Mit vielen Listen auf Stimmenfang

Über 1300 Kandidierende im Kanton Zürich wollen einen der 36 Nationalratssitze ergattern – 47 Säuliämtler darunter

Am 22. Oktober wird der Nationalrat neu gewählt. (Bild zvg)
Am 22. Oktober wird der Nationalrat neu gewählt. (Bild zvg)

Das Ziel der Parteien für die National- und Ständeratswahlen vom 22. Oktober ist klar: Möglichst viele Stimmen sammeln. Denn für einen der 200 Nationalratssitze braucht es je nach Kanton eine bestimme Anzahl an Stimmen. Jede Wählerin und jeder Wähler legt einen Wahlzettel in die Urne. Für die Sitzverteilung sind die Parteienstimmen wichtig. Werfe ich eine unveränderte Liste ein, erhält die Partei 36 Parteistimmen und jeder der Kandidierenden eine Stimme für sich. In einem ersten Schritt kommen alle Parteistimmen einer Partei in einen grossen Topf. Im zweiten Schritt werden die Sitze verteilt.

Für einen der 36 Nationalratssitze sind im Kanton Zürich rund 2,7 Prozent der Parteistimmen nötig. Das entspricht rund 11000 Parteistimmen, die eine Partei benötigt, damit sie einen Sitz ergattert. Auf der Liste erhält der Kandierende den Sitz, der die meisten persönlichen Stimmen gesammelt hat.

Listenverbindungen und Unterlisten

Wie lassen sich möglichst viele Parteistimmen sammeln? Einerseits gehen die Parteien Listenverbindungen ein: im Kanton Zürich die SVP mit der FDP, die GLP mit der Mitte oder die SP mit den Grünen. Die Stimmen der Parteien werden zunächst in einem grossen Topf gesammelt und danach auf die Sitze verteilt. Der Vorteil der Listenverbindung: Stimmen, die alleine nicht für ein Mandat reichen, werden zusammengezählt, wodurch unter Umständen wieder genügend Stimmen zusammen sind, die für einen Sitz reichen.

Andererseits haben viele Parteien neben ihrer Hauptliste noch Unterlisten. Auf der Hauptliste stehen die profilierten Köpfe der Partei, die schon bisher in Bern politisieren – oder neue Kandidatinnen und Kandidaten, welche national schon einen Namen haben. Aus dem Säuliamt sitzt aktuell nur Martin Haab (SVP) im Nationalrat – auf der Hauptliste der SVP steht er auf dem 9. Listenplatz. Insgesamt stellen sich 47 Kandidierende aus dem Säuliamt der Nationalratswahl. Die Politikerinnen und Politiker der Hauptliste haben die grösste Chance, wieder oder neu in den Nationalrat gewählt zu werden. Die Unterlisten kümmern sich vor allem um ein Thema: So ist die SVP mit einer Liste für Secondos, die SP mit einer Queer-Liste, die Mitte mit einer Frauenliste oder die GLP mit einer Seniorenliste präsent. Diese Kandidierenden haben eigentlich keine Chancen, nach Bern gewählt zu werden, sie sammeln aber Stimmen für die Mutterpartei. Heisst: Wer nicht auf der Hauptliste steht, ist vor allem Stimmenlieferant für seine Partei. Bei den Nationalratswahlen 2019 hat es keiner der Kandidierenden von einer Unterliste in den Nationalrat geschafft.

Zwischen dem 25. und 30. September flattern nun die Wahlunterlagen für die National- und Ständeratswahlen 2023 ins Haus. Schon jetzt ist klar: Die Wahlunterlagen werden dicker. Grund: Die Anzahl der Wahllisten steigt an. 2019 waren es für den Kanton Zürich 32 Listen, jetzt schon 44. Grund: Neben der Hauptliste einer Partei, gibt es zahlreiche Unterlisten.

