«Ich glaube, die Situation hat sich entspannt»
Die zweite «Nahreise» des Kulturkellers LaMarotte führte von der Bibliothek Hedingen zu Müllers Buurelädeli in Bonstetten, wo Markus und Hedi Müller einen Brunch servierten. Erwin Leuenberger, seit wenig mehr als 100 Tagen Gemeindepräsident von Bonstetten, stellte sich bei dieser Gelegenheit den Fragen von Bernhard Schneider.

«Anzeiger»: In den letzten Jahren war der Gemeinderat Bonstetten geprägt von öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen und vielen Wechseln. Was hat Sie angesichts dieser Situation motiviert, als Gemeindepräsident zu kandidieren?
Erwin Leuenberger: In den letzten zwanzig Jahren war ich politisch nicht aktiv, gehöre aber einer Partei an, konkret bin ich eine «Karteileiche» der SP Sektion Dietikon, die ich trotz Wohnortwechseln nie verlassen habe. Angesichts der Unruhen im Gemeinderat Bonstetten habe ich vor den Wahlen im «Anzeiger» einen Aufruf publiziert, wenn sich jemand bewerben wolle, könne er oder sie sich bei mir melden, ich sei als Jurist bei den Formalitäten behilflich. Gemeldet hat sich niemand. Deshalb habe ich mich entschieden, selbst für den Gemeinderat zu kandidieren und habe zu einem Apéro im «Rigelhüsli» eingeladen, um mich vorzustellen. An diesem Anlass kam der spontane Vorschlag, ich solle doch als Gemeindepräsident kandidieren. Ich habe mir dies überlegt und mit meiner Frau besprochen. Da ich pensioniert bin, verfüge ich über die erforderliche Zeit, deshalb habe ich mich dann als Gemeindepräsident zur Verfügung gestellt.
«Wir haben keine Altlasten im Bereich der persönlichen Beziehungen.»
Ich habe Sie im Wahlkampf als parteilosen Kandidaten wahrgenommen, der nicht von einer Partei portiert worden ist.
Das ist tatsächlich so, obwohl ich bereits im ersten Flugblatt meine parteipolitische Herkunft deklariert habe. Die SP Bonstetten war damals überrascht, als sie von meiner Kandidatur erfuhr. Vielleicht hätte ich tatsächlich vorab mit ihr sprechen sollen, wir haben das dann aber nachgeholt. Ich bin aber nach wie vor nicht Mitglied der Sektion Bonstetten und habe mich selbst als Kandidat aufgestellt.
Der Gemeinderat ist stark erneuert worden. Was hat dies für Ihren Einstieg als Gemeindepräsident bedeutet?
Ich glaube, dass sich dies als Vorteil herausstellt. Wir führen zwar manches weiter, das der bisherige Gemeinderat angepackt hat, aber wir haben keine Altlasten im Bereich der persönlichen Beziehungen. Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen im Rat habe ich erst im Verlauf des Wahlkampfs kennen gelernt. Etwas länger dabei sind Schulpräsidentin Christine Kienberger sowie Markus Reich, wir anderen wurden alle neu gewählt.
Sind die vorherigen Spannungen im Dorf noch spürbar?
Ich glaube, dass sich die Situation tatsächlich entspannt hat. Ich kenne die früheren Auseinandersetzungen nur vom Hörensagen und spüre sie nicht direkt, was sicher ein Vorteil ist. Ich glaube auch, dass die Bevölkerung dankbar ist, dass wir ohne diese «Händel» wieder nach vorne blicken können.
Welches sind Ihre Hauptaufgaben in dieser Legislatur?
Bereits der vorherige Gemeinderat hat eine Liegenschaften-Strategie initiiert, die wir weiter vorantreiben. Sie sollte in den nächsten Wochen im Entwurf vorliegen und anschliessend im Gemeinderat besprochen werden, der dann das weitere Vorgehen festlegt. In diesen Bereich gehört auch das Gemeindeland beim Bahnhof, auf dem zurzeit Holz gelagert wird infolge der ausserordentlichen Situation in den Wäldern nach Stürmen und Borkenkäferbefall. Zusammen mit Wettswil und Stallikon hat Bonstetten auf diesem Land ein Mehrzweckgebäude geplant, das hier, im Gegensatz zu den beiden anderen Gemeinden, abgelehnt worden ist. Diese haben uns signalisiert, dass sie die diesbezüglichen Gespräche mit uns wieder aufnehmen möchten, was wir auch tun werden.
«Im nächsten Jahr wird der Steuerfuss unverändert bleiben.»
Ein weiteres Anliegen ist die Ausdehnung der Tempo-30-Zone. Gerade hier vor dem Hof der Familie Müller darf man 50 fahren, obwohl es sich um einen Schulweg handelt. Es leuchtet nicht ein, weshalb die Tempo-30-Zone vor dieser Kurve endet, zudem könnte sie auch ein wenig besser gestaltet werden. Überkommunal steht die Zukunft des heutigen Spitalzweckverbandes zur Diskussion. Bonstetten hat den Austritt aus dem Zweckverband beschlossen. Falls aber im nächsten Jahr die Aufteilung in eine Interkommunale Anstalt und eine Aktiengesellschaft, wie von den Spitalbehörden beantragt, von den Stimmberechtigten der Bezirksgemeinden beschlossen wird, muss Bonstetten entscheiden, ob die Gemeinde bei einer oder beiden Nachfolgeorganisationen dabei ist. Falls nicht, wird sich dies auf die Gemeindefinanzen auswirken, da unser Anteil am Spital als Teil der Aktiven wegfallen würde. Im nächsten Jahr allerdings wird der Steuerfuss gemäss der Meinung des Gemeinderats unverändert bleiben. Alles in allem können wir noch manches verbessern und werden dies auch tun, aber insgesamt stelle ich fest, dass wir auf hohem Niveau jammern.
Interview: Bernhard Schneider
Die nächste «LaMarotte»-Nahreise führt am 6. April 2019 von Bonstetten nach Wettswil. Auch dann wird Urs Heinz Aerni unterwegs die Vogelwelt erklären, während Bernhard Schneider Historisches aus der Umgebung erläutert.