Junge Landwirte in Stallikon: Ein Leben aus Leidenschaft
Der «Anzeiger» hat sich bei drei Landwirten umgehört, um etwas über deren Arbeitssituation zu erfahren
Seit Generationen ist die Landwirtschaft ein wichtiger Bestandteil des Säuliamts. Doch wirtschaftlicher Druck und veränderte Verbraucheransprüche fordern neue Lösungen. Eine junge Generation tritt an, um mit frischen Ideen die Zukunft zu gestalten. In dieser Ausgabe beleuchtet der «Anzeiger» junge Landwirte, die die Landwirtschaft in Stallikon neu definieren.
Zwei der Junglandwirte aus Stallikon, Daniel (Dani) Derrer und Andreas Bucher, haben auf unkonventionellen Wegen ihren Weg in die Landwirtschaft gefunden und zeigen, dass landwirtschaftliche Leidenschaft nicht immer vererbt wird – sie kann auch entdeckt werden. An ihrer Seite bietet der erfahrene Landwirt Robert (Röbi) Sidler, der über Jahrzehnte hinweg den Wandel der Branche miterlebt hat, eine wertvolle Perspektive auf die Zukunft der Landwirtschaft in Stallikon.
Vom Kaminfeger zum Landwirt – Daniel Derrers Weg
Als Dani (35) in Bonstetten aufwuchs, hätte er sich nie vorstellen können, eines Tages Landwirt zu werden. Seine Familie hatte keinen landwirtschaftlichen Hintergrund, und seine beruflichen Ambitionen gingen zunächst in eine ganz andere Richtung. Als Teenager zog er mit seiner Familie nach Wettswil und begann dort, auf einem benachbarten Bauernhof mitzuhelfen. Was als einfache Nachmittagsbeschäftigung begann, entwickelte sich schnell zu einer tiefen Wertschätzung für die Arbeit mit Tieren und das Leben in der Natur.
Doch anstatt diesen Weg sofort weiterzuverfolgen, schlug er zunächst einen anderen Berufsweg ein – eine Familien-Tradition. Sowohl sein Vater als auch sein Grossvater waren Kaminfeger, und so absolvierte Dani eine Lehre in diesem Handwerk. Obwohl er die Ausbildung erfolgreich abschloss, wurde ihm schnell klar, dass ihn die engen, dunklen Räume von Kellern und Kaminen nicht glücklich machten. «Ich wollte nicht mein Leben lang unter der Erde verbringen, während draussen die Sonne scheint», erinnert er sich.
Entschlossen, wieder näher an der Natur zu arbeiten, wechselte er in die Landwirtschaft. Er besuchte eine landwirtschaftliche Schule, sammelte auf verschiedenen Höfen praktische Erfahrungen und übernahm 2013 einen Stall in Stallikon. Seit 2014 ist er als selbstständiger Landwirt tätig und betreibt heute eine Milchviehwirtschaft mit Kühen und Ziegen sowie den Anbau von Speiseraps zur Ölproduktion.
Dani sieht sowohl die Schönheit als auch die Herausforderungen der Landwirtschaft in Stallikon. Er ist stolz auf das grosse Engagement der Gemeinde für die Biodiversität – über 30 Prozent der Gemeindefläche sind Naturschutzgebiete. Doch er kämpft auch mit den wirtschaftlichen Realitäten der Branche. Besonders die langen Arbeitszeiten und die wirtschaftliche Rentabilität sind Herausforderungen: «Viele junge Menschen wollen keine 50- bis 60-Stunden in der Woche arbeiten. Die Kosten für Milch- und Getreideproduktion übersteigen oft unsere Einnahmen, deshalb ist staatliche Unterstützung unerlässlich», erklärt er.
Trotz der Herausforderungen liebt er seine Arbeit. «Man sieht immer das Ergebnis seiner Arbeit. Ob es das Säen von Raps oder die Pflege der Tiere ist – die Auswirkungen sind direkt sichtbar und greifbar.»
Ein Mechaniker, der seine Berufung fand – Andreas Bucher
Für Andreas (33) war die Landwirtschaft zwar immer ein Teil seines Lebens, doch zunächst nicht sein beruflicher Weg. Im Gegensatz zu Dani wuchs Andreas auf einem Bauernhof auf, entschied sich aber zunächst für eine Lehre als Landmaschinenmechaniker. Vier Jahre lang spezialisierte er sich auf die Reparatur von landwirtschaftlichen Maschinen und sammelte anschliessend zwei Jahre Berufserfahrung.
