Spital Affoltern erstmals seit Jahren in den schwarzen Zahlen

Interview mit Stafan Gyseler: Zahlreiche Neuerungen beim grössten Arbeitgeber der Region

Ist wieder in den schwarzen Zahlen: das Spital Affoltern. Im Bild der Eingangsbereich. (Bild Florian Hofer)

Ist wieder in den schwarzen Zahlen: das Spital Affoltern. Im Bild der Eingangsbereich. (Bild Florian Hofer)

Zieht sich zum Jahresende als CEO des Spitals Affoltern auf sein Verwaltungsratsmandat zurück: Stefan Gyseler. (Bild fh)

Zieht sich zum Jahresende als CEO des Spitals Affoltern auf sein Verwaltungsratsmandat zurück: Stefan Gyseler. (Bild fh)

Kaum ein Unternehmen im Bezirk beschäftigt die Gemüter der Einwohnerinnen und Einwohner so sehr wie das Spital Affoltern. Auch deshalb, weil es mit 550 Mitarbeitenden der grösste ­Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb im Knonauer Amt ist. 


Mehrere Personalwechsel in den letzten zwei Jahren
Einerseits war die von vielen Menschen aus dem Bezirk hochgeschätzte Einrichtung aufgrund mehrerer Personalwechsel (ein geräuschvoller Abgang eines leitenden Arztes im Sommer 2024, der Weggang von Spitaldirektor Lukas Rist samt dem Finanzchef Mathias Rechsteiner) herausfordernd. Andererseits plagen finanzielle Sorgen (2024 wies das Spital einen Verlust von fast 900000 Franken aus) seit Jahren das Spital. Wegen der Unsicherheiten in personeller, finanzieller und strategischer Hinsicht machten sich Anfang 2025 Verwaltungsratspräsident Stefan Gyseler und sein Vize im Verwaltungsrat, Erwin Höfliger, ans operative Geschäft und übernahmen gemeinsam die Funktion des CEO. Sie kündigten an, bis Jahresende wieder abzutreten beziehungsweise wieder ihre angestammten Funktionen zu übernehmen und der designierten Nachfolgerin als CEO, Irene Christen, das Feld ab dem 1. Januar 2026 zu überlassen.
Im Interview mit dem «Anzeiger» hat Gyseler nun eine Bilanz aus einem Jahr Spital-CEO gezogen und dabei eine Reihe von Neuerungen kommuniziert: So hat sich das Spital Affoltern von zwei Kaderärzten getrennt, und zwar von der Leitung Notfall. «Wir hatten das Gefühl, dass wir unsere Ziele mit der bisherigen Besetzung nicht erreichen würden», sagt Gyseler dazu. Der Notfall gilt als eine Paradedisziplin im Spital Affoltern: «Die ganze Akzeptanz des Spitals hängt vom Notfall ab.» 


Trennung gleich von mehreren Abteilungen
Getrennt hat man sich auch von der Abteilung Pneumologie und der gynäkologischen Sprechstunde. In beiden Fällen wurde eine Nachfolgelösung gefunden. Die Abtretung der Dialyseabteilung im OVA-Areal ans Triemli ist noch Gegenstand von Verhandlungen. 
In finanzieller Sicht ist es in diesem Jahr besser gelaufen. Nach den Verlusten der vergangenen Jahre kündigt ­Gyseler einen Gewinn von 1.5 Millionen Franken an. Dies sei das Resultat der zahlreichen Massnahmen im strategischen Bereich im ablaufenden Jahr, so der abtretende CEO.

 

Im folgenden Interview erläutert der CEO des Spitals Affoltern, Stefan Gyseler, die Strategie:

«Anzeiger»: Stefan Gyseler, wenn der Spitaldirektor und gleichzeitig auch der Finanzchef gehen, wie im November 2024 angekündigt, dann gibt das viel Unsicherheit. Wie überraschend war das für Sie?

