Tatkräftiger Einsatz für Meeressäuger
Die Affoltemerin Katharina Heyer ist 82 Jahre alt – und fast jeden Tag auf dem Meer
Vor Kurzem kam im TV-Magazin «Life – Menschen, Momente, Geschichten» auf RTL ein Beitrag über Katharina Heyer. Angekündigt wurde die Sendung über die 80-Jährige wie folgt: «Katharina Heyer hat als gefragte Taschendesignerin alles erreicht und dann noch mal neu angefangen. Mit über 50 Jahren kündigt sie ihren Job und widmet ihr Leben dem Schutz der Wale und Delfine in der Strasse von Gibraltar.»
Angehängt ist ein Link zu ihrer Stiftung firmm. Zu sehen ist Katharina Heyer auf dem Schiff, wie sie sich behände auf dem Boot bewegt, Meeressäuger sichtet, den Gästen des Whale-Watchings übers Mikrofon in vier Sprachen detaillierte Informationen gibt und daneben die Sichtungen in einer Liste zuhanden der Forschung notiert. Gefilmt wurde bereits vor zwei Jahren und noch immer verbringt Katharina Heyer sieben Sommermonate in Tarifa bei Gibraltar und fünf Monate zu Hause in Affoltern.
Leben für die Wale und Delfine
Als Katharina Heyer 1998 begann, sich für die Meeressäuger an der Meerenge von Gibraltar zu engagieren, ahnte sie nicht, wie viel Widerstand ihr vor Ort entgegengebracht würde. Ihre Pläne stiessen auf Neid und Missgunst, ihr wurden immer wieder Steine in den Weg gelegt – aber sie gab nicht auf. Sie ist eine Kämpferin – der letzte Kampf, den sie gewonnen hat, ist die Verhinderung einer neuen Fähre zwischen Spanien und Marokko. Aufgeben musste sie den fünfzehn Jahre dauernden Kampf gegen den Aufbau eines Delfinresorts in Marokko. Aber einzelne Niederlagen motivieren sie, mit Leidenschaft an ihren übergeordneten Zielen dranzubleiben. Gefreut hat sie die Tatsache, dass die Roten Thunfische, die vor der Strasse von Gibraltar von japanischen schwimmenden «Schlachthäusern» industriell gefangen und verwertet werden, auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN 2021 von «gefährdet» auf «nicht gefährdet» verschoben wurden.
Durch die Meerenge von Gibraltar fahren täglich rund 300 Schiffe. Ungeachtet des Verkehrs auf dem Wasser leben Meeressäuger in dieser Region: Grindwale, riesige Finn- und Pottwale, Delfine und schwarz-weisse Orcas. Von Letzteren liest man, dass sie Segelschiffe angegriffen hätten. Katharina Heyer kennt ihre Pappenheimer. «Das sind nur Halbstarke. Flegel, die spielen wollen», lacht sie. Angst hat sie nicht. Sonst hätte sie ihre Stiftung firmm nicht so erfolgreich aufbauen können. Denn was Katharina Heyer mutig anpackt, das macht sie richtig. 2017 verlieh ihr die Universität Basel die Ehrendoktorwürde der Naturwissenschaftlichen Fakultät. Im Wörterseh-Verlag kam 2016 ein Buch über ihr Leben und Wirken mit dem Titel «Herzenssache» heraus, das heute noch gut in Deutsch und Englisch verkauft wird.
Dranbleiben und loslassen
Mit 82 Jahren tritt Katharina Heyer ein wenig kürzer als in den Sturmjahren des Aufbaus. «Ich habe in Tarifa wunderbare Mitarbeitende, mein Sohn Samuel wird mein Projekt in meinem Sinn weiterführen und viele Menschen unterstützen unsere Ziele mit finanzieller und praktischer Hilfe. Pensionierte Leute verbringen beispielsweise ein paar Wochen in Tarifa und übernehmen Aufgaben.»
Auf die Frage nach der körperlichen Gesundheit meint sie: «Das ist kein Geheimnis. Trotz 82 Jahren brennt ein Feuer der Begeisterung für meine Sache. Die Herausforderungen halten mich geistig fit. Die körperliche Fitness erhalte ich mir auf dem Boot: Treppen rauf, Treppen runter, und stets auch bei höherem Seegang das Gleichgewicht halten. Ich trinke keinen Alkohol und esse kein Fleisch, geniesse aber Gemüse, Salat und Früchte frisch vom Markt. Die direkten Kontakte mit jungen Menschen aus aller Welt, Praktikanten und Studierenden, halten mich jung.» Ihre Ärzte staunen über die körperliche Gesundheit, beispielsweise von Osteoporose keine Spur. Und mit einem Lächeln gibt sie zu: «Haare färben – ja. Meine Haare wären längst weiss, aber es macht sich irgendwie besser im Kontakt mit den Gästen auf dem Boot, weiterhin mit der ehemaligen Naturfarbe aufzutreten. Ich werde oft 60 geschätzt.»
Familienleben als Ressource
Katharina Heyer verbringt April bis Oktober in Tarifa. Diese Monate sind anstrengend, herausfordernd. Sie weiss: «Juli und August will ich einfach durchstehen.» Aber die Wintermonate bringen andere Lebensqualität: Sie ist Mutter von zwei Söhnen und Grossmutter einer kleinen Enkelin, die sie abgöttisch liebt. Wenn sie während der eher ruhigen Wintermonate im Knonauer Amt lebt, ist sie von Herzen Grossmutter und hütet die Kleine gern.
Neben den administrativen Aufgaben und der Öffentlichkeitsarbeit für firmm wandert sie beispielsweise gern um den Türlersee. Der jährliche Wechsel der Zeiten in Affoltern und in Spanien sind auch ein Faktor, der ihr gutes Altern mitprägt. Zudem ihr Interesse und ihr Engagement für den Umweltschutz. Sie geniesst den Austausch mit Meeresbiologen, anderen Wissenschaftlern, Umweltschützern und gleichgesinnten Menschen. Für ihr Engagement bekommt sie Anerkennung. Demnächst wird ein Team von «Arte» zum Filmen nach Tarifa kommen.
Ihr wird nie langweilig und ihr Tun macht Sinn. Ihr Engagement besteht aus wiederkehrenden Aufgaben und immer wieder neuen Projekten im Rahmen von firmm. Am Herzen liegt ihr auch firmm.education.org, eine Webseite, auf der beispielsweise Unterrichtsmaterialien zu Meeressäugern zur Verfügung gestellt werden. Viel Freude bereitet ihr auch der Erfolg des Bilderbuches mit «Ford, der Socke» und des Titels «Die Traurigkeit eines Wales ist tiefer als das Meer», eines Buches gegen Plastikmüll im Meer.
Katharina Heyer scheint nicht gegen das Alter anzukämpfen, sondern auf den Wellen des Älterwerdens freudvoll mitzureiten, engagiert und zuversichtlich.
Informationen: firmm.org