Was sagen die Kandidierenden, die auf einer Hauptliste weit hinten stehen und so keine Wahlchancen haben? Und fühlen sich die Kandidierenden auf den Unterlisten nicht einfach als Stimmenlieferanten für die Partei ohne Aussicht auf einen Sitz im Nationalrat?

Das Gewerbe im Blick

Es gehe in erster Linie um die Partei und nicht um die einzelnen Köpfe, erklärt Hans-Ulrich Bigler (SVP), der bei den vergangenen Nationalratswahlen 2019 abgewählt wurde. Damals politisierte der Säuliämtler aus Affoltern noch für die FDP, seit 2022 für die SVP. Warum steht er als profilierter Politiker nicht auf der SVP-Hauptliste? Das habe er mit der Parteileitung der SVP Kanton Zürich so besprochen. Stattdessen habe die Partei beschlossen, Unterlisten zu bilden, die mit der Hauptliste eine Listenverbindung eingehen. Die KMU Unternehmerliste 22 wurde von Bigler, der auf dem ersten Platz gelistet ist, zusammengestellt. «Die SVP will damit ihr Wählerpotenzial optimal ausschöpfen. Auf unserer Liste stehen bewährte und erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer, die viel Erfahrung haben», betont Bigler (Jahrgang 1958).

Weniger Steuern, Gebühren und Abgaben: weil eine erfolgreiche Wirtschaft und Landwirtschaft für Sicherheit und Stabilität sorgen. Weniger Regulierung: Weil dies unsere KMU in der Region stärkt, damit Arbeitsplätze sichert und Lehrstellen für Jugendliche schafft. Das sind die Botschaften, mit denen Bigler in den Wahlkampf zieht. Er geht davon aus, dass die SVP den neuen zusätzlichen 36. Sitz im Kanton Zürich gewinnen wird. Im Kanton Zürich gehen die FDP und SVP eine Listenverbindung ein. Grundsätzlich will die SVP im Herbst eine bürgerliche Wende – die bürgerlichen Wählerkreise sollen gebündelt werden, wobei auch die SVP KMU Unternehmerliste mithelfen soll.

Verzicht auf Listenplatz 2

Mehr Chancen auf einen Sitz im Nationalrat rechnet sich der Affoltemer Kantonsrat Daniel Sommer (EVP) aus. Er steht auf der EVP-Hauptliste auf dem dritten Platz. Wer für den Regierungsrat kandidiert habe, wie er es in diesem Jahr gemacht hat, habe normalerweise den zweiten Listenplatz sicher. «Ich habe aber darauf verzichtet. Jetzt ist die Reihenfolge Mann-Frau-Mann gegeben, was der EVP wichtig ist.» Die EVP startet neben der Hauptliste mit der Liste 16 Junge EVP und der Liste 20 Frauen EVP. «Mit allen Listenverbindungen erhoffen wir uns einen Wähleranteil von 5,5 Prozent, was für zwei Sitze reichen würde», erklärt Sommer. Aktuell ist der Winterthurer Nik Gugger der einzige EVP Nationalrat aus dem Kanton Zürich. «Ich habe mir mit der Kandidatur für den Regierungsrat einen gewissen Namen gemacht. Ich könnte von der Stimmenzahl her durchaus noch auf den zweiten Platz rutschen und den zweiten Sitz holen», so Sommer (Jahrgang 1964). «Ich kämpfe für eine intakte Umwelt und für eine Energieversorgung aus einheimischen, erneuerbaren Quellen.» Das ist die Hauptbotschaft, mit der Sommer in den Wahlkampf zieht. Was hält Sommer von den vielen Listenverbindungen und Unterlisten? Das sei für die Wählenden kompliziert – er plädiert dafür, diese Listenverbindungen abzuschaffen und wie bei den Kantonsratswahlen für die Zuteilung der Mandate den Doppelten Pukelsheim einzuführen.

