«Neues versuchen, ist wichtig für ein Unternehmen»
Interview mit Verleger Peter Wanner und dem CH-Media-CEO Michael Wanner, auch Herausgeber des «Anzeigers»

Michael Wanner ist CEO von CH Media, die auch diese Zeitung herausgibt. Sein Vater Peter Wanner amtiert als Verwaltungsratspräsident und Verleger. Im Gespräch äussern sie sich über Innovationsschritte im Unternehmen.
Peter und Michael Wanner, welche Erfindung stand am Anfang der Mediengeschichte?
Peter Wanner: Als Initialzündung für Medien gilt der erste Buchdruck von Johannes Gutenberg im Jahr 1440. Die Verbreitung von Schriften in grosser Stückzahl hat die Gesellschaft verändert und gleichzeitig eine Reformation ausgelöst. Bereits davor bestanden verschiedene Arten der Kommunikation, aber die massenhafte Verbreitung von Informationen erfolgte definitiv mit der Erfindung der Drucktechnik.
Gab es eine Innovation, die die weltweite Medienlandschaft entscheidend verändert hat?
Michael Wanner: Die radikalste Veränderung der Medien erfolgte zweifellos mit der breiten Nutzung des Internets, mitsamt seinen Kanälen und Plattformen. Klar gab es zuvor stetige Entwicklungen bei der Technologie von Medien wie Zeitungen, Radio, Fernsehen und Video. Doch die Digitalisierung hat eine völlig neue Dimension eingeführt, die weitreichende Auswirkungen auf die Art und Weise hat, wie Medien erstellt, verbreitet und konsumiert werden. Nichts ist so, wie es vor dem Internet war.
Peter Wanner: Und doch haben die meisten herkömmlichen Medienformen überlebt. Noch immer werden Publikationen gedruckt und TV- und Radiosendungen produziert. Altes wird nicht durch Neues ersetzt, sondern ergänzt.
Peter Wanner, welchen Innovationsschritt erachten Sie rückblickend als prägend für Ihr Unternehmen?
Peter Wanner: Es gab laufend Neuerungen und Innovationsprozesse, die Technologien entwickelten sich rasant. Einen grossen Schritt in die Zukunft wagten wir 2014 mit der Lancierung von «watson» – das erste nationale News-Medium, das ausschliesslich online publizierte. Die Skepsis war gross, mit einem nationalen Newsportal in reiner digitalen Form Erfolg zu haben. Doch der Einsatz hat sich gelohnt – «watson» hat sich auf dem Markt bestens etabliert und ist rentabel.
Gab es auch «Erfindungen», die sich als Flop herausgestellt haben?
Peter Wanner: Misserfolge gab es. Wir haben einmal ein Sportmagazin herausgegeben, welches sich bald als Fehlinvestition herausstellte. Ganz offensichtlich sprachen wir damit nur die männliche Leserschaft an – und das reichte für den kommerziellen Erfolg nicht. Auch gab es eine Idee, für regionale KMU eine Suchmaschinenoptimierung zu schaffen. Das Projekt wurde jedoch nicht weiterverfolgt.
Michael Wanner: Wir haben immer auch Neues versucht und aus den Erfahrungen gelernt. Denn Mut, Neues zu versuchen, ist wichtig für ein Unternehmen.
Peter Wanner: Ja, es gibt oft ein «Learning by Doing». Ausprobieren ist gut, man muss aber schauen, dass man ein nicht funktionierendes Projekt rechtzeitig stoppt, sodass keine grossen Verluste entstehen.
Michael Wanner, sind relevante Erneuerungen geplant?
Michael Wanner: Einen wichtigen Innovationsschritt vollziehen wir zurzeit, indem wir eine neue Technologieplattform aufbauen. Generell ist es unser Ziel, die Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen, und eine zukunftsfähige Technologie ist die Basis dafür. Produktinnovationen sind selbstverständlich auch geplant, die kommunizieren wir aber erst, wenn wir sie lancieren.
