Sie gestaltet ihr Alter mit Abenteuerlust

Elfi Bohrer: «Mit 77 Jahren, da fängt das Leben an – und immer wieder»

Elfi Bohrer liebt ihren Garten. Auch hier findet man Kunstwerke verschiedener Künstler. (Bild Regula Zellweger)

«Altern, bewusst Abschied nehmen, Anfänger bleiben, heute anfangen», formulierte der Philosoph Manfred Hinrich. Dieser Satz trifft die Grundeinstellung der Galeristin Elfi Bohrer, die Abschied nahm von ihrem Gatten Arthur, von ihrer Galerie. Und die immer wieder neu anfängt. Vor Kurzem kam sie zurück von einer Umrundung der Erde und der Halbumrundung der Antarktis. «Während meiner 32 Jahre Berufstätigkeit als Galeristin und der intensiven Auseinandersetzung mit Künstlern und Künstlerinnen und ihren Werken unternahm ich «geistige» Reisen, jetzt geniesse ich meine Freiheit zu reisen, wohin es mich zieht.»

Nach der letzten Ausstellung im Kunstfenster 2022 brauchte sie fast ein Jahr, um aufzuräumen und abzuschliessen. Geblieben sind wertvolle Kontakte mit kunstaffinen Menschen und eine Menge Werke, die sie in ihrem Heim in Wettswil täglich geniesst.

Eigenverantwortung tragen

Mit ihrem Mann bereiste Elfi Bohrer mehrere Kontinente, in guter Erinnerung sind beispielsweise Reisen in die Antarktis, durch die USA und durch China. Was trägt dazu bei, dass jemand mit 77 Jahren eine Weltreise antritt, eigenständig, weitgehend in eigener Regie? Beispielsweise eine eher schwierige Kindheit, die nicht als Beeinträchtigung empfunden, sondern als Ressource ­genutzt wird. Elfi Bohrer wuchs als Tochter einer Österreicherin als uneheliches Kind auf. Teile ihrer Kindheit ­verbrachte sie bei der Familie ihres Onkels. Bereits mit 18 brach sie mutig in die grosse weite Welt auf – und landete im Appenzell. Dieser Mut, Eigenverantwortung zu tragen und aufzubrechen, ohne Sicherheiten im Hintergrund, ist ihr erhalten geblieben. Mut brauchte es auch, die Tätigkeit als erfolgreiche Unternehmensberaterin abzubrechen und in eine ungewisse Zukunft als Galeristin durchzustarten.

Ihr gutes Altern verdankt sie auch der Disziplin, sich täglich im Freien zu bewegen und sich bewusst, vor allem mit Gemüse, Salat und Früchten, zu ernähren. Es war die Diagnose Diabetes, die sie entscheiden liess, täglich zu «marschieren», wie sie es ausdrückt. Mit der körperlichen Bewegung hält sie die Krankheit in Schach. Das Marschieren lässt sie nicht nur die Natur und die Jahreszeiten achtsam erleben. Es trägt zum psychischen und physischen Gesundbleiben bei. Sie denkt beim Gehen der zwei bis fünf Kilometer täglich nach, lässt auch mal innere Leere zu, findet zu sich selbst. Deshalb ist sie auch gern allein unterwegs, startet spontan, lässt sich so viel Zeit, wie sie hat und braucht. Sie spürt erste Auswirkungen des Alterns. Beispielsweise realisierte sie, dass es ihr zunehmend schwerer fiel, das Gleichgewicht zu halten. Deshalb macht sie jetzt Krafttraining in einem nahen Fitnessstudio. Wortfindungs­störungen nehmen zu: «Beispielsweise Namen kommen mir einfach nicht in den Sinn – aber später fallen sie mir ein.» Eine ihrer Lebensweisheiten: «Statt sich zu ärgern, gilt es zu schauen, was möglich ist.»

Trauer zulassen und mitnehmen

Wenn Elfi Bohrer zu Hause ist, brennt eine Kerze als Erinnerung an ihren vor sieben Jahren verstorbenen Mann und ihre Mutti, die sie immer wieder in Österreich liebevoll besucht hatte. Ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes unternahm sie eine Reise, die sie noch gemeinsam geplant hatten und die durch die Krankheit ihres Mannes nicht stattfinden konnte. Diese Reise holte sie aus der lähmenden Trauer: «Das Schwere ging weg.» Sie gab sich wieder die Erlaubnis, ihr Leben zu geniessen, auszukosten, was das Leben bietet. Dazu gehören Konzertbesuche und Opernabende. Und gern auch ein Glas Wein. Zum Wohlfühlen gehört ihr Garten, wo sie Beikräuter auszupft. «Ich weiss selbst genau, welche ich nicht mag.» Für die gröberen Arbeiten holt sie sich professionelle Hilfe.

Sie hat einen starken Selbstwirksamkeitsglauben. Einschränkende persönliche Einstellungen nimmt sie wahr – und geht ihnen aus dem Weg. Mit Selbstvertrauen plante und organisierte sie ihre Reise um die Erde und in die Antarktis. Sie kann heute dem Alleinreisen viel Gutes abgewinnen. Sie geht auf Menschen zu, knüpft neue Kontakte und pflegt trotzdem ihren Freundeskreis.

Zwei Monate war sie mit 24 Kilogramm Gepäck unterwegs, mit passender Kleidung für die Hitze in Rio und Bali und die minus 20 Grad Kälte in der Antarktis. Ihr Reisevorprogramm enthielt die Destinationen Rio und Iguazú in Brasilien. Auf das Expeditionsschiff in die Antarktis dürfen maximal 200 Passagiere, die Regeln sind streng. 33 Alleinreisende fanden sich bald zu Gesprächen und dem gemeinsamen Essen. Täglich gab es Referate von Wissenschaftlern.

Elfi Bohrer glüht vor Begeisterung, wenn sie Fotos von gigantischen Eisbergen zeigt, 1300 Kilometer vom Südpol entfernt: «Unglaublich schöne Skulpturen mit unterschiedlichsten Farben und Formen.» Jeweils acht Personen befuhren mit einem Zodiac die faszinierende Eislandschaft. Die Antarktisreise endete in Neuseeland. Elfi Bohrer hängte gleich noch Reisedestinationen in Australien und – zur Erholung – zehn Tage Bali an.

Mit Würde und Freude altern

Elfi Bohrer hat weitere Träume: beispielsweise eine Reise zum Franz-Josef-Land nordöstlich von Spitzbergen. Der Archipel von rund 200 Inseln wurde im arktischen Spätsommer 1873 von Österreichern entdeckt und gehört heute zu Russland. Mit einem Lächeln meint sie: «Wenn man etwas gern tun möchte, soll man es wenigstens ausprobieren.» Sie hat aber auch bereits von Reiseträumen Abschied genommen. Die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn beispielsweise. Die aktuelle geopolitische Situation macht auch ihr Sorgen.

Man darf sich nicht von eigenen ­Vorstellungen und Ängsten einschränken lassen. Vor allem aber soll man breit interessiert bleiben – und schon erzählt sie vom Besuch der Forschungs-­station mitten in der Antarktis. Und vom gestrigen Opernbesuch. Und von einer Einladung zum Essen … Auch so kann Altern aussehen. «Hätte ich mitten im Leben nicht eine berufliche Kehrt­wendung zu Galeristin gemacht – wahrscheinlich hätte ich ganz viele wunderbare Erlebnisse nicht geschenkt bekommen.» Elfi Bohrer ist dankbar und ­überzeugt, dass man Entscheide treffen und Träume verwirklichen soll – egal, wie alt man ist.

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