Knappes Ja zur Biodiversitätsinitiative

Der Gemeinderat Hedingen empfahl die Ablehnung – doch die Befürworter setzten sich mit 96:88 Stimmen durch

Stattlich gefüllte Turnhalle: 190 Stimmberechtigte nahmen am Donnerstagabend an der Gemeindeversammlung in Hedingen teil. (Bild Livia Häberling)

«Wir sind überrascht, dass so viele gekommen sind», bemerkte Gemeindepräsident Ruedi Fornaro am Donnerstagabend, als er die Versammlung in der Schachen-Turnhalle eröffnete. «Weshalb, lassen wir jetzt mal offen.»

Es lag nahe, dass der Aufmarsch der 190 Stimmberechtigten nicht dem Budget und dem Steuerfuss galt, gleichwohl waren diese Beschlüsse als erste zu bewältigen. Finanzvorsteherin Nicole Doppler führte durch die Zahlen: Für das Jahr 2024 rechnet die Gemeinde Hedingen mit einem Verlust von 453000 Franken, mit Nettoinvestitionen im Verwaltungsvermögen von rund 3 Millionen Franken und im Finanzvermögen von rund 2 Millionen Franken.

Der budgetierte Gesamtaufwand von 24,1 Millionen Franken liegt um knapp 1,4 Millionen höher als noch im Budget 2023. Gleichzeitig sollen im Vergleich zu 2023 auch die Einnahmen ansteigen – um rund eine halbe Million Franken, was zu Gesamteinnahmen von 23,6 Millionen führt.

«Über 60 Prozent der budgetierten Mehrkosten kann die Gemeinde nicht direkt beeinflussen», sagte Nicole Doppler. Sie meinte damit den Transferaufwand, der etwa Entschädigungen für Lehrpersonen, Beiträge an die Langzeitpflege oder Entschädigungen für das Asyl- und Migrationswesen beinhaltet. Von den 1,4 Millionen an Mehrkosten macht er rund 827000 Franken aus. Ein weiterer grosser Posten ist der Personalaufwand: Er steigt um 314100 Franken an. Gleichzeitig erwartet der Gemeinderat höhere Einkünfte aus der ZKB-Dividende und er rechnet damit, dass die Steuerkraft pro Einwohner stabil bleibt.

Als Fazit hielt Nicole Doppler fest, der Gemeinde stünden Kostenzunahmen in allen Bereichen bevor, nicht zuletzt wegen der Teuerung. Aufgrund der prognostizierten Aufwandüberschüsse, die nicht nur für 2024 erwartet würden, reduziere sich das Eigenkapital in den kommenden Jahren. Die grossen Infrastrukturprojekte (Zentrumsplanung, Gemeindehaus, Schulraum) werden erst ab 2028 und später erwartet. Beim Abwasser kündigte Doppler eine Gebührenerhöhung an, um die anstehenden Investitionen finanzieren zu können. Die Stimmberechtigten genehmigten das Budget und den Steuerfuss von 100 % mit grosser Mehrheit.

21 Franken pro Jahr und Einwohnerin

Als zweites Traktandum stand die Einzelinitiative zum «Schutz und Förderung der Biodiversität» auf dem Programm. «‹Alle Vögel sind schon da› haben wir früher in der Schule gesungen», sagte Initiant Beat Kessler in seinem Kurzreferat, «leider ist das nicht mehr so». Er zählte mehrere Vogelarten auf, die inzwischen nicht mehr in Hedingen brüten. «Das macht mich ziemlich traurig», sagte er. Die Initiative fordert für die Jahre 2024 bis 2026 einen Rahmenkredit von 240000 Franken. Das Geld soll der Förderung der Artenvielfalt zu Gute kommen. Wie genau, wird im Initiativtext nicht definiert. In anderen Zürcher Gemeinden seien etwa Nisthilfen oder Ausstiegshilfen für Amphibien platziert, Wildblumen gepflanzt oder Beratungen für die Bevölkerung durchgeführt worden, erzählte Kessler. Hedingen, befand er zum Schluss, könne sich diese Investition leisten. Die geforderte Summe entspreche 21 Franken pro Bewohnerin und Jahr.

Es sei dem Gemeinderat ein grosses Anliegen, in die Biodiversität zu investieren, führte Natur- und Umweltvorsteher Marco Vanetta im Anschluss aus. Trotzdem lehne der Gemeinderat die Initiative ab. Die Gemeinde investiere bereits seit Jahren in den Natur- und Umweltschutz und fördere die Biodiversität mit vielfältigen Projekten. Aufgezählt wurden etwa die Revitalisierung des Hofibachs, des Wissenbachs und des Dorfbachs. Auch die Aktion zur Bekämpfung von Neophyten wurde erwähnt. Zudem würden kommunale Naturschutzgebiete (etwa der Andresenweiher oder der Amphibienteich Gerhauweiher) saniert und unterhalten. Die Gemeinde sei in Sachen Umweltschutz gut unterwegs, bilanzierte Marco Vanetta: «Wir sehen in dieser Initiative weder Innovation noch einen Ansatz, den wir nicht schon berücksichtigt haben.»

6 Stimmen machen den Unterschied

Nach den Pro- und Contra-Ausführungen war die Diskussion eröffnet. Mehrere Stimmberechtigte meldeten sich zu Wort, bei den meisten drang Zustimmung für die Initiative durch. So wies ein Votant mit Blick auf das bisherige Engagement Hedingens darauf hin, dass es sich etwa bei der Renaturierung des Hofibachs nicht um ein Gemeinde- sondern um ein Kantons-Projekt gehandelt habe. «Die Natur sollte uns etwas wert sein», fand er, «wir können es uns leisten». Ein anderer argumentierte, die Initiative sei ein Steilpass, «um einen Zacken zuzulegen». Sie sei weder radikal, noch übersteige sie das Mass des Machbaren.

Dritte sahen den Erfolg dagegen in einem anderen Vorgehen: So appellierte einer an die Stimmberechtigten, dass alle zunächst «im eigenen Gärtchen» etwas bewegen könnten. Wie er, der eigenhändig einen Erdhügel oder Stein- und Holzhaufen im Garten umgesetzt hat und sich nun über Schmetterlinge, Mücken oder Eidechsen freut.

In der Abstimmung setzten sich die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative mit 96 Ja-Stimmen gegen 88 Nein-Stimmen ganz knapp durch, was mit kräftigem Applaus und einigen spontanen Rufen gefeiert wurde. Gemeindepräsident Ruedi Fornaro gratulierte und kommentierte den Jubel: «‹Freude herrscht!›, hät mal eine gseit...»

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern13.05.2024

Tempo 30 in fast ganz Ottenbach eingeführt

Die vielen Schilder führen zu einer Anfrage an den Zürcher Regierungsrat
Bezirk Affoltern13.05.2024

Zug reagiert sehr zögerlich

Maschwanden: Von der schwierigen Suche nach einer passenden Gemeindebraut
Bezirk Affoltern13.05.2024

Charmanter Besuch aus der Romandie

Thomas Bächler aus Fribourg absolviert in Mettmenstetten sein 10. Schuljahr – davon profitieren alle Beteiligten