Kiss – Zeit geben und nehmen

Serie «Gut altern»: Auch im Alter etwas bewegen können

Geschäftsführerin Birgit Schellmann Straub freut sich auf die Kontaktaufnahme von Interessierten. Sie ist sich bewusst: «Der Erfolg steht und fällt mit den Freiwilligen.» (Bild Regula Zellweger)
Geschäftsführerin Birgit Schellmann Straub freut sich auf die Kontaktaufnahme von Interessierten. Sie ist sich bewusst: «Der Erfolg steht und fällt mit den Freiwilligen.» (Bild Regula Zellweger)

Einerseits wird es mit zunehmendem Alter vielleicht schwieriger, Lebenssinn im Alltag zu erfahren, Einsamkeit entgegenzuwirken und Lebensqualität zu optimieren, anderseits ist man mit zunehmendem Alter manchmal auf Hilfe von Dritten angewiesen. Hier setzt Kiss, «keep it simple and small», an: Einfach und unkompliziert wird Nachbarschaftshilfe organisiert. Gerechnet wird mit Stunden-Zeitguthaben. Individuelle Kompetenzen und Fähigkeiten werden genutzt, um anderen zu helfen – und zugleich Optionen geschaffen für den Fall, dass man selbst einmal auf unkomplizierte Hilfe angewiesen ist.

Insbesondere Personen, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen, können sich Zeitgutscheine erarbeiten, indem sie andere Menschen pragmatisch unterstützen. «Aber nicht nur ab dieser Lebensdekade sind unsere Mitglieder aktiv, sondern auch bereits früher als Nehmende, wenn der Alltag mal beschwerlich wird, und als Gebende, wenn Zeit für Neues da ist», erklärt Geschäftsführerin Birgit Schellmann Straub.

Organisation

Die Genossenschaft Kiss Knonauer Amt wurde im November 2018 gegründet. Schweizweit bestehen weitere Genossenschaften und Vereine, welche die Kiss-Idee erfolgreich umsetzen und die untereinander vernetzt sind.

Seit der Gründung hat sich Kiss Knonauer Amt stetig weiterentwickelt. Heute zählt die Organisation rund 300 Mitglieder. Tandemverbindungen zwischen Gebenden und Nehmenden werden initiiert und koordiniert. Birgit Schellmann Straub kann auf drei Koordinatorinnen zählen, die Aufnahmegespräche durchführen und Tandems zusammenführen, organisieren und koordinieren. Den Vorstand bilden fünf weitere Personen. Finanziert wird die Organisation von mehreren Gemeinden des Bezirks, von Stiftungen und Sponsoren sowie durch Spenden.

Aus dem Jahresbericht

Der Jahresbericht 2024 zeigt auf, wie vielseitig Kiss aktiv ist. Es fanden beispielsweise das Kiss-Treffen und gemeinsame Mittagessen statt. Neu trifft man sich einmal monatlich im Restaurant Central in Affoltern – zu günstigen Konditionen und auf Anmeldung. Privat trafen sich Mitglieder zum Kaffee. Englisch-Konversation und Digital-Sprechstunden wurden angeboten.

Interessant ist die Altersstruktur der Mitglieder: Fast hundert der rund 300 Mitglieder sind zwischen 70 und 80 Jahre alt. Über drei Viertel der Mitglieder sind Frauen. Aus allen Ämtler Gemeinden engagieren sich Personen, unabhängig davon, ob ihre Gemeinde Kiss unterstützt. In diesem Jahr konnten über 250 Tandems gebildet werden, die rund 4000 Stunden Nachbarschaftshilfe anboten und nutzten. Aus den Tandems entstehen oft tragende Beziehungen. Ende 2024 waren von den 250 Tandems noch 173 aktiv.

Seit 2019 wurden bei der Kiss Knonauer Amt in fast 8000 Einsätzen über 17000 Stunden dokumentierte Nachbarschaftshilfe geleistet.

Mögliche Angebote

Manch eine denkt vielleicht, sie hätte nichts anzubieten. Da lohnt sich eine Kontaktaufnahme mit der Geschäftsführerin. Birgit Schellmann Straub erzählte: «Während eines solchen ersten Kontaktes erreichte mich ein Anruf einer Dame, die trotz hohem Alter noch immer Haus und Garten selbst pflegt. Nur den Rasenmäher könne sie nicht mehr selbst aus dem Keller tragen. Die Interessentin lachte: ‹Das kann ich gern tun!›»

Ältere Menschen sind oft von den technologischen Entwicklungen überfordert. Da lässt man sich gern die Funktionen erklären – dies geschieht auch generationenübergreifend. Junge Menschen sind mit der Digitalisierung aufgewachsen und können Geräte und Funktionen von Apparaten, Handys und Computern locker erklären.

Mögliche Angebote: Bei Ferienabwesenheit das Haus oder Haustiere hüten; Hilfe im Garten, bei Handarbeiten, bei kleineren Reparaturen; vorlesen, Unterstützung bei administrativen Arbeiten bieten oder beim Gang zu einer Behörde begleiten. Man kann gemeinsam kochen und essen, gemeinsam basteln oder spielen.

Die Frage taucht auf: «Besteht die Möglichkeit, ausgenützt zu werden?» Vielleicht will jemand die Kosten für einen Gärtner oder eine Reinigungskraft einsparen? Birgit Schellmann Straub betont, dass bei Tandembildungen explizit darauf geachtet wird, und zählt darauf, dass sich Betroffene sofort melden, sollte das Gefühl aufkommen, dass es hier um Kostenersparnisse und nicht um Nachbarschaftshilfe geht.

Wer Zeitguthaben gesammelt hat, kann seine Stunden einsetzen, ohne das Gefühl haben zu müssen, anderen zur Last zu fallen. Es ist ein faires Geben und Nehmen. Kontakt: 079 703 88 37, gs@kiss-ka.ch, www.kiss-ka.ch

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