Sie lebt nun den «Highschool-Vibe»

Seit Mitte Juli wohnt Eveline Furter aus Affoltern in den USA. Ist das Auslandsjahr so, wie sie es erwartet hat?

Für den Herbstball an ihrer Highschool hat Eveline sich ein Kleid gekauft.

Für den Herbstball an ihrer Highschool hat Eveline sich ein Kleid gekauft.

Einer der Gänge an der North Paulding High School. (Bilder zvg)

Einer der Gänge an der North Paulding High School. (Bilder zvg)

Das Football-Team habe an der Schule «das Sagen», berichtet die 15-Jährige.

Das Football-Team habe an der Schule «das Sagen», berichtet die 15-Jährige.

Michelle Furter, 45, Mutter von Eveline. (Bild zvg)

Michelle Furter, 45, Mutter von Eveline. (Bild zvg)

Ein riesiger Campus, Football-Spiele unter tosendem Applaus, Glamour am Abschlussball – überhaupt, dieser Filmbekannte «Highschool-Vibe»: All das fand Eveline Furter, 15, aufgewachsen im beschaulichen Affoltern, an Amerika «ziemlich cool»: Die Gabe der Gesellschaft, Alltägliches ein wenig grösser zu leben oder zumindest so zu tun.

Auf Social Media hatte Eveline den «American Way of Life» schon länger beobachtet. Definitiv auf den Geschmack kam sie Anfang 2022 an einer Berufsmesse. Die Agentur hiess gleich wie ihre Initialen, «EF», (was an sich nichts zur Sache tat, aber auch nicht ganz unsympathisch war) «why not?», dachte sich Eveline und abonnierte den Newsletter. Sie war damals im zweiten Sek-Jahr.

Ihr war klar: Wenn sie einmal im Leben eine Highschool-Schülerin sein wollte, gab es dafür nur ein schmales Zeitfenster: Nach Abschluss der obligatorischen Schule. «Ich wusste zwar nicht, wie gut ich es aushalten würde, so lange von meinen Eltern getrennt zu sein», erzählt Eveline in einem Video-Call, «aber mir war auch klar, dass mich die Schule nur aufnimmt, solange ich noch minderjährig bin. Also dachte ich: Jetzt oder nie. Egal, machs einfach!»

Abschiedsparty mit Pancakes

Über die Monate wurde der Austausch mit der Agentur intensiver, auch ein langes Gespräch mit den Eltern gehörte dazu, in dem diese «jede erdenkliche Frage» gestellt hätten, wie Eveline lachend berichtet. Ein Englischtest, das Visum, der Lehrvertrag für 2024, der in dieser Agentur als Bedingung gilt oder Geschenke für die Gastfamilie: Es gab für Eveline vor dem Abflug noch einiges zu erledigen. Und dann hiess es im Juli: Abschied nehmen.

Ihre Freunde schmissen für sie eine Party mit Pan Cakes und Hot Dogs, am Abend vor dem Abflug ass sie mit ihren Eltern ein letztes Mal gemeinsam Znacht. Das habe sie, aller Vorfreude zum Trotz, auch wehmütig gedacht: «Euch seh ich jetzt ein Jahr nicht mehr», habe sie gedacht, «ouuu mann!»

Am Flughafen in Kloten habe die Agentur dann alles recht zackig abge­wickelt, sagt Eveline. Ein blaues T-Shirt, eine kurze Info und ab ins Flugzeug – möglichst ohne dramatische Verabschiedungsszenen. Es war das erste Mal, dass Eveline ohne Erwachsenen-Begleitung einen Flug mit Zwischenstopp nahm. Ganz wohl war ihr dabei zunächst nicht, «aber irgendjemand in der Gruppe weiss zum Glück immer, wie man zum Gate kommt oder was zu tun ist», sagt sie rück­blickend.

Jeden zweiten Tag Fastfood

Seit dreieinhalb Monaten wohnt ­Eveline nun in der Ortschaft Hollingshed im Bundesstaat Georgia. «Typisch amerikanisch» sei das Haus ihrer Gasteltern mit seinen grau-beigen Wänden und den weissen Türen. Sie hat ein Zimmer und ein Bad für sich. Auch der Wunsch, eine Gastschwester zu haben, ging für Eveline in Erfüllung. Sie seien sich in vielem ähnlich, aber so richtig übergesprungen ist der Geschwister-Funke bisher nicht. Eveline spekuliert: «Vielleicht, weil wir es beide gewohnt sind, Einzelkind zu sein?»

Ihre Gastfamilie teile viele ihrer Interessen, erzählt Eveline. Und sie hat – genau wie sie selbst mütterlicherseits – slowakische Wurzeln, was ihr ein vertrautes Gefühl gab. Anderes war Eveline dagegen weniger vertraut: Als sie hörte, dass ihre Familie abends zwei- bis dreimal pro Woche in einer Fastfood-Bude einkehrt, wurde sie skeptisch, ob sie, die Wert auf eine gesunde Ernährung legt, sich tatsächlich in diesen Alltag würde integrieren können. Später entdeckte sie in einem dieser Imbisse Gurken im Angebot – frittiert natürlich. Bis heute sind ihr solche Snacks nicht ganz geheuer. Gewöhnungsbedürftig waren anfangs auch die Essensrituale für Eveline, wenn die Familie das Abendessen selbst kochte. Man ass nicht unbedingt miteinander, sondern nebeneinander – vor dem Fernseher. Zunächst vermisste ­Eveline in solchen Momenten die ­«Familienstimmung».

