«Im Säuliamt ist die Fasnacht nicht mehr so verknüpft mit den Beizen»

Joëlle Apter, die Präsidentin des regionalen Gastroverbands, über die Fasnacht, Preise und das Image der Gastroberufe

Undatierte, historische Aufnahme einer Fasnachtsgesellschaft vor dem «Löwen» in Hausen: «Erstes internationales Verjüngungsinstitut Methode Sauerbruch» ist auf dem Schild vorne am Wagen zu lesen, wohl eine Anspielung auf den damals berühmten deutschen Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, der von 1910 bis 1918 auch in Zürich tätig war. (Bild zvg/Löwen Hausen)

Undatierte, historische Aufnahme einer Fasnachtsgesellschaft vor dem «Löwen» in Hausen: «Erstes internationales Verjüngungsinstitut Methode Sauerbruch» ist auf dem Schild vorne am Wagen zu lesen, wohl eine Anspielung auf den damals berühmten deutschen Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, der von 1910 bis 1918 auch in Zürich tätig war. (Bild zvg/Löwen Hausen)

«Das Image, dass man in Gastroberufen schlecht verdient, stimmt nicht. 
Man verdient bei Weitem besser als in vielen anderen Berufen», sagt «Löwen»-Mitbesitzerin Joëlle Apter. (Bild Daniel Vaia)

«Das Image, dass man in Gastroberufen schlecht verdient, stimmt nicht. Man verdient bei Weitem besser als in vielen anderen Berufen», sagt «Löwen»-Mitbesitzerin Joëlle Apter. (Bild Daniel Vaia)

Personalmangel, Burn-outs, hohe Kosten – die Beizerinnen und Beizer durchleben gerade schwierige Zeiten. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass irgendwo in der Schweiz ein Restaurant schliesst. Die Schlagzeilen lassen aber möglicherweise ein zu negatives Gesamtbild entstehen. Es gibt überall auch florierende Betriebe. Und nicht alle haben Mühe, Angestellte zu finden. Das liegt unter anderem am Umgang mit den Mitarbeitenden, sagt Joëlle Apter, Präsidentin des Gastroverbands Gastro Zürich Knonauer Amt. Apter ist Mitbesitzerin des traditionsreichen Restaurants Löwen in Hausen, früher Hochburg der weit über das Dorf hinaus bekannten Huusemer Beizenfasnacht.

«Anzeiger»: Frau Apter, die Fasnacht steht vor der Tür. Früher war das für die Beizen einer der wichtigsten Anlässe im Jahr. Es wurde sehr ausgiebig getrunken, gegessen und gefeiert. Wie erleben Sie als Präsidentin von Gastro Zürich Knonauer Amt und als Gastronomin in Hausen (siehe Kasten) heute die Fasnachtszeit im Säuliamt?

Joëlle Apter: Ich glaube, im Säuliamt ist es ein wenig anders als anderswo. An anderen Orten hat die Gastronomie in der Fasnachtszeit noch eine grössere Bedeutung. Hier im Säuliamt hat die Fasnacht zwar eine sehr grosse Bedeutung für die Bevölkerung und die Fasnächtler, aber sie ist nicht so fest verknüpft mit den Beizen, zumindest hier im Oberamt. Natürlich gibt es noch Restaurants, die Anlässe durchführen oder zum Beispiel eine Fasnachtsbar betreiben. Aber es ist nicht mehr so, dass die Fasnacht in den Beizen stattfindet. Das war früher anders.

Wie sah denn die Fasnacht früher aus, zum Beispiel hier in Hausen, wo Sie das Restaurant Löwen betreiben?

In Hausen gab es früher eine in der ganzen Region bekannte Beizenfasnacht. Sie fand im «Löwen», im «Hirschen» und im «Wiesental» statt. Damals kamen die Leute sogar aus Zürich und Zug hierher. Mir sagen manchmal heute noch Zuger: «Ich war früher jeweils an der Beizenfasnacht in Hausen, ich weiss schon, wo Hausen liegt.» Die Autos waren damals bis weit über das Dorf hinaus am Strassenrand parkiert. Damals ging man von Beiz zu Beiz. Auch im «Löwen» war das damals eine Riesensache. Die Fasnacht fand auf gleich drei Stockwerken statt: im Restaurant, unten in der Bar und oben im Saal. Damals sei es jeweils hoch zu- und hergegangen an der Fasnacht, erzählen mir Leute, die noch selber mitgefeiert haben. Man munkelt auch, zu jener Zeit hätten sich jeweils Prostituierte aus Zürich in den Zimmern im «Löwen» einquartiert.

Heute sieht diese Fasnacht anders aus. Woher kommt diese Veränderung?

Es ist schwierig, herauszufinden, was der Grund für diese Änderung ist. Es gibt verschiedene Theorien. Jemand sagte mir mal, es habe sich geändert, als die Polizei begann, vermehrt Alkoholkontrollen durchzuführen. Sie habe die Autofahrer jeweils ausgangs Hausen abgefangen und kontrolliert. Ein anderer Grund könnte darin liegen, dass die Beizen möglicherweise untereinander nicht mehr so gut zusammenarbeiteten. Vielleicht wollten aber auch die Fasnächtler selber nicht mehr in die Beizen. Heute wird die Fasnacht vor allem von Vereinen betrieben. Jedenfalls wäre eine Beizenfasnacht, wie es sie in Hausen einmal gab, heute alleine schon deshalb nicht mehr möglich, weil der «Hirschen» und das «Wiesental» nicht mehr existieren.