Stefan Gyseler: Das ist tatsächlich alles etwas schnell gegangen. Die Kündigungsfrist von Lukas Rist hätte sechs Monate betragen. Aber: Das Spital war stark unter Druck, endlich einmal in die Gewinnzone zu kommen. Wir haben uns deshalb zusammengesetzt mit dem Ziel, eine ideale Lösung zu finden. Die Ziele mit externen Interims-Kräften zu erreichen, erschien uns nicht realistisch. Das hätte zu Unsicherheiten auch beim Personal geführt. Also haben sich Erwin Höfliger und ich entschieden, die CEO-Rolle ab März zu teilen.

Das ist aber kein Nebenjob.

Allerdings. Aber wir haben uns die Arbeit auch geteilt. Erwin Höfliger, der Rechtsanwalt ist, hat sich vor allem um die Rechtsfragen, die Pflege, die Gastronomie und das Gebäudemanagement gekümmert. Ich war zuständig für ärztliche Belange, die Finanzen und den strategischen Teil.

Erzählen Sie uns davon. Was haben Ihre strategischen Bemühungen ergeben?

«Fit for Future» haben wir das Konzept genannt, in dem wir unsere strategischen Handlungsfelder definierten. Das grosse Ziel war die Etablierung des Spitals in der Gewinnzone. Zwei sehr wichtige Aspekte waren die Optimierung des Notfalls und die Schärfung der ambulanten Angebotsstrategie.

Obwohl der Notfall wohl kaum kostendeckend betrieben werden kann?

Das ist so. Aber: Uns geht es darum, dass ein funktionierender Notfall für die Bevölkerung hier im Bezirk ganz wichtig ist. Die ganze Akzeptanz des Spitals hängt davon ab. Das ist wichtiger als die direkten betriebswirtschaftlichen Aspekte. Dazu muss man jedoch das ganze Spital betrachten. Heute sind wir ein Spital mit drei stationären Spezialgebieten Altersmedizin, Palliative Care, Psychiatrie und einem 24-Stunden-Notfallzentrum. Mit den Einnahmen, die wir vor allem mit den stationären Angeboten erwirtschaften, kann man den Notfall querfinanzieren. Früher war vom Gesetzgeber her klar, dass es bei einem Notfall auch eine Chirurgie braucht. Wir sind jetzt, nachdem uns der Kanton in einem Pilotprojekt den sogenannten «Notfall light» bewilligt hat, das erste Spital im Kanton, das ohne Chirurgie auskommt.

Nicht jeder Notfall braucht doch einen Chirurgen zur Behandlung?

90 Prozent der Notfälle im Spital Affoltern sind Hausarztfälle. Internistische stationäre Patientinnen und Patienten können bis zu drei Nächte für einen Kurzaufenthalt bei uns aufgenommen werden. Für die Beurteilung eines Notfalls mit einem Chirurgen sprechen wir uns mit den Spezialisten im Stadtspital Zürich (Triemli) ab.

Von wie vielen Notfällen reden wir im Jahr?

2024 waren es etwa 10000.

Der Notfall dürfte bei den meisten Patienten und Patientinnen viel zu reden geben. Denn nicht immer läuft es dort aus Patientensicht gut.

Der Notfall ist die am meisten kritisierte Abteilung in einem Spital. Das heisst nicht, dass wir die Kritik nicht ernst nehmen, und es ist unser Bestreben, dass wir die Qualität auf der Notfallstation steigern können.

Was tun Sie dafür?

Wir möchten die Zusammenarbeit mit den Hausärzten, die Abläufe und vor allem die Wartezeiten und die ärztliche Kompetenz verbessern. Unter anderem haben wir uns von zwei Kaderärzten getrennt, und zwar von der Leitung Notfall. Wir hatten das Gefühl, dass wir unsere Ziele mit der bisherigen Besetzung nicht erreichen würden.

Haben Sie schon Ersatz gefunden?

Am 1. Januar fängt ein neuer Leitender Arzt an. Wir haben auch zwei neue Oberärzte eingestellt und sind im Gespräch und beim Probearbeiten mit weiteren Notfall-Internisten. Wir stocken also auf. Beim Personal und bei der Qualität.

