«Ich bin stolz auf unsere Region»

Strompreise: Standortförderer Johannes Bartels im Interview

Johannes Bartels, Geschäftsleiter der Standortförderung Knonauer Amt. (Bild zvg)

Die vom Energiegesetz garantierte Minimalvergütung für Solar- und Wasserkraftanlagen mit einer Leistung bis 30 kWp schützt die Produzenten vor noch tieferen Marktpreisen. Denn faktisch liegen die Referenzmarktpreise sogar oft noch tiefer, wie ein Blick zurück zeigt. So lag 2024 der entsprechende Preis im 1. Quartal zwar noch bei 6,2 Rp., sank dann aber im Frühling/Sommer auf 3,5 und 3,3 Rp., um im 4. Quartal auf 8,8 Rp. zu steigen. Für die Herkunftsnachweise (HKN-Vergütung) bezahlt EKZ einheitlich zusätzlich 3,0 Rp./kWh.

Spürbar tiefere Preise für Solarstrom: Was sind die Folgen? Gerät damit der von Politik und Behörden gewünschte Bau von Solaranlagen ins Stocken? Werden Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer sich die Anschaffung einer PV-Anlage jetzt aus finanziellen Überlegungen erst recht überlegen? Was bedeutet das für das Knonauer Amt?

Auswirkungen schwer abschätzbar

Unsere Zeitung hat dazu Johannes Bartels befragt, den Geschäftsleiter der Standortförderung Knonauer Amt. Die Standortförderung hat den Klimaschutz und den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen zu einem der vorrangigen Ziele erklärt. So soll im Knonauer Amt bis 2050 der Energiebedarf zu 80 Prozent durch selber produzierte Energie gedeckt werden (Wärmepumpen, Holzheizungen, Solaranlagen, Biogas). Mittlerweile hat man die 40-Prozent-Marke erreicht. Vor allem der Anteil Sonnenstrom ist in den letzten zwölf Jahren überproportional gewachsen und um mehr als das Zehnfache gestiegen, heisst es im aktuellen Jahresbericht der Standortförderung.

«Anzeiger»: Johannes Bartels, die Vergütung für Solarstrom sinkt ab 2026 deutlich. Lohnt sich für Hausbesitzer der Bau von Solarstromanlagen noch?

Johannes Bartels: Die neuen Rückliefertarife wirken zunächst einmal demotivierend, in PV-Anlagen zu investieren. Inwieweit es sich rein wirtschaftlich lohnt, lässt sich aber kaum pauschal beantworten, weil es neben der Einspeisevergütung von vielen weiteren Faktoren abhängt. So zum Beispiel von der Förderung beziehungsweise der Einmalvergütung für neue Photovoltaikanlagen, deren Grösse, Ausrichtung und der angeschlossenen Verbraucher und – damit zusammenhängend – dem Eigenverbrauch. Der Bau von Solarstromanlagen lohnt sich aber in jedem Fall für unsere Kinder und Enkel. Wir investieren an anderen Stellen ja auch gerne und grosszügig in deren Zukunft. Sie werden darauf angewiesen sein, dass wir ihnen ein Land hinterlassen, das seine Energie möglichst unabhängig erneuerbar produzieren kann.

In den letzten Jahren wurden im Knonauer Amt im schweizerischen Vergleich ­überdurchschnittlich viele Photovoltaikanlagen gebaut. Wird die Nachfrage jetzt sinken?

Ich bin stolz auf unsere Region: Per Ende 2024 waren im Knonauer Amt 2071 PV-Anlagen installiert – mit einer Leistung von total 43673 Kilowattstunden pro Jahr. Das ist ein Zuwachs von 38 Prozent, während die PV-Anlagen gesamtschweizerisch um 10 Prozent zugenommen haben. Wenn die Nachfrage jetzt sinken wird, wird sie sicher weniger sinken als in anderen Regionen. Steigen dürfte die Nachfrage nach intelligenten Steuerungen von Verbrauchergeräten, um den Eigenverbrauch zu steigern; und damit zusammenhängend auch nach Speichermöglichkeiten und gemeinschaftlichen Lösungen wie Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG). Vielleicht werden auch thermische Solaranlagen wieder mehr in den Blick kommen.