Man komme nicht umhin, sich in einem Auslandsjahr an vieles anzupassen, sagt Eveline: «Am Anfang dachte ich häufig: Oh no, meine Familie hat das anders gemacht, das wird jetzt sicher mega schlimm!». «It’s not bad, it’s just different», habe sie für sich mittlerweile verinnerlicht: Es ist nicht schlechter – einfach anders. «Und manchmal sogar besser als zu Hause.»

Im Elterntaxi an die Highschool

Die örtliche Highschool hat 3300 Schülerinnen und Schüler. Sie liegt nicht allzu weit entfernt. Zwei Autominuten, schätzt Eveline, die nun mit 15 Jahren ein wenig unfreiwillig in den «Genuss» eines Elterntaxis kommt. Sie habe am ersten Schultag vorgeschlagen, kurz hinüberzulaufen, sagt Eveline, doch ihre Gastmutter habe sofort abgewinkt: «Das macht hier keiner!»

Die Schule, sagt Eveline, sei mit den Spinds, dem Campus, den freitäglichen Football-Spielen und den Herbst- und Abschlussbällen tatsächlich so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Der Stoffplan wird für ihr Empfinden um einiges lockerer angegangen als in der Schweiz: «Neulich war an einem Morgen ein Feueralarm angekündigt. Also warteten wir – und machten während der ganzen Lektion nichts», erzählt sie. «Heute hatte ich Sport. Aber der Lehrer hatte nichts vorbereitet. Also sassen wir halt in der Cafeteria.» Sie lacht: «Ich habe noch nie so viele Handyspiele gespielt wie hier.»

Gar nicht easy zu und her geht es dagegen im ausserschulischen Sport: Als Eveline dem Volley-Team beitreten wollte, wurde sie zum Vorspielen eingeladen. Gereicht hat es nicht. Die Konkurrenz (die in der Hoffnung auf ein Stipendium meist ab jungen Jahren hart trainiert) war zu gross. Das sei bitter gewesen, sagt Eveline – bei ihr stand nicht der Leistungsgedanke im Vordergrund, sondern der Plausch und der Wunsch nach Zugehörigkeit.

Manchmal plagt sie das Heimweh

Nach der Schule ist Eveline oft zu Hause bei den Geissli ihrer Gastfamilie oder in ihrem Zimmer. Wenn Freunde oder Familie in der Schweiz noch wach sind (die Zeitverschiebung beträgt sechs Stunden), schreibt oder telefoniert sie mit ihnen. Sie sei gerne zu Hause, sagt Eveline, die sich das Sozialleben dennoch ein wenig anders vorgestellt hatte: «Auf Social Media sieht man all die guten Momente der anderen, all den Spass – und ich selbst sitze in meinem Zimmer und kann nirgends hin.» Autofahren darf sie noch nicht, und das ÖV-Netz ist schlecht.

Doch selbst wenn ihre Gastmutter sie mit dem Auto zu einer Verabredung fahren würde: Zu wem? «Ich habe noch keine Leute kennen gelernt, die ich wirklich meine ‹Freunde› nennen würde», sagt Eveline. Echte Freundschaften zu schliessen, erlebt sie als schwierig: «Ich wünschte, es hätte mir jemand gesagt, dass man am Anfang recht alleine ist. In den Online-Beiträgen hatte alles so locker gewirkt, dabei braucht es Zeit, einen Freundeskreis aufzubauen.» Sie hofft, dass ihr das in den kommenden Monaten noch gelingen wird. «Ich möchte endlich ankommen», sagt sie.

In diesen einsamen Momenten plagt Eveline manchmal das Heimweh. «Es kommt in Wellen», sagt sie, genau so, wie es ihr die Agentur in der Vorbereitung vorausgesagt hatte. Nicht umsonst rät diese den Angehörigen von Besuchen im ersten Semester ab.

Obwohl in der Realität nicht alles so funkelt, wie es auf manchem Werbe-Beitrag den Anschein gemacht hatte, hat Eveline ihre Entscheidung für das Auslandsjahr bisher nicht bereut, wie sie sagt: «Ich lerne, alleine in einem anderen Land zu leben und in einer anderen Sprache zu kommunizieren. Ich lerne, Probleme selbstständig zu lösen und auf einem anderen Kontinent Freundschaften zu schliessen. Ich lerne so viel.»

Nicht enttäuscht wurde Eveline übrigens in ihrer Vorstellung, dass vieles ein bisschen grösser ist: Die Supermärkte: riesig! Der Aufwand für die Schulbälle: riesig! Die Euphorie, wenn das eigene Football-Team spielt: riesig!

Gross, grösser, Amerika.

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