Schmids wurde gerammt. Glück im Unglück kann nicht behauptet werden. Daniel kam sieben Wochen zu früh zur Welt. Komplikationen, Überlebenskampf und schlussendlich die Diagnose Zerebralparese, eine nicht heilbare Bewegungsstörung.

Durchbruch in der Comedy-Szene

1996 der Ausbruch. «I mag eifach nid!» Von diesem Zeitpunkt an schrieb Rolf zusammen mit Hardy Hemmi in seiner kleinen Alphütte – hinter dem Calanda – seine Comedy-Programme. Es liegt kaum nur an der Hütte, dass jedes seiner zwölf Soloprogramme ein Erfolg wurde. Ausverkaufte Häuser, Auszeichnung, TV-Spots (Rhäzünser!), und seine Nummer «I mag eifach nid» wurde schnell legendär. Erfolgreich und beliebt, obwohl er das Scheinwerferlicht nie suchte. Gesellschaftlichen Veranstaltungen bleibt er meistens fern, PR-Auftritte und Interviews beschränkt er auf das Minimum. Gerne verzichtet er auch auf den einen oder anderen Auftritt. Stattdessen geniesst er sein Domleschg, seine Familie, seine Enkel, seinen heimischen Freundeskreis aus alten Tagen. So einzigartig anders als manche seiner Berufskolleginnen und -kollegen.

Letztes Bühnenprogramm

Nach dreissig Jahren im Showgeschäft sagt er nun wieder «I mag einfach nid». «Jetzt langts!» – um sein Bekenntnis zu unterstreichen – soll sein letztes Bühnenprogramm sein. Dank der befreundeten Berufskollegin Regula (sie verehrt Rolf und bezeichnet ihn als einen der besten Comedians im Land) noch ein Auftritt am 25. Oktober um 20 Uhr im Gasthaus zum weissen Rössli in Mettmenstetten. Dann ein Comedy-Dinner in Oberriet, gefolgt vom krönenden Abschluss am 4. Dezember beim Humorfestival in Arosa.

So war es angedacht, der perfekte, passende Bühnenabschied von Rolf Schmid. Nicht aber für seine Fans. «So einfach geht das nicht und es kann doch nicht sein, dass Rolf wirklich nicht mehr mag. «Ja nu», die Antwort, «dann sage ich halt im kommenden Jahr da und dort auf einer Bühne nochmals und noch deutlicher: ‹I mag einfach nüme!›» Ob es ihm seine zahlreichen Fans wirklich abnehmen? Sie «mögded no lang»!

im scheinwerferlicht

In dieser Serie stellt Fredy Bickel im monatlichen Rhythmus Persönlichkeiten vor und erinnert sich an Begegnungen und persönliche Anekdoten – ehrlich und ungeschminkt. (red)

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