Mit dem E-Bike an den 80. Geburtstag

Jeder Mensch macht sich ein Bild vom Alter. Oft verbunden mit Ängsten vor gesundheitlichen Einschränkungen, vor Einsamkeit und Abhängigkeit. Diesem Bild entsprachen die Besucher der von der Ortsvertretung Affoltern der Pro Senectute Zürich organisierten Feier nicht. Lina und Werner Sidler kamen sogar per E-Bike.

Die temperamentvolle, fröhlich-feurig-bewegte, auch mal innige, sehnsüchtige und oft melancholische Musik der Gruppe AmarÔn passt bestens zu den Jubilaren mit den vielen Lebensjahren. (Bild Regula Zellweger)
Die temperamentvolle, fröhlich-feurig-bewegte, auch mal innige, sehnsüchtige und oft melancholische Musik der Gruppe AmarÔn passt bestens zu den Jubilaren mit den vielen Lebensjahren. (Bild Regula Zellweger)

«Das Leben wäre viel schöner, wenn wir als 80-Jährige geboren würden und langsam, langsam erreichten wir die 18», formulierte Mark Twain bereits vor über hundert Jahren. Wäre zu diskutieren. Elisabeth Dober, Besucherin der ­Geburtstagsfeier für alle Einwohnerinnen und Einwohner mit Jahrgang 1942 von Affoltern und Zwillikon, ist überzeugt: «Man weiss, es geht ‹nitzi›.» Sie spürt, dass die körperliche Leistungskraft abnimmt und sagt sich immer wieder: «Mach nicht zu viel!» Und wirkt dabei vital und positiv.

Man sagt: «Das Alter ist der Spiegel des Lebens.» Wer sein Leben lang aktiv war, wird es auch länger bleiben – ausser gesundheitliche Aspekte schränken ein. Das Ehepaar Sidler macht es vor. Die beiden fahren regelmässig E-Bike, arbeiten im Garten und tanzen. Sie tun alles, was sie können, für ein zufriedenes ­Älterwerden – und vor allem, was ihnen Spass macht. Besonders freuten sie sich auf die Musik der Gruppe AmarÔn.

Zwischenmenschliche Aspekte

Brigitte Sandhofer, Leiterin der Orts­vertretung der Pro Senectute in ­Affoltern, war es gelungen, ein attraktives Programm zusammenzustellen. Sie hatte bereits letztes Jahr gute Erfahrungen mit dem Anlass gemacht: «Die Teilnehmenden bedankten sich beim ­Verlassen des Ulmensaals und sagten, dass es ihnen gefallen habe. Paare finden es schön, dass sie gemeinsam teilnehmen dürfen.» Dieses Jahr hatten sich 32 Personen angemeldet, 22 Jubilarinnen und 10 Partner.

Für Brigitte Sandhofer stehen die zwischenmenschlichen Beziehungen im Vordergrund: «Ich sehe es als Wert­schätzung und Respekt den Jubilarinnen und dem Alter gegenüber. Es ist nicht selbstverständlich, dass man 80 Jahre alt werden und erst noch gesund sein darf. Oft kommen an diesem Anlass ­Personen wieder zusammen, die sich lange Zeit nicht mehr gesehen haben – und freuen sich darüber. Andere ­machen neue Bekanntschaften.»

Nahe bei den Leuten

In seinem Begrüssungsreferat – seiner ersten Rede als Ressortvorsteher Soziales und Gesellschaft im Stadtrat – wies Felix Fürer auf Angebote für Senioren hin. Er propagierte aber auch altersdurchmischtes Alltagsleben und ermunterte die Besucher, sich als «Schulsenioren» zur ­Verfügung zu stellen. Diese verbringen regelmässig Zeit in einer Schul­klasse, unterstützen die Lehrpersonen, erzählen aber auch von früher. Es gilt, altes Kulturgut nicht zu verlieren. ­Besonders am Herzen liegt ihm die neue Fachstelle «Alter und Gesundheit», die durch Marianne Busslinger aufgebaut wird. Dabei sind Meinungen und Ideen der Senioren gefragt. Oft wagen ältere Menschen leider nicht, ihre Erwartungen und Wünsche zu formulieren.