Wie viele Leute arbeiten dann auf der Notfallstation?

Bei den Kaderärzten werden es zwischen 400 und 450 Prozent Stellenprozent sein – es sind noch nicht alle Verträge unterzeichnet – dazu kommen weitere 700 Stellenprozente für die Assistenzärzte und die sehr gut ausgebildete Notfallpflege. Das Ziel ist, dass die Patientin bzw. der Patient zufrieden nach Hause geht. Das tut man meist, wenn man nicht zu lange warten muss und kompetent behandelt wurde.

Viele Spitäler kämpfen mit zu hohen Kosten im Zusammenhang mit dem Personalmangel und der Beschäftigung von Temporärpersonal.

Wir auch. Wir versuchen dem Problem damit zu begegnen, dass wir einen Pool geschaffen haben, in dem sich etwa 150 Personen befinden. Auf diese können wir bei Engpässen zurückgreifen. In diesem Pool befinden sich bisherige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, frühere Temporärkräfte, die sich nun im Pool neu anstellen liessen und auch neu rekrutierte Mitarbeitende. Von der Besoldung her ist das so geregelt, dass der Job attraktiver wird, wenn sie mehr eingesetzt werden können. Ich habe aber auch noch grossen Respekt vor einem anderen Kostenblock.

Der wäre?

Die IT. Im Moment sind wir in der Umstellung des Abrechnungsmodells für die ambulanten Leistungen von Tarmed auf Tardoc. Das elektronische Gesundheitsdossier wird wohl sehr teuer. Dann wird der Schutz vor Cyberkriminalität immer wichtiger. Wir haben ja hochsensible Daten bei uns. Eine Chance sehe ich dafür bei der KI. Da gibt es ein Riesenpotenzial, vor allem bei der Prozessoptimierung, wobei das auch erstmal Geld kosten wird.

Sie haben neben den eingangs erwähnten stationären Angeboten, die offenbar profitabel sind, auf ihrer Website ein ganzes Sammelsurium von ambulanten Angeboten. Was passiert mit denen?

Bei den drei angesprochenen Bereichen im stationären Bereich wollen wir uns eine klare Marktposition verschaffen. Da sind wir führend im Kanton Zürich, was uns die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli auch bestätigt hat.

Aber?

Bei den ambulanten Positionen sind wir nicht ganz klar. Das heisst: Wir müssen das anders machen und unsere Positionierung schärfen.

Was wollen Sie anders machen?

Neben dem Platzproblem und einer verbesserten Kommunikationsstrategie gilt es, die Frage zu beantworten, ob das ambulante zum stationären Angebot passt und ob wir dieses Angebot kostendeckend führen können. Wir haben ambulante Leistungen wie zum Beispiel die Onkologie, die Kardiologie oder die Gastroenterologie, deren Spezialisten vor Ort einerseits für unsere stationären Patientinnen und Patienten sehr wichtig sind und andererseits auch zuweisen, indem ihre ambulanten Patientinnen und Patienten stationäre Leistungen benötigen, die das Spital Affoltern anbietet. Auf diese Weise können Patienten und Patientinnen sehr lange von der gleichen medizinischen Fachperson betreut werden. Es geht auch darum, dass wir die Abhängigkeiten von einzelnen Ärztinnen und Ärzten, die eine bestimmte Leistung ambulant anbieten, reduzieren. Wir müssen also schauen, dass wir in den ambulanten Disziplinen, die wir weiter bewirtschaften wollen, mehr als einen Arzt oder eine Ärztin beschäftigen können. Dabei müssen wir auch darauf achten, dass wir unsere Dienstleistungen kostendeckend anbieten können. Das heisst auch, dass wir die Patientenzahl und damit auch den Umsatz in diesen Leistungsbereichen erhöhen müssen.

Viele Spitäler setzen auf die Strategie «Ambulant vor Stationär». Sie nicht?