Das Knonauer Amt gilt als führende, vorbildliche Energieregion. Bis 2050 will man hier 80 Prozent des Strom- und Wärmebedarfs selbst erzeugen. Ist dieses Ziel unter den neuen Voraussetzungen noch realistisch?

Ja. Erstens bleibt bis 2050 noch viel Zeit. Und in dieser wird es noch einige Innovationen geben, insbesondere auch, was die intelligente Steuerung von Geräten und Speichern angeht. Und zweitens setzen wir ja nicht ausschliesslich auf Sonnenstrom, sondern auch auf Energieeffizienz und erneuerbare Wärmeenergie. Diese macht mit rund 70 Prozent den viel grösseren Anteil des Gesamtenergiebedarfs aus. Wir haben aber auch noch mehr Vorhaben in der Pipeline: Wir wollen zum Beispiel prüfen, inwieweit wir das in unserer landwirtschaftlich geprägten Region hohe Biogaspotenzial effektiv nutzen können, oder auch, ob wir mit einem saisonalen Wärmespeicher etwas von der Sommerenergie in den Winter retten können.

Welche Konsequenzen haben die neuen Preise auf das (ohnehin blockierte) Projekt A4KW, die Überdeckung der Autobahn A4 auf vier Teilstrecken mit einem Solardach? Rechnet sich das noch?

Das Projekt ist leider einerseits aufgrund eines Vergabeentscheids des Astra zurzeit blockiert, andererseits hat das Astra die Solardachkonstruktion noch nicht einmal grundsätzlich bewilligt. Die Rückliefertarife des EKZ sind für das Projekt A4KW insofern irrelevant, als dieses den erzeugten Strom unabhängig vom EKZ selbst im Strommarkt verkaufen dürfte. Aber natürlich müsste das A4KW wirtschaftlich im Strommarkt bestehen können. Mit einer Batterie etwa in der Grösse von zwei Schiffscontainern könnte der Solarstrom gespeichert und zeitlich verzögert abgegeben werden. Ausserdem soll die grosse Fläche der PV-Module auch thermisch genutzt werden, wovon Wärmeverbünde profitieren könnten: Der Gedanke ist, dass Wärmeverbünde mit dieser Abwärme im Sommer ihr Warmwasser aufbereiten und entsprechend auf Holz­feuerungen verzichten könnten. Das Potenzial der Wärmeenergie aus dem A4 KW ist etwa gleich hoch wie das des Solarstroms und deswegen auch für die Wirtschaftlichkeit wichtig. Das A4 KW allein als Solarstromkraftwerk zu betreiben, dürfte wirtschaftlich eng werden.

2022 fragten im Knonauer Amt noch 54 Hauseigentümer bei der Standortförderung nach einer Energieberatung nach. Vorletztes Jahr waren es noch 46 Interessierte, letztes Jahr 14. Und dieses Jahr sieht es ähnlich aus. Ist das Interesse der Hauseigentümer an umweltfreundlichen Energien gesunken?

Die Energieberatungen, die über die Standortförderung gebucht werden, sind rückläufig; dies ist in benachbarten Regionen auch so. Allerdings bieten inzwischen auch die meisten Heizungsinstallateure die vom Bund finanzierte Impulsberatung «erneuerbar heizen» an. Diese sind nicht in unserer Statistik abgebildet. Entscheidend ist jedoch ­vielmehr der effektive Fortschritt in energetischen Sanierungen oder Investitionen. Und hier ist kein Rückgang, sondern eine ungebrochene Steigerung zu sehen: 2021 lag der Anteil erneuerbarer elektrischer und Wärmeenergie im Knonauer Amt bei 30 Prozent, 2024 bereits bei 40 Prozent.

Das Interview wurde schriftlich geführt

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