Viele Faktoren entscheiden über «Rot» oder «Grün»
Sommerserie (5): Wie funktioniert eigentlich ... eine Lichtsignalanlage?
Sie ist ein Brennpunkt des Strassenverkehrs in der Region, die Autobahnquerung über die A4 im Grenzbereich zwischen Obfelden und Affoltern. Wenn von Staus die Rede ist, wird dieses Nadelöhr immer schnell zum Thema, und bei vielen Teilnehmenden des Strassenverkehrs ist in Gesprächen ein latenter Frust über vermeintliche Ungerechtigkeiten bei den Ampelschaltungen spürbar.
Doch welche Technik entscheidet tatsächlich im Hintergrund, wer wann eine grüne Ampel vor sich aufleuchten sieht? Stefan Murer, beim Tiefbauamt des Kantons Zürich verantwortlich für die Lichtsignalanlagen im Gebiet West, ist zum Schauplatz gekommen, um aus erster Hand zu erklären, wie die komplexen Systeme der Ampelanlagen an solchen Knotenpunkten funktionieren.
Wir beginnen unseren Rundgang an der Einmündung Moosbachstrasse in die Obfelderstrasse auf Affoltemer Stadtgebiet. Es ist ruhig zu dieser Tageszeit, nur gelegentlich passieren einzelne Fahrzeuge die Stelle. Stefan Murer steuert auf den Drucktaster beim Fussgängerstreifen über die Moosbachstrasse zu und erklärt als Erstes die «versteckten» Funktionen solcher Anmeldevorrichtungen. «Diese Taster sind mit taktilen Vorrichtungen für Sehbehinderte ausgerüstet, man kann von unten her in den Kasten hineingreifen und einen speziellen Knopf drücken, der bei ‹Grün› eine Fläche am Gerät vibrieren lässt», führt der Projektleiter beim kantonalen Tiefbauamt aus. «In Grossstädten gibt es zum Teil Ampeln mit akustischen Signalen, aber das stört oft die Anwohnerschaft», erklärt er.
Induktionsschleifen – das Geheimnis bei den «mitdenkenden» Anlagen
Doch wenn man als zu Fuss gehende Person nun drückt und sich anmeldet, «merkt» die Lichtsignalanlage dann, ob noch Autos die Stelle passieren möchten, und wägt ab, wer nun zuerst drankommen soll? Ein kurzer Blick nach oben lässt weder Kameras noch Bewegungsmelder oder ähnliche Vorrichtungen am Signalmast erkennen. «Kamerasysteme kommen vor allem bei Baustellen zum Einsatz, hier in der Umgebung jedoch nicht», bestätigt Murer und deutet auf den Strassenbelag der Moosbachstrasse. Es sieht so aus, als ob der Belag hier mit von Hand aufgebrachtem Asphalt ausgebessert worden wäre, doch hinter diesen optischen Unregelmässigkeiten versteckt sich eine raffinierte Technik: «Im Belag sind Induktionsschleifen verlegt, die erkennen, ob sich ein metallischer Gegenstand über ihnen befindet. Diese Technik ist vergleichbar mit jener von Metalldetektoren. Wir zählen nicht die Fahrzeuge, sondern messen quasi den Bereich, der von Fahrzeugen bedeckt ist, um zu wissen, wo jemand auf eine grüne Ampelphase wartet.» Dieses System lasse sich von Schlechtwetter oder beispielsweise auch grossen Lastwagen, die die Sicht verdecken, weniger in die Irre führen als Kameras.
Stefan Murer geht ein paar Schritte weiter und öffnet einen Lichtsignal-Steuerkasten. Aufleuchtende weisse Lämpchen auf dem im Kasten angebrachten Schema der Strassenkreuzung signalisieren, dass jetzt gerade ein Fahrzeug über den Induktionsschleifen steht. Unvermittelt blinkt nun auch eine blaue Lampe an einer anderen Stelle auf. «Dies ist ein Bus, der mit seinem Sender die Ampelschaltung beeinflusst», folgt die prompte Erklärung. Der Fahrer oder die Fahrerin müsse nichts beitragen, der am Fahrzeugboden montierte Sender arbeite automatisch und ermögliche dem ÖV-Fahrzeug ein zügiges Passieren von Kreuzungen. Auch hier werde mit Bodenschleifen gearbeitet, deren Technik allerdings nicht auf Induktion, sondern auf Funksignalen basiere.
KI-Anwendungen würden momentan wenig Sinn ergeben
Ein Schalter im Steuerkasten ist auf «zentral» gestellt. «Dies bedeutet, dass die Auswertung über die Zentrale läuft, hier im Gebiet Albis steht der Gebietsrechner in Urdorf, er ist nicht mit Personal besetzt», klärt der Fachmann auf. Die lokalen Steuerkästen seien über Lichtwellenleiter (Glasfaserkabel), teils aber auch über Mobilfunk, mit dem Gebietsrechner verbunden. Dieser wiederum sei an die Verkehrsleitzentrale der Kantonspolizei in Zürich angebunden. «Im Gegensatz zum Ausland, wo bei Lichtsignalanlagen oft einfach fixe Zeiten eingestellt sind, haben wir eine spezielle Stauerkennung in unseren Anlagen. Bei Steuerungen, die mit fixen Zeiten arbeiten, kann man auch ganz leicht eine Uhr montieren, die anzeigt, wie lange es noch geht bis zur nächsten Grünphase, dies würde bei uns aber keinen Sinn machen», so Stefan Murer. «Einige Leute denken, eine solche Anzeige mit Minuten und Sekunden zeuge von fortschrittlicher Technik, dabei ist das Gegenteil der Fall», schmunzelt er. Tatsache sei nämlich: Es würde bei einem Stau erkennenden System, das dauernd aktiv versucht, den Verkehr flüssig zu halten, zu laufenden Verschiebungen in der Anzeige kommen. Ein Versuch in Bern habe das Problem deutlich vor Augen geführt. Auch einen anderen Steuerkasten im Bereich Muristrasse schliesst der für die Ampelanlagen Verantwortliche auf, um Einblick in die Mechanismen der Verkehrssteuerung zu geben. «Die Autobahnquerung hat gerade Grüne Welle, es läuft Programm 1, zu bestimmten Zeiten stellt das System aber auf ein anderes Programm um, denn beispielsweise bei sehr wenig Verkehr könnte eine Koordination mit Grünen Wellen sogar störend wirken.»
Wäre es auch möglich, eine Anwendung von KI (künstlicher Intelligenz) zu nutzen, um einen möglichst flüssigen Verkehr zu erreichen? Stefan Murer sagt: «Man hat unter anderem in Wetzikon ein KI-System für diese Zwecke ausprobiert. Das Fazit war, dass man damit keinen Quantensprung machen könnte, eine Verwendung also momentan wenig Sinn ergeben würde. Das dynamische System, das wir im Einsatz haben, hat sich sehr bewährt.»
Bisher erschienen: «Wie funktioniert eigentlich ...?»: «ein Volg-Laden» (15. Juli); «eine Deponie» (18. Juli); «eine Abwasserreinigungsanlage» (22. Juli); «ein Strom-Unterwerk» (25. Juli)