Doch etwas fehlte. «Ich liebte es, mit Maschinen zu arbeiten, aber ich merkte, dass ich sie nicht nur reparieren, sondern selbst nutzen wollte», erinnert er sich. Seine Verbindung zur Landwirtschaft war nie verschwunden, und so entschied er sich für eine zweite Ausbildung zum Landwirt. Nach Lehrjahren auf verschiedenen Höfen übernahm er 2017 nach bestandener Meisterprüfung den Familienbetrieb.
Heute konzentriert sich sein Hof auf die Mutterkuhhaltung, Schafzucht und Pferdezucht. Seine Kälber bleiben zehn Monate bei den Mutterkühen, bevor sie unter dem Coop Natura Beef-Label vermarktet werden. Neben der Tierhaltung widmet er sich leidenschaftlich der Warmblutzucht – ein Hobby, das sich zu einem festen Bestandteil seines Betriebs entwickelt hat.
Doch Andreas sieht sich auch mit den Herausforderungen der modernen Landwirtschaft konfrontiert, insbesondere mit den sich ständig ändernden politischen Rahmenbedingungen und der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Branche. «Alle paar Jahre gibt es neue Vorschriften, die eine langfristige Planung fast unmöglich machen. Viele sagen, sie wollen nachhaltige Landwirtschaft, aber wenn es um Kaufentscheidungen geht, zählt oft nur der Preis», sagt er.
Ein weiteres Problem ist der Arbeitskräftemangel. Viele junge Menschen bevorzugen Büroarbeit gegenüber der körperlich anstrengenden Landwirtschaft. Als Folge davon ist Andreas auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen – derzeit ist sein einziger Angestellter aus Polen. «Es ist schwierig, junge Leute zu finden, die bereit sind, die langen Arbeitszeiten auf sich zu nehmen», gibt er zu.
Eine Veteranenperspektive: Wie sich die Landwirtschaft verändert hat
Nur wenige Landwirte in Stallikon haben so viele Veränderungen miterlebt wie Röbi Sidler, der seit über 50 Jahren in der Branche tätig ist. Er erinnert sich an eine Zeit, als es allein in Sellenbüren fast 30 Milchbauern gab. Heute ist nur noch einer übrig – Dani.
Früher hatten Höfe 10 bis 15 Kühe – heute sind mindestens 40 bis 50 erforderlich, um wirtschaftlich bestehen zu können. Seine Familie hat sich dieser Entwicklung angepasst und die Produktion schrittweise ausgebaut. «Als mein Vater 1949 den ersten Motormäher in Stallikon kaufte, war das eine Revolution. Heute sind wir auf Technik wie Melkroboter und automatisierte Erntemaschinen angewiesen», erzählt er.
Während die Mechanisierung die Effizienz gesteigert hat, sind auch Kosten gestiegen, und die Zahl der Arbeitskräfte hat sich verringert, was es für junge Landwirte schwieriger macht, in die Branche einzusteigen. «Ohne eigenes Land ist es heutzutage fast unmöglich, von Grund auf einen Hof aufzubauen», erklärt er. Dennoch bleibt Röbi optimistisch, was die Zukunft der Landwirtschaft in Stallikon betrifft. Er sieht Potenzial in der Direktvermarktung und in Nischenprodukten für städtische Verbraucher. «Die Nähe zu Zürich ist ein Vorteil. Die Menschen sind bereit, mehr für regionale Produkte mit einer Geschichte zu bezahlen», sagt er.
Sein Rat an junge Landwirte? «Bleibt flexibel. Lernt ständig weiter. Findet heraus, worin ihr gut seid, und baut darauf auf. Und vor allem: Bleibt in Kontakt miteinander, mit Bauern. Lasst euch nicht aus den Augen.»
Eine Zukunft, die von Leidenschaft und Innovation geprägt ist
Trotz ihrer unterschiedlichen Wege verbindet die drei eine tiefe Leidenschaft für die Landwirtschaft. Für Dani liegt die Erfüllung darin, das Land unter seiner Pflege gedeihen zu sehen. Für Andreas geht es darum, moderne Technologie mit Tradition zu verbinden. Und für Röbi ist es wichtig, sein Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.