Nachfamiliäres Wohnen im «Lindenbach»

Serie «gut altern»: Gemeinschaftlich leben mit genügend Privatraum

Manuela Brinkmann (links), Heiner Stolz und Heidi Hollenweger wohnen seit 2015 im «Lindenbach» in Obfelden und schätzen den Lebensstil, der hier gelebt wird. (Bild Regula Zellweger)

Manuela Brinkmann (links), Heiner Stolz und Heidi Hollenweger wohnen seit 2015 im «Lindenbach» in Obfelden und schätzen den Lebensstil, der hier gelebt wird. (Bild Regula Zellweger)

Alle 19 Wohnungen haben sonnige Balkone mit Weitsicht. Man trifft sich gern auf dem Sitzplatz vor der Cafeteria.

Alle 19 Wohnungen haben sonnige Balkone mit Weitsicht. Man trifft sich gern auf dem Sitzplatz vor der Cafeteria.

Im Reusstal wohnt Manuela Brinkmann seit 30 Jahren. Sie machte sich frühzeitig Gedanken über ihr Wohnen im Alter. Zusammen mit einer Freundin sammelte sie die Elemente für die Wohnform, die ihr entsprechen würde: zusammen mit anderen, aber keine Wohngemeinschaft, Räume für gemeinsame Aktivitäten und eine eigene Wohnung; Garten mit Sitzplätzen und Gartenbeeten; Naturnähe, Weitsicht in die Berge und trotzdem Nähe zu ÖV, medizinischer Versorgung und Einkaufsmöglichkeiten. Klingt fast unmöglich. Doch bereits 2015 hatte Sonja Portmann dieselben Ideen in Obfelden zusammen mit Gleichgesinnten und dem Architekten Remo Schiessere, Teilhaber der Architekturfabrik in Affoltern, konzipiert und realisiert – seither leben die Gründergruppe – und auch Manuela Brinkmann – in der Genossenschaft Lindenbach in Obfelden. Alle sind glücklich und dankbar, in dieser Wohnform leben zu können. Noch ist die selbstständige Psychologin zeitweise berufstätig, freut sich aber immer aufs Heimkommen in ihre Wohnung, die ihre Persönlichkeit widerspiegelt. Die Wohnungsbesitzenden konnten mitbestimmen, beispielsweise bei der Wahl des Parketts, Gestaltung der Badezimmer und der Raumaufteilung – und so sind die insgesamt 19 Wohnungen in verschiedenen Grössen individuell gestaltet und eingerichtet.

Leben nach der Familienzeit

Seit 2015 gab es lediglich drei Wechsel, weil die Wohnungsbesitzerinnen verstarben. Es wohnen generell mehr Frauen als Männer im Lindenbach. Die Warteliste ist lang. Bewerberinnen und Bewerber müssen sich für diese Wohnform eignen. Voraussetzung ist ein Sinn für das Leben in einer Gemeinschaft. Im Lindenbach hilft man sich, wenn es nötig ist – und respektiert gleichzeitig die Individualität der Bewohnerinnen und Bewohner.

Sie haben Freunde, Kinder, Enkelinnen und Grossenkel und freuen sich über Gäste im Lindenbach. Besuchende sind willkommen, es stehen sogar zwei Gästezimmer zur Verfügung. Sie schätzen die Privatsphäre in den individuell gestalteten Wohnungen, aber auch das Bistro mit Cheminée, Klavier und Profi-küche, die Aussensitzplätze, die Sauna, den Fitnessraum und das Naturschwimmbad. Eine gut bestückte Bibliothek steht zur Verfügung, eine Werkstatt und ein Malatelier sind bestens ausgerüstet. Im Moment wird ein Billardzimmer eingerichtet, bei schönem Wetter spielt man Boccia vor dem Haus. Ein grosser Bewegungsraum unter dem Dach wird täglich für Morgenmeditation und für Events aller Art genutzt.

Das ganze Gebäude und die Umgebung sind altersgerecht eingerichtet, inklusive Lift. Mit dem hauseigenen Elektromobil und der Solaranlage der neusten Generation wird der Neubau dem ressourcenschonenden Wohnen gerecht. Beliebter, informeller Begegnungsort ist die Waschküche, hier lernt man sich besser kennen und kann unkompliziert plaudern.

Philosophie

Der Bau bietet idealen Raum für das Verwirklichen von Vorstellungen vom Wohnen in einer Gemeinschaft im Alter. Der Wunsch, möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können, wird möglichst erfüllt.

Die Ärztin Lilo Muff gehörte zur Gründergruppe. Sie schätzt, dass möglichst wenig Regeln zum Einsatz kommen. Das Zusammenleben ist von Vernunft, Toleranz und Hilfsbereitschaft geprägt. Sie sieht viele Bewohnende als «Freigeister», die sich aber gern für die Gemeinschaft einbringen und auch «Ämtli» zuverlässig übernehmen. «Es herrscht kein Gruppenzwang und die Privatsphäre wird respektiert.» Voller Wertschätzung unterstreicht sie die Pionierarbeit von Sonja Portmann und der Gründergruppe.

Gemeinsame Aktivitäten

An der Pinnwand findet man Einladungen für gemeinsame Aktivitäten. Beispielsweise für gemeinsames Essen im Bistro, mittags oder abends. Man kann sich in einer Liste eintragen und bezahlt rund sieben Franken für eine Mahlzeit. Es sind jeweils rund 10 bis 18 Personen, die sich eintragen. Auch der Garten wird gemeinsam gepflegt. Hochbeete erleichtern die Gartenarbeit. Man kann auch ein Gartenbeet allein für sich gestalten und nutzen. Jeweils der erste Samstag im Monat ist gemeinsame Gartenarbeit angesagt – morgens, danach kann, wer will, am gemeinsamen Essen teilnehmen. Im Aussenbereich beim Bistro gibt es auch einen Grill. «Aber es besteht keine Pflicht, mitzumachen.» Höhepunkte im Lindenbachjahr sind das lukullische Weihnachtsessen und das Sommerfest mit der direkten Nachbarschaft.

Manuela Brinkmanns Herkunftsfamilie lebt in Deutschland. Sie schätzt die familiäre Atmosphäre und lacht: «Wir schauen auch mal gemeinsam Fussball.» Und nachdenklich meint sie: «Es ist ein wunderbarer Luxus, so sein Alter erleben zu dürfen.»

 

Zur Serie "Gut altern"

«In der Schweizer Bevölkerung wächst fast nur noch die Gruppe der Pensionäre» ist in den Bevölkerungsprognosen des Bundesamts für Statistik zu lesen. Heute altern wir gesünder als die Generationen vor uns. Den Anzeiger interessiert, wie Menschen es schaffen, nach der Pensionierung ein sinnvolles, zufriedenes und interessantes Leben zu gestalten. Denn es geht nicht nur um die Anzahl der Jahre, sondern um deren individuell gelebte Lebensqualität. Die Redaktion nimmt gern Input entgegen: redaktion@affolteranzeiger.ch. (red)

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