«Reise im Kopf» ins erste christliche Land
1996 begann die Tessinerin Maria Cristina Schmid in der Bibliothek Rifferswil zu arbeiten. 2002 übernahm sie die Leitung – und nun geht sie in Pension. Zum letzten Anlass hatte sie Helga und Heinz Guidon eingeladen, um im Rahmen der Serie «Reisen im Kopf» von Armenien zu erzählen.

«Guten Abend und herzlich willkommen.» Helga Guidon begrüsste die Teilnehmenden auf Armenisch. Mit ihren Ausführungen blieb sie nicht bei touristischen Attraktionen. In ihre reich illustrierten Ausführungen liess sie die Geschichte dieses ersten christlichen Landes aufleben, erzählte vom Alltag der Menschen, von Traditionen, vom Leben auf dem Land und dem Leben in der modernen Stadt. Das Land umfasst heute noch rund 30000 Quadratkilometer. Hier leben drei Millionen Menschen, gut sechs Millionen Armenier leben zusätzlich verstreut in der ganzen Welt. Der Binnenstaat Armenien grenzt im Norden an Georgien, im Osten an Aserbaidschan, im Süden an die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan und den Iran, und im Westen an die Türkei.
Wechselhafte Geschichte
Während des Ersten Weltkriegs wurden zahlreiche Armenier im Osmanischen Reich beim Völkermord an den Armeniern systematisch vernichtet. Die Zahl der Menschen, die den Massakern und Deportationen zum Opfer fielen, variieren je nach Schätzung zwischen 300000 und mehr als 1,5 Millionen. Das armenische Staatsgebiet schrumpfte stark. Seither umfasst es nur noch den nordöstlichen Teil des ehemaligen armenischen Siedlungsgebiets. 1991, mit dem Zerfall der Sowjetunion, erreichte Armenien seine Unabhängigkeit. Die Gebiete westlich davon blieben für Armenien verloren.
Unabdingbar wird der Berg Ararat mit Armenien verbunden, aber der Berg, auf dem einst Noahs Arche gelandet sein soll, gehört zur Türkei. Aber den schönsten Blick auf den Berg hat man von Armenien aus. Armenien erhob im Jahre 301 als erstes Land das Christentum zur Staatsreligion. 90 Prozent des Landes liegen mehr als 1000 Meter über Meer. Beeindruckend waren die Bilder von Kirchen, die Helga Guidon zeigte. Über 90 Prozent der Armenier sind Mitglieder der Armenischen Apostolischen Kirche. Für Priester ist das Zölibat nicht vorgeschrieben.
Helga Guidon weckte auf sympathische Art und mit viel Respekt für Land und Leute das Bedürfnis, mehr von Armenien zu erfahren.
Wechsel in der Bibliotheksleitung
Maria Cristina Schmid wird die Leitung der Bibliothek Rifferswil an Bettina Langenbach weitergeben. Unterstützung wird die Quereinsteigerin ins Bibliothekswesen von den beiden bisherigen, erfahrenen Mitarbeiterinnen Sheila Lanz und Yvonne Wüthrich erhalten.
Seit Maria Cristina Schmid 2002 die Bibliotheksleitung von Hilda Grüniger übernahm, hat sich in der Bibliothekswelt vieles verändert. Die elektronischen Medien gewannen an Bedeutung, die Zusammenarbeit der Bibliotheken in der Region intensivierte sich, die Löhne stiegen an, Ausleihe und Mahnwesen wurden digitalisiert und professionalisiert und die Bibliothekskundinnen und -kunden scheinen heute für den Besuch in der Bibi weniger Musse zu haben. Früher war das Bemühen um die nötigen Finanzen für die Aufrechterhaltung eines attraktiven Angebotes aufwendiger. Maria Cristina Schmid dankt im Jahresbericht der Bibliothekskommission explizit für ihr Mitdenken und Mittragen und dem Gemeinderat für sein Wohlwollen und die Finanzmittel.
Gleich geblieben ist die Tatsache, dass die Kinder der Primarschule die Bibliothek – auch mit der Klasse – gern besuchen. Im Oberstufenalter bleiben sie nach und nach weg. Es sind signifikant mehr Frauen, welche die Bibliothek nutzen – obwohl darauf geachtet wird, dass auch Medien eher für Männer zur Ausleihe bereitstehen.
Die kleine Gemeinde Rifferswil konnte über Jahrzehnte stolz auf ihre aktive, kleine und feine Bibliothek sein – nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes der Bibliothekarinnen.
Aufbruch zu neuen Ufern
Maria Cristina Schmid erinnert sich besonders gern an Anlässe in der Bibliothek. Mit viel Begeisterung organisierte die Tessinerin beispielsweise einen zweisprachigen Abend mit dem Tessiner Autor Alberto Nessi. Das Bibliotheksteam bezog die Bevölkerung mit ein, wenn es um die Planung ging. Wie auch bei der Eventreihe «Reisen im Kopf» kamen und kommen viele Ideen von Rifferswilerinnen – und sie zeigen sich auch gern bereit, aktiv mitzumachen. Die Bibliotheksleiterin lobt das Engagement und die Grosszügigkeit der Rifferswiler Bevölkerung. Ihre Aufgabe habe sie immer so gesehen: «Ich habe ein Juwel übernommen, ich pflege es zusammen mit meinem Team und will es als Juwel weitergeben. Ich bin dankbar. Die Bibliotheksarbeit ist für mich die schönste Arbeit der Welt.»
Nun beginnt eine neue Lebensphase für die Mittsechzigerin mit der vielen Energie: Sie wird ihre Enkelkinder geniessen, die Ortsvertretung der Pro Senectute mitbetreuen, im Chor singen, mit ihrem Mann reisen, lesen, was sie will und nicht was sie «muss», gärtnern und viel Zeit im Haus in der Leventina verbringen. In den vielen Jahren Bibliotheksarbeit hat Maria Cristina eifrig Öffentlichkeitsarbeit betrieben, Kontakt mit Behörden und Institutionen, Besuchern und potenziellen Besuchern intensiv gepflegt. So sagt sie abschliessend: «Ich wünsche mir, dass unsere Bibliothek breit wahrgenommen und allgemein wertgeschätzt wird.»