Jungpolitiker als Vorbild

«Seit Thierry Burkart Parteipräsident ist, bin ich wieder motivierter und helfe der Partei gerne», erklärt Alain Schwald (FDP) aus Wettswil, der auf der FDP Hauptliste auf Platz 29 aufgeführt ist. Von 2016 bis 2020 war er Präsident der FDP Bezirk Affoltern. «Man muss mehrmals auch hinten auf einer Liste antreten, bis man nach vorne in die Kränze rutscht», sagt Schwald (Jahrgang 1991)weiter, der bei den Jungfreisinnigen dabei ist. Zudem sei Matthias Müller, auf der Hauptliste auf Platz 7 – ein guter Kollege von ihm. Müller, bekannt als Präsident der Jung-FDP, mache vor, dass man auch als Junger weiter vorne auf der Liste platziert werde. Was ist die Hauptbotschaft von Alain Schwald im Wahlkampf? Sein Kernthema sei die Energiepolitik. Für die Energieversorgungssicherheit brauche es Technologieoffenheit und auch Atomkraftwerke.

Einsatz für die Senioren

«Auch wenn ich nicht direkt nach Bern gewählt werde, kann ich Einfluss nehmen», erklärt Kurt Meister (Die Mitte). Er kandidiert für die Mitte auf der Unterliste «Die Erfahrenen», dort auf dem 13, Platz. Früher stand der Obfelder für die damalige CVP auch schon auf der Hauptliste. Aktuell stellt die Mitte im Kanton Zürich mit Philipp Kutter nur einen Nationalrat. «Ich kenne Philipp und viele andere Parlamentarier persönlich, Ich kann Anliegen, welche die Alterspolitik betreffen, direkt persönlich deponieren», sagt Meister (78), der unter anderem bei Pro Senectute und Procap, dem grössten Mitgliederverband von und für Menschen mit Behinderung in der Schweiz, engagiert ist. Die Altersvorsorge sei beim Sorgenbarometer der Schweizer immer ganz zuvorderst – genau deshalb sei es wichtig, dass die Alterspolitik in Bern genügend Gehör finde, betont Kurt Meister.

Queere Menschen im Fokus

«Natürlich ist die Chance sehr gering, dass ich in den Nationalrat gewählt werde», sagt Hannah Pfalzgraf (SP), die aktuell im Zürcher Kantonsrat sitzt. Sie wurde für einen Platz auf der SP-Liste angefragt, steht jetzt aber auf der SP-Queer-Liste auf dem 4. Platz. «Ich bin derzeit mit meiner Ausbildung ausgelastet und gerne Kantonsrätin», sagt die Mettmenstetterin. Mit der Queer-Unterliste wolle die SP darstellen, dass es eine Partei gebe, die das Thema ernst nehme. Und im Wahlkampf sei durch diese Liste das Thema in der Öffentlichkeit präsent – das auf der Hauptliste nicht eine so grosse Rolle spiele. Auf dieser sind aber auch queere Menschen gelistet, wie Pfalzgraf (Jahrgang 1997) erklärt.

Eine Stimme für die Pflegenden

Seit über zehn Jahren arbeitet Katrin Schaefer-Herren (Pflegeliste) im Notfallzentrum des Zuger Kantonsspitals, wo sie auch für die Ausbildung des Nachwuchses zuständig ist. Die 59-Jährige aus Affoltern führt die Liste 42 «Engagiert für eine starke Pflege – Pflegeliste» an. «Auch wenn ich sicher nicht nach Bern gewählt werde, ist es wichtig, dass das Thema Pflege in der Öffentlichkeit präsent ist.» Die Liste 42 hat eine Listenverbindung mit der EVP. Die Umsetzung der Pflegeinitiative, welche 2021 vom Volk angenommen wurde, ist Schaefer-Herren wichtig. Auch die Ausbildung soll so gestaltet werden, das die jungen Menschen, welche sich in diesem Bereich ausbilden, genügend verdienen. Zudem müsse es neue Wege in der medizinischen Versorgung geben, wie Ambulatorien, wo Ärzte gemeinsam unter einem Dach arbeiten und so auch den Notfall entlasten, wie Katrin Schaefer-Herren betont.

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