Sie programmieren, schreiben, komponieren
Bevor sie die Volksschule verlassen, haben sie eine eigene Projektidee in die Tat umgesetzt. Was für Ergebnisse sind dabei entstanden? Am Donnerstagabend hiess es: Showtime.
Moment mal! Diese Schlange, die über den Bildschirm saust und sich mit jedem Happen vergrössert ... Hat man die nicht schon einmal gesehen?
Wenn man heute ein Jugendlicher ist und um das Jahr herum geboren wurde, in dem Apple sein erstes Smartphone präsentierte (2007): Womöglich nicht. Wenn man hingegen in den 90ern aufgewachsen ist und Anfang der Nullerjahre Zugriff auf ein Nokia-Handy hatte, dann: Logo! Das Spiel «Snake» hatte Suchtpotenzial und hielt seine Fan-gemeinde während Stunden von der Pflicht (und gewiss auch von der einen oder anderen Dummheit) fern.
Nun schaffte es die fresssüchtige Schlange, zwei Schüler der Sek Obfelden-Ottenbach für sich zu gewinnen. Athish Vijayakumar und Simo Hug programmierten «Snake» im Rahmen ihrer Abschlussarbeit als Computerspiel. «Wir waren Anfänger», erzählte Athish an seinem Stand, «also haben wir uns Lehrmittel zu einer Programmiersprache bestellt und auf YouTube Videos angeschaut, wie man das macht.» 70 Arbeitsstunden hat das Duo investiert.
Es ist eines von geschätzt 60 Projekten, die am Donnerstagabend in der Mehrzweckhalle Zendenfrei präsentiert wurden.
Zu sehen gab es auch in diesem Jahr eine Palette an Ideen. Da war ein Schüler, der aus Holz ein Schwert aus der Fantasy-Trilogie «Herr der Ringe» nachschnitzte – in seinem Kinderzimmer notabene. Auf einer nachskizzierten Landkarte zeigte er den Standbesuchern auch gleich, in welcher Region der Tolkien-Welt das Schwert angesiedelt ist.
Ein anderer Schüler wandte sich ebenfalls dem Rohstoff Holz zu und schreinerte einen Flipperkasten. Ein dritter, seinerseits Architektur-Aficionado, ersann sich sein Traumhaus und baute es im Kleinmassstab nach. Es war eine Villa mit Pool.
Eine Schülerin entwarf eine Jacke mit Wärmefunktion, eine andere designte einen Online-Shop für Second-Hand-Mode. Drei Projekte werden nachfolgend näher vorgestellt. Die zitierten Abschnitte stammen aus den jeweiligen Projektdokumentationen von Liana, Nick und Nina.
Liana Schumacher schrieb ein Fantasy-Buch für Lesemuffel«Ist es möglich, in 70 Stunden ein Buch zu schreiben? Auf jeden Fall ‹Ja!›, weil, wenn man die Disziplin hat, immer weiter zu schreiben, dann schafft man das. Aber es gehört auch sehr viel Aufwand dazu, denn man muss sich erst mal überlegen, was man schreiben möchte und in welcher Art von Geschichte man sich bewegen möchte.»
«Wie viele Seiten sind es noch?», hat Liana sich als Kind gefragt, wenn sie für die Schule in einem Buch lesen musste. Sie mochte es nicht so sehr, hangelte sich den Seitenzahlen entlang. So wie ihr soll es anderen nicht mehr ergehen: Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit ist eine Fantasy-Geschichte entstanden – ohne Seitenzahlen und mit überschaubaren Kapiteln. Mehr als vier, fünf Seiten sind es nicht. «So bleibt man in der Geschichte, und wenn man jeden Tag ein Kapitel liest, dann hat man dieses Buch in 19 Tagen durch», sagte Liana, die mit solchen Sätzen entfernt an eine Profi-Verkäuferin erinnert. Auch dort klingt jeder Satz wie eine sorgfältig verpackte Empfehlung.
