Rendez-vous mit Obfelden

Ein städtisches Theater-Ensemble reist ins ländliche Obfelden, um sich umzusehen, Fotos zu knipsen – und der Gemeinde mit einem Augenzwinkern den Spiegel vorzuhalten. Geht das gut? Ja, und wie!

Jedes Foto lieferte Romeo Meyer (v.l.) Niggi Hégelé und Simone Schwegler das Stichwort für eine Geschichte. (Bild Rahel Malgo)
Jedes Foto lieferte Romeo Meyer (v.l.) Niggi Hégelé und Simone Schwegler das Stichwort für eine Geschichte. (Bild Rahel Malgo)

«Ein Leser hats gut», sagte Kurt Tucholsky einst, «er kann sich seine Schriftsteller aussuchen». So ist das mit Publikum: Wer es hat, lebt plötzlich mit Restrisiken eines Privilegierten. Er weiss nie gewiss, was das für Menschen sind, die von seinem Wirken angelockt werden. Die Stadtzürcher Improtheater-Crew «Anundpfirsich» hats da einfacher. Wenn sie mit ihrer Comedy-Show «Eusi Gmeind» aufs Land reist und dort in den Theater- und Gemeinde- und Singsälen die Bühne betritt, weiss sie zuverlässig, wer ihr gegenübersitzt: eine Heerschar von Dorfexpertinnen und -experten.

Mutig, mutig! Immerhin ist das Wissensgefälle zwischen der fremden Theatercrew und dem einheimischen Publikum jedes Mal gewaltig. Wobei es eher ein Meinungsgefälle ist: Alle meinen zu wissen, wie taktvoll – oder schief – ihr eigenes Dorf tickt.

Strich für Strich zur Dorfkarikatur

Die Gruppe von «Anundpfirsich» – am Freitag bestand sie aus Niggi Hégelé, Simone Schwegler und Romeo Meyer – wusste bei ihrer Ankunft vermutlich kaum etwas über Obfelden. Sie wusste nicht, dass Obfelden fünf Weiler hat und Querelen wegen der Dorfstrasse, dass es bald einen überdeckelten Zubringer gibt, aber momentan weder Restaurant noch Dorfzentrum. Und weil die Gruppe von alldem keine Ahnung hatte, trug sie bei ihrem Dorfspaziergang am Freitagnachmittag – ihrer Show-Vorbereitung – weder blendende noch finstere Gewissheiten mit sich herum, sondern nur je eine Handy-Kamera, die einfing, was spontan auffiel. Jedes Bild ein Bleistiftstrich auf dem Weg zur Dorfkarikatur.

Wird es eine Fratze?

Aber nein!, versichert «Anundpfirsich» auf seiner Website, man schenke «den lokalen Eigenheiten, den alteingesessenen Berühmtheiten und den kommunalen Gepflogenheiten auf liebevoll-augenzwinkernde Weise die Aufmerksamkeit, die sie schon lange verdient haben.»

Und... genau so war es. Die Improvisateure können schliesslich zeichnen. Unterstützung für ihr Dorfporträt aus Bildern holten sie sich aus dem zahlreichen Publikum. Kaum startete der Abend, wurde es zu Pianoklängen sorgfältig aktiviert. Aufstehen, bisschen strecken, rechte Hand auf die Schulter nebenan, paar nette Worte rüberflöten, paar Frechheiten dazu, zum Beispiel ein tierisches Alter Ego. Es war wie früher auf dem Campingplatz in diesen Animationsprogrammen, die in ihrer Simplizität immer etwas Weltfremdes hatten – und trotzdem Laune machten! Danach war das Publikum wa-ha-ha-rmgelacht.

Zeit für die Bilder. 67 Eindrücke aus Obfelden hatte das Trio geknipst und nummeriert. Nun durften die Gäste im Saal Zufallsgenerator spielen, sich Nummer um Nummer wünschen – und so Schauplatz und Reihenfolge der improvisierten Theatersequenzen bestimmen.

Comedy mit betörender Präsenz

Als Erste war Martha dran, die von allen im Saal am längsten in Obfelden wohnte: fast 70 Jahre. Ihr Bild führte zu Bickwiler Impfgegnern – das Foto zeigte ein Plakat an einer Laterne – weitere in die Brennerei zum Tröpfli, wo das Publikum Teil einer Liebesgeschichte wurde oder zurück nach Bickwil vor eine Töffwerk-statt. Es war hinreissend, mit dem Impro-Trio durch seine Geschichten zu toben, die schräg waren und lustig und von der Beständigkeit einer Seifenblase. Immer wieder durfte das Publikum dabei als Stichwortgeber soufflieren. Da wurde aus dem Gemeindepräsidenten plötzlich Dr. Hinners von der Nagerstation, und auch ein ehemaliger Lehrer, die Dorfstrasse oder das Altersdurchmischte Lernen wurden Teil von Geschichten.

Besonders schillernd und etwas vom Besten war aber die Szene mit der Neu-Obfelderin Giulietta, die von Simone Schwegler eine Stimme und von Niggi Hégelé (hinter ihr stehend) zwei Arme erhielt und so exaltiert polterte, wie es nur Profis imitieren können.

Überhaupt: Wie «Anundpfirsich» die Gemeinde Obfelden für einen Abend in den Mittelpunkt seiner Präsenz stellte, überzeugte durch und durch. Was es vom Publikum an Lokalwissen zugespickt erhielt, blitzte in den folgenden Stücken bestimmt wieder auf. Man hatte bei diesem Trio das Gefühl, dass auf der Bühne für einen Abend nichts anderes zählte, als das ihnen nicht mehr ganz fremde Obfelden.

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