«Ich wünsche mir, dass Seniorinnen und Senioren ohne Schamgefühle ­fremde Hilfe annehmen – auch finanzielle Hilfe. Es hilft, die Lebensqualität zu verbessern. Gegen Einsamkeit ist der Besuchsdienst ein wunderbares ­Angebot. Es wird für Senioren vieles ­unentgeltlich angeboten. Dies ist nur möglich dank des Engagements von ­Freiwilligen», so Brigitte Sandhofer.

Sich in ältere Menschen einfühlen

Sie hat viele Ideen: «Was ich mir für die älteren Generationen zudem wünsche? Dass bei der Digitalisierung vermehrt auch an diese Generationen gedacht wird. Nicht alle älteren Menschen sind sich den Umgang mit der digitalen Welt gewohnt und stehen dann beispiels­weise hilflos vor den Automaten. Manchmal würden grössere Tasten für Zahlen helfen. Oder dass bei Strassenfesten nicht nur an die jüngeren ­Generationen gedacht wird, sondern auch explizit Angebote für Ältere ­gemacht werden. Viele mögen den ­lauten Rummel nicht, möchten aber trotzdem am Fest teilnehmen. Da wären etwas ruhigere, seniorengerechtere Ecken sicher ideal.»

Sie unterstreicht, dass man hin­hören soll, was ältere Menschen denken und fühlen. Dies tat Gemeinderat Felix Fürer und blieb den ganzen Nachmittag an der Feier, um mit Jubilaren ins ­Gespräch zu kommen.

Auch Elsbeth Schweizer von der Gruppe AmarÔn findet es zentral, auf Bedürfnisse einzugehen: «Bei jedem ­Auftritt versuchen wir, unser Musik­programm dem Zielpublikum anzupassen. Für die 80-Jährigen haben wir uns um Ausgewogenheit zwischen ­fröhlichen, besinnlichen und auch ­wehmütigen ­Liedern bemüht: Lieder der Freude, der Kraft, aber auch des ­Abschieds, der ­Ungewissheit, des ­vielleicht zu späten Glücks, der Vergänglich­keit, der Wehmut und der Suche nach der verlorenen Liebe.»

Musik prägte die Stimmung

Die Musiker stellten immer wieder ­einen Bezug zum Publikum her und fragten bei musikalischen Geschichten beispielsweise um enttäuschte Liebe oder um die schmerzhafte Ablösung von den Kindern: «Kennt ihr vielleicht? Habt ihr vielleicht auch erlebt?» Die Zuhörer holten Erinnerungen aus dem Gedächtnis, liessen vergangene Gefühle aufleben und bei vielen erschien ein mildes Lächeln. Die Gruppe AmarÔn mit Elsbeth Schweizer, Akkordeon und Gesang, Rosa Hess, Klarinette, Sopransaxofon, Flöten, Gesang und Gerold Lotmar, Gitarre, hat massgeblich zum Gelingen der Feier ­beigetragen. Die drei Musiker bringen aus verschiedenen Musikrichtungen reichhaltige Erfahrungen mit und ­suchen behutsam nach Integration von Liedern aus Ost, Süd und West, von Roma-, Klezmer- und Balkanmusik, ­italienischen, kubanischen Stücken und Musettes. In zwei Konzertblöcken ­fesselten sie die Zuhörerschaft.

Musik verzaubert, Musik verbindet, mal fröhlich-feurig-bewegt, mal innig, sehnsüchtig und melancholisch. AmarÔn ist eine Formation von Musikern in der zweiten Lebenshälfte, die im Laufe der Jahre zu einem unverkennbaren Stil gefunden hat. Lina und ­Werner Sidler genossen die Musik und radelten nach dem Altersanlass ­beschwingt wieder nach Hause.

 

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern15.05.2025

Ottenbach bald ohne Geldautomat

Nach Rückbau verbleiben im Säuliamt 14 Geldautomaten
Bezirk Affoltern15.05.2025

«Wir Gewerbler sind für die Politik bei der langfristigen Entwicklung quasi inexistent»

Thomas Frick, Präsident des KMU- und Gewerbeverbands Bezirk Affoltern, im Interview
Bezirk Affoltern15.05.2025

«Springende Erdhaufen»: Der nördlichste Kreisel und der südlichste

Serie «Verkehrskreisel im Säuliamt», Teil 6: Ein Blick nach Knonau und Stallikon