Nun fehlen den Hausärzten die Patienten
Nach einem anfänglich riesigen Ansturm auf die Arztpraxen meiden jetzt viele Patienten mit üblichen Krankheiten den Arztbesuch. Einerseits fürchten die Menschen die Ansteckungsgefahr und anderseits wollen viele nur leicht Erkrankte den Ärzten nicht auch noch zur Last fallen.

Das Wartezimmer der Hausarztpraxis von Dr. Samuel Toppler und Dr. Manuel Luhn wird am späten Dienstagnachmittag einzig von den gut zwei Dutzend bunten Fischen im Aquarium belebt. Die Räume der noch neuen und modern eingerichteten Praxis symbolisieren einen schieren Höchstlevel an Hygiene. Zwei der vier medizinischen Praxisassistentinnen telefonieren intensiv und die übrigen zwei sind mit anderen Arbeiten beschäftigt. Alle tragen Hygienemasken. Patienten sind weit und breit keine sichtbar. So sind die beiden Hausärzte gerne bereit und in der Lage, die Fragen des «Anzeigers» in Ruhe zu beantworten.
Sie versichern, dass sich zu Beginn des Shutdowns die Situation völlig anders als heute zeigte. Es fand sofort eine Absprache mit den übrigen Ärzten im Knonauer Amt statt. Gemeinsam erstellten sie einen Notfallplan. In der Praxis von Hausarzt Dr. Villiger in Ottenbach wurde gar ein Notfall- und Triagezentrum aufgebaut (der «Anzeiger» hat berichtet). Darüber hinaus wurde Schutzmaterial wie Anzüge, Masken und Handschuhe, sowie entsprechende Medikamente organisiert. Die Tatsache, dass sich die Hausarztmedizin nahe bei den Leuten befindet und die Wege kurz sind, liess einen regelrechten Ansturm befürchten. Tatsächlich besuchten die Praxis in Affoltern auch drei bis vier an Corona erkrankte Patienten, welche jedoch alle erfolgreich zu Hause behandelt werden konnten.
Je länger jedoch der Shutdown anhält, erreichen immer mehr Patientinnen und Patienten mit Bagatellen und unklaren Symptomen die Ärzte in der Praxis am Telefon und verzichten auf eine persönliche Konsultation. Die Praxis an der Obstgartenstrasse blieb in den letzten Wochen weitestgehend leer. Viele Leute hatten Angst, sich bei einem Arztbesuch anzustecken oder befürchteten, die vermeintlich überlasteten Ärzte von wichtigeren Aufgaben abzuhalten.
Nochmaliger Anstieg der Krankheit nicht auszuschliessen
Diese etwas absurde Situation sorgt dafür, dass die beiden Hausärzte und die vier medizinischen Fachassistentinnen momentan unterbeschäftigt sind und eventuell sogar Kurzarbeit eingeführt werden muss. Die beiden Mediziner hoffen auf eine baldige Lockerung der getroffenen Massnahmen, beide Fachärzte schliessen jedoch einen nochmaligen Anstieg der Krankheit nicht aus. Die Hausärzte mussten in den letzten Tagen auch feststellen, dass sich ihre Patienten zwar telefonisch beraten lassen, eine Video-Sprechstunde jedoch kein Bedürfnis sei. Sie richten aber an alle betroffenen Personen, bei welchen irgendwelche gesundheitlichen Probleme vorhanden sind, einen eindringlichen Appell, den Hausarzt zu konsultieren. Die Hausärzte Toppler und Luhn versichern, dass die Angst, sich in einer Praxis anzustecken, absolut unbegründet sei. Das Risiko, sich anzustecken, sei bei einem Einkauf im Lebensmittelladen als weitaus höher einzustufen.
Ramona Stock arbeitet seit knapp drei Jahren als medizinische Praxisassistentin bei Dr. Samuel Toppler in Affoltern. Im kurzen Gespräch mit dem «Anzeiger» schildert sie ihre eigenen Erlebnisse in der Arztpraxis seit Beginn der Coronakrise. Angst vor einer Ansteckung habe sie nie empfunden, hält sie fest, die besondere Situation habe aber auch eine höhere Konzentration bei der Arbeit gefordert. Immer wieder musste sie auch Personen, welche in eine eigentliche Panik geraten seien und Rat suchten, beruhigen. Momentan, so hält sie fest, häuften sich die Telefonanrufe in der Praxis stark, wobei aber nur gerade bei jeder vierten telefonischen Konsultation eine mögliche Corona-Infektion das Problem sei.