Können Neuerungen auch zu schnell erfolgen, sodass die Folgen schwer einzuschätzen sind und sich negativ auswirken?
Peter Wanner: Innovationen erfolgen nie zu schnell, vorausgesetzt, man hat die nötigen Abklärungen getroffen. Was wollen die Nutzerinnen und Nutzer? Welche Konkurrenten sind auf dem Markt und muss man sie ernst nehmen? In welche Richtung geht es, welcher Trend ist absehbar? Klar: Wenn man kopflos und überstürzt handelt, kommt es selten gut heraus. Die Kunst besteht eigentlich darin, die Entwicklung vorauszusehen, in die nächste Geländekammer zu schauen.
Vor einem Jahr haben Cyberkriminelle CH Media angegriffen. Inwiefern hat diese Attacke das Tempo der technischen Innovation im Unternehmen beschleunigt?
Michael Wanner: Ein solcher Angriff kann jedes Unternehmen treffen, da muss man sich keine Illusionen machen. Uns hat die Attacke darin bestärkt, dass wir mit dem Schritt in unsere technische Unabhängigkeit mit einer eigenen IT-Plattform auf dem richtigen Weg sind. Es hat sich gezeigt, dass man in der Krise weit besser agieren kann, wenn man selbst Regie führt.
Schon lange steht die Diskussion im Raum, ob gedruckte Publikationen gegenüber der digitalen Form eine Zukunft haben. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Michael Wanner: Die Wahl zwischen Print- und Digitalmedien ist auch eine Frage der Generationen: Ältere Leserinnen und Leser nutzen eher gedruckte Publikationen, während jüngere Generationen digitale Medien bevorzugen. Aber die Grenzen zwischen den Formaten sind fliessend. Printprodukte haben Vorteile bezüglich der Übersicht; auch sind gedruckte Publikationen in sich abgeschlossen und werden von einem Redaktionsteam kuratiert. Digitale Medien sind aktueller und lassen eine schnelle Berichterstattung zu, neben Texten sind auch Videoformate möglich. Bei den News liegt eine gedruckte Tageszeitung gegenüber der Onlineplattform stets im Hintertreffen, was die Aktualität betrifft. Es könnte also sein, dass Zeitungen in Zukunft, sagen wir mal in zehn Jahren, eher wöchentlich als täglich erscheinen. Doch darüber entscheiden die Leserinnen und Leser. Und solange der Bedarf erwiesen und von den Kosten her tragbar ist, kommen wir selbstverständlich täglich heraus.
Peter Wanner: Ich bin überzeugt, dass unsere modernen Druckmaschinen in Aarau noch sehr lange laufen. Die Nachfrage nach Printprodukten ist nach wie vor gross – und wir haben als eine der wenigen verbleibenden Grossdruckereien in der Schweiz die Kapazität dafür.
Nachrichten können heute sofort und weltweit verbreitet werden, das Potenzial der Geschwindigkeit und Aktualität bei der Berichterstattung ist beinahe ausgeschöpft. Wo sind publizistische Innovationen in Zukunft möglich?
Michael Wanner: Standardaufgaben in der Produktion können künftig teilweise durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz erledigt werden. Dadurch werden Journalistinnen und Journalisten nicht mehr mit Routineaufgaben belastet, sondern können sich auf fundierte Recherchen, die Erstellung von Inhalten und redaktionelle Tätigkeiten konzentrieren. Technologische Innovationen wie das Smartphone waren in der Vergangenheit oft ein entscheidender Faktor für Neuerungen. Sie ermöglichten einen nahezu uneingeschränkten Zugang zum Internet. Die globalen Technologiekonzerne werden auch in Zukunft das Nutzerverhalten und die Wahrnehmung von Medien beeinflussen. Als Medienunternehmen muss man diese technischen und gesellschaftlichen Veränderungen genau verfolgen und Inhalte und Formen den aktuellen Bedürfnissen anpassen.