«Ich wollte immer schon Welten erschaffen», sagte Liana über ihre Schreib-Motivation. An «Das Leuchten des Fuchses» hat sie von Januar bis Mai geschrieben, manchmal bis in die Nacht hinein. Die Geschichte handelt von einem seltenen Elixier. «Es geht um Freundschaft und Vertrauen, aber auch um die Frage, wie man mit Verlust umgeht», erzählte Liana. Demnächst erscheint ihr Buch im Eigenverlag. Ein paar Fans hat sie bereits: Seit sie es in der Primarschule Obfelden vorstellen durfte, wird sie hin und wieder auf dem Pausenplatz gefragt, wann es nun endlich zu haben sei.
Nick Steiner moderierte und sprach mit Fachpersonen über Sucht«In der Schule wurde uns mitgeteilt, dass jeder von uns Schülern eine Projektarbeit machen wird. (...) Ich hatte einige Ideen und tendierte am Ende für das Thema ‹Sucht und Betäubungsmittel in der Jugend.› (...) Das Arbeiten hat mir grundlegend gefallen und viel Spass gemacht, wobei es sehr anstrengend war. Am Anfang war ich zuversichtlich. Gegen den Schluss kam nochmals so viel Stress. Auf den war ich nicht vorbereitet. Der hat stark an meinem Ego gekratzt.»
Als Nick Steiner in der Mehrzweckhalle über sein Projekt Auskunft gab, hatten die Besucherinnen und Besucher bereits Bekanntschaft mit ihm gemacht. Nick stand während der Bühnen-Präsentationen, die vor dem Rundgang stattfanden, als Moderator im Einsatz; in verblüffend souveräner und gewitzter Manier. (Für eines der Projekte forderte er beim Publikum spontan einen Applaus-Nachschlag ein; die finale Verneigung der Aufgetretenen kommentierte er so wortreich, dass es der Szene die Sprödheit nahm, die hinter solchen einstudierten Gesten lauert.)
«Moderieren macht mir Spass, bekannte Nick hinterher im Zweiergespräch. Er kennt es aus dem Jugendtreff. Deshalb war es für ihn kein Problem, spontan, also «etwa zehn Sekunden vor Showbeginn», die gesamte Moderation zu übernehmen, statt nur über sein eigenes Projekt zu erzählen.
Dieses wiederum hatte nichts mit Bühnenpräsenz zu tun. Nick setzte sich mit dem Suchtmittelkonsum von Jugendlichen auseinander. In seiner Wahrnehmung werden Cannabis, Zigaretten oder E-Zigaretten hemmungsloser in der Öffentlichkeit konsumiert. «Warum?», fragte er sich und später mehrere Fachpersonen und Leute aus dem Schulumfeld. Aus seinen Gesprächen ist ein 24-minütiger Film entstanden.
Nina Häberling* komponierte und schrieb drei sehr persönliche Songs
«Ich bin recht zerbrechlich. Meine Tränen fliessen sehr schnell, worüber ich nicht wirklich stolz bin. Diese komische Kombination, Gefühle körperlich unbewusst zu zeigen und sie aber nicht erklären zu können, hat mich schon in viele unangenehme Situationen gebracht. Darum geht es im Lied «Fragile»: Es ist für mich schwierig, meine Tränen zu unterdrücken.»
Auch Nina hatte zu Beginn des Abends bereits auf der Bühne gestanden. Dem Publikum wurde einer ihrer drei Songs vorgespielt, die sie für die Projektarbeit geschrieben und selber am Klavier begleitet hat. Ein Jahr sang Nina in einem Chor, später verfeinerte sie ihre Stimme alleine, in dem sie in ihrem Zimmer Karaoke sang.
Die Songtexte zu schreiben, sei ihr nicht schwer gefallen, sagte Nina. Der schwierigere Teil sei, die (reflektierenden, durchaus kritisch-fragenden) Lieder den Menschen vorzuspielen, denen sie über die Musik etwas mitteilen möchte. «Manchmal ist es einfacher, etwas zu singen, statt es zu erklären.» Die Offenheit und Ausdrucksfähigkeit der Schülerin scheint auch das Publikum begeistert zu haben. Auf der Bühne erhielt sie für das präsentierte Lied viel Applaus.
*Nina Häberling ist mit der Autorin nicht verwandt.