Nicht nur hier haben in den letzten Jahren viele Beizen geschlossen. Auch heute liest man regelmässig von Lokalen, die aufgeben – weil es den Wirtsleuten zu viel geworden ist oder weil man keine Angestellten mehr findet. Wie geht es denn der Gastronomie allgemein im Säuliamt?

Ich finde es immer schwierig, für alle Beizen sprechen zu müssen, trotz meiner Funktion als Präsidentin von Gastro Zürich Knonauer Amt. Ich glaube, die Krise hängt eher mit der Frage zusammen, inwieweit die Menschen bereit sind, Geld auszugeben. Ich glaube, in den Restaurants haben wir derzeit das Problem, dass die Leute meinen, die Preise dürften sich nicht ändern. Dabei sind unter anderem die Kosten für den Einkauf und die Energie extrem gestiegen. Aber die Gäste sind nicht bereit, einen Mehrpreis zu zahlen. Sie möchten am liebsten immer noch für 20 Franken Zmittag essen, mit Bedienung, Suppe und Salat. Das ist heute aber nicht mehr realistisch, auch wenn die Wirte die Preise nicht in dem Mass erhöht haben, wie die Einkaufspreise gestiegen sind. Wer dennoch zu solchen Preisen wirtschaftet, arbeitet entweder mit sehr niedrigen Löhnen – oder er geht früher oder später finanziell zugrunde.

Restaurants haben grundsätzlich eine schlechte Marge. Mit einem bedienten Restaurant wird man nicht reich. Kommt man finanziell einigermassen durch, dann hat man es bereits gut gemanagt. Das allergrösste Problem ist aber der viel zu hohe Mehrwertsteuersatz. Der frisst einfach noch den Rest weg.

Dennoch bezeichnen Sie sich als «Gastronomin aus Leidenschaft».

Ja, auch wenn die Gastronomie vielleicht das härteste Business überhaupt ist. Und ich habe schon in verschiedenen Branchen gearbeitet ...

Derzeit schliessen sicher auch noch ein paar Restaurants, die während der Corona-Pandemie nur dank der vom Bund ausbezahlten Überbrückungshilfen überlebt haben. Manchmal findet sich in solchen Fällen sogar noch ein Nachfolger, weil es immer wieder Leute gibt, die den Traum vom eigenen Restaurant haben. Aber ob sie es dann auch können und sich durchzubeissen vermögen, das ist eine andere Frage. Sie starten jeweils mit günstigen Preisen, nehmen den anderen die Gäste weg – und verschwinden dann wieder.

Wie gesagt, Gastronomie ist vielleicht das härteste Business überhaupt. Aber auch das lässigste! Um ein eigenes Restaurant zu führen, muss man durchhalten können – und am besten etwas Geld auf der Seite haben.

Nicht erwähnt haben Sie den Fachkräftemangel, die Personalengpässe, von denen man immer wieder hört. Ist dieses Problem gar nicht so drängend?

Doch, die Personalfrage ist ein Problem, das höre ich im Verband immer wieder. Das eigentliche Problem dahinter ist aber das Image der Gastroberufe. Die Koch- und erst recht die Servicelehre haben ein sehr schlechtes Image. Das wird diesen schönen Berufen überhaupt nicht gerecht. Es sind tolle Berufe für Leute, die gerne mit anderen Menschen arbeiten, die aktiv sind und gerne ­«Action» haben. In der Gastronomie gibt es zudem verschiedene Arbeitszeitmodelle, sodass man immer eines findet, das einem passt – auch solche, bei denen man samstags und sonntags freihat. Das ist natürlich aber nicht die Regel, man arbeitet üblicherweise am Abend, an den Wochenenden, an den Feiertagen.

Auch das Image, dass man in diesen Berufen schlecht verdient, stimmt nicht. Man verdient bei Weitem besser als in vielen anderen Berufen. Dazu kommt das Trinkgeld. Und man kann sehr schnell Karriere machen in der Gastronomie. Derzeit wird im Verband an einer Image-Korrektur der Gastroberufe ­gearbeitet.

Bei Ihnen selber, im «Löwen» in Hausen, haben Sie offenbar kein Problem, Angestellte zu finden. Was ist bei Ihnen anders?

Ich glaube, das Wichtigste, das jeder Betrieb dem Personal bieten sollte, ist ein respektvoller Umgang. Das leben wir hier extrem. Bei uns gibt es kein Geschrei, es wird niemand zusammengestaucht. Wenn ein Fehler passiert, dann passiert er halt – am besten natürlich nicht zwei Mal. Wir gehen alle respektvoll miteinander um, unabhängig vom Rang. Das ist mir super wichtig. Ich glaube, das merken die Leute, wenn sie hier nur schon mal zur Probe arbeiten. Und wir geben unseren Leuten acht Wochen bezahlte Ferien, was ziemlich viel ist. Das wird sehr geschätzt. Im Januar und Februar ist das Restaurant deswegen geschlossen. Unsere Angestellten nutzen jeweils diese Zeit und gehen «Vollgas» in die Ferien – an die Wärme, beispielsweise nach Übersee. Das Jahr über arbeiten sie dann wieder hart, an Ostern, an Weihnachten, an Wochenenden – nur im Sommer gibt es noch eine weitere Woche Ferien.

Aber wie erwähnt, es gibt ganz viele Modelle, andere Betriebe haben zum Beispiel eine Vier-Tage-Woche. Das trägt sicher dazu bei, dass man weniger Personalprobleme hat.

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