Schäden angerichtet und S-Bahn-Einheit ausser Betrieb gesetzt
Ein körperlich und psychisch angeschlagener Österreicher hat in der S14 bei Bonstetten grossen Schaden angerichtet. Er hat Autos aufgebrochen und ist ohne Ausweis gefahren. Der 26-Jährige, mehrfach einschlägig vorbestraft, soll für sieben Jahre des Landes verwiesen werden. Das Urteil steht noch aus.

Gemäss Anklageschrift hat der Eisenleger im November 2018 in der S-Bahn bei Bonstetten durch Aufbrechen von Sicherheitsriegeln zwei Nothämmer an sich genommen und während der Fahrt zwei Seitenfenster beschädigt. Davon wurde eines durch den Luftsog aus der Dichtung gerissen. Hernach richtete er weiteren Schaden an, indem er in drei Wagen zwei Feuerlöscher entleerte. Die gesamte Zugseinheit musste gestoppt und ausser Betrieb genommen werden. Mit dem Zerstören der Fenster habe er Verletzte oder gar Tote in Kauf genommen, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Für Reparaturen und Reinigung stellten die SBB 57520 Franken in Rechnung.
Drei Wochen zuvor betrat er mit einer Bekannten in Dübendorf eine Tiefgarage – dort, wo seine Schwester eine Wohnung hat. Da öffnete er zwei Autos und stahl Bargeld und diverse Wertsachen. Im Weiteren versuchte er in dieser Nacht, 17 weitere Fahrzeuge aufzubrechen. An Details könne er sich hier wegen grossen Alkoholkonsums nicht mehr erinnern, an die Absicht hingegen schon, mit der Begleiterin Sex zu haben. Draussen sei es kalt gewesen.
Im Weiteren hat er fünfmal einen PW ohne Ausweis gelenkt, eine Blut- und Urinprobe verweigert und auf dem Polizeiposten in Affoltern nach seiner Festnahme eine Zellentüre beschädigt. Abgerundet werden die Delikte durch eine Missachtung einer für den Kanton Zürich geltenden Ausgrenzung sowie durch Busfahrten ohne Fahrschein.
Der Mann, aus einer problembelasteten Familie im Tirol stammend, kam 2001 in die Schweiz, hier in Heime und dann in einen Massnahmevollzug nach Namibia, der abrupt abgebrochen wurde. Er wollte ins österreichische Bundesheer. Zurück in der Schweiz, suchte der Ungelernte Arbeit und brachte es schliesslich als Eisenleger gar zum Vorarbeiter – eine körperlich harte Arbeit, die Leisten- und Nabelbruch nach sich zog. Bei einer Operation wurde offenbar ein Nerv beschädigt, die Folge: dauerhafte Schmerzen, die er mit Alkohol und Drogen einzudämmen versuchte. Therapien hat er abgebrochen.
Sämtliche Chancen «vergeigt»
Die Folgen: Frust, Aggression, Panikattacken und depressive Verstimmungen, die ihn immer wieder straffällig werden liessen und nach seinen Worten auch zu seinen Untaten in der S-Bahn geführt haben. Nun aber sei er stabil, seit er im April 2019 Vater eines Sohnes geworden sei, den seine Partnerin zur Gerichtsverhandlung mitbrachte. Um die Schmerzen zu lindern, konsumiere er ärztlich verordnet Cannabis, aber er genehmige sich pro Tag höchstens noch einen Drink, beteuerte er.
Der Staatsanwalt räumte ein, dass der Mann zwar weitgehend geständig ist, monierte aber, dass vorliegend neben den einschlägigen Vorstrafen diverse Straftaten zusammenkommen. Und dass er während laufender Verfahren weiter delinquiert habe. «Das hat ihm offensichtlich keinen Eindruck gemacht», sagte er und will ihn 20 Monate im Gefängnis sehen. Dazu plädiert er für einen siebenjährigen Landesverweis. Die Härtefallprüfung habe hier aus Sicht der Taten des Beschuldigten, nicht aus der Sicht als Vater eines Kindes zu erfolgen. Zudem habe er nach der Geburt des Kindes weiter delinquiert und sämtliche Chancen «vergeigt». «In Österreich hat er berufliche Möglichkeiten wie in der Schweiz; Mutter und Kind können ja auch dorthin reisen», sagte der Staatsanwalt.
Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs ungültig?
Der Verteidiger sieht die Sache natürlich ganz anders. Die SBB hätten unerklärliche, ja unverschämt hohe Kosten für Schäden und Reinigung (exorbitant hohe Stundenansätze) berechnet, rechnete er im Detail vor. Sein Mandant anerkenne einen Schaden in der Höhe von 2338 Franken, was nicht als «grosser Schaden» eingestuft werden könne. Zudem sieht der Verteidiger für den Hausfriedensbruch (Eindringen in die Sammelgarage) keine rechtliche Grundlage. Zum einen habe er einen Schlüssel für die über der Sammelgarage liegende Wohnung seiner Schwester. Zum anderen sei der Strafantrag der Hausverwaltung von einem Prokuristen unterzeichnet worden, die zweite Unterschrift sei unbekannt. «Somit ist der Strafantrag ungültig, und das Verfahren wegen Hausfriedensbruch muss eingestellt werden», so der Verteidiger. Dem widerspricht der Staatsanwalt.
Die Verteidigung plädiert für maximal sechs Monate Gefängnis plus Busse, womöglich für gemeinnützige Arbeit. Oder dann eventualiter für 12 Monate, die er in Halbgefangenschaft absitzen könnte. Die Legalprognose sei zwar nicht besonders günstig, doch besser als auch schon. Exzesse, ist der Verteidiger überzeugt, gehörten der Vergangenheit an – vor allem, seit seiner Rolle als Vater. Der Schaden durch einen Landesverweis sei grösser als der Nutzen. Und in Österreich verfüge er über kein soziales Netz. «Mit einem Landesverweis würde mir alles genommen, was ich hier aufgebaut habe», so das Schlusswort des Beschuldigten.
Das Bezirksgericht Affoltern fällt das Urteil in den nächsten Tagen. Geurteilt wird über Störung des Eisenbahnverkehrs, Sachbeschädigung mit grossem Schaden, über mehrfachen Diebstahl, mehrfach versuchten Diebstahl, über Hausfriedensbruch, Fahren ohne Berechtigung und Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit, Missachtung einer Ein- oder Ausgrenzung sowie über ÖV-Benutzung ohne Fahrschein.