Wir forcieren es weniger. Unsere stationären Patientinnen und Patienten werden sich auch in Zukunft nicht ambulant behandeln lassen. Wir haben hier nicht die Bedenken, dass unsere stationären Leistungszahlen sukzessive in den ambulanten Bereich umgelagert werden. Das heisst: Wir werden die Palette des ambulanten Leistungsangebots nicht vergrössern und uns vermehrt auf die Kernaufgaben konzentrieren.

Mit welchen konkreten Folgen?

Wir haben die Pneumologie verkauft. Der Standort im OVA-Areal hinter dem Bahnhof wurde an eine Pneumologiefirma mit mehreren Standorten in der Schweiz verkauft. Diese Firma übernimmt den Arzt und die beiden MPA. Für die Patientinnen und Patienten ändert sich eigentlich nichts. Sie gehen an den gleichen Ort wie bisher und werden von den gleichen Personen betreut.

Am gleichen Ort im OVA-Areal ist auch noch eine Dialysestation. Was passiert damit?

Die Dialysestation gehört zu 50 Prozent dem Spital Affoltern und zu 50 Prozent dem Stadtspital Zürich (Triemli). Wir sind in dieser Disziplin noch nicht kostendeckend und es werden nun Gespräche zwischen dem Stadtspital und dem Spital Affoltern geführt, dass die Leistungserbringung vom Triemli übernommen wird und sie uns für die Infrastrukturkosten entschädigen. Ein weiteres Beispiel: Im Bereich Gynäkologie hatten wir einen Vertrag mit dem See-Spital Horgen, damit hier in Affoltern an zwei Tagen in der Woche gynäkologische Sprechstunden angeboten werden. Nun haben wir mit der gleichen Ärztin eine Lösung mit einer gynäkologischen Praxis hier in Affoltern gefunden. Gelegentlich wird sie als Konsiliarärztin Patientinnen im Spital betreuen, die nicht zu ihr in die Praxis gehen können.

Das Spital bietet also keine gynäkologische Sprechstunde mehr an?

Wir verzetteln uns sonst einfach zu viel. Die jungen Patienten und werdenden Mütter gehören nicht zur Zielgruppe des Spitals Affoltern. Das hatte ich gemeint, dass wir mit unserem Leistungsangebot eine klarere Marktpositionierung suchen müssen. Wichtig war uns, dass die bisherigen Patientinnen immer noch von der gleichen Ärztin betreut werden, und dies auch in Affoltern, in einer Gynäkologiepraxis. Für unsere stationären Patienten arbeiten wir nun mit dieser Ärztin einen Konsiliararztvertrag aus, dass wir die Mutter-Kind-Patientinnen zu ihr schicken dürfen und sie bei Bedarf für unsere stationären Patientinnen zu uns ins Spital kommt.

Das grosse Ziel ist der wirtschaftliche Erfolg, also schwarze statt roter Zahlen.

Wir haben ein recht gutes Jahr gehabt in finanzieller Hinsicht. Wir werden einen Jahresgewinn von rund 1.5 Millionen Franken ausweisen können. Das erfüllt uns alle mit Stolz.

Sie schauen also zufrieden auf das ablaufende Jahr zurück?

Ich glaube, dieses Jahr haben das Spital und die Mitarbeitenden an Stolz gewonnen. Wir werden in der Branche als gutes Spital wahrgenommen. Das merkt man auch an den Bewerbungen für den Notfall und die anderen Fachbereiche, da sind mehr als früher eingegangen. Das gibt mir eine gewisse Genugtuung. Wir dürfen nun wieder ein gewisses Selbstvertrauen an den Tag legen und die Menschen, die hier im Spital mit so viel Herz und Engagement jeden Tag zur Arbeit kommen, dürfen zu Recht stolz auf sich sein.

Wie geht es für Sie weiter, wenn die neue Chefin am 1. Januar kommt?

Ich ziehe mich zurück auf mein Verwaltungsratsmandat. An der Generalversammlung im Juni werden Erwin Höfliger und ich nochmals kandidieren. In meinem Fall wird es dann für die letzte Zwei-Jahres-Periode sein.

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