«Vielschichtig und komplex»
Diskussion rund ums Bonstetter Alterswohn-Projekt und den eigenen Spitex-Verein

Gemeindepräsidentin Arianne Moser bezeichnete das Projekt am Informationsabend (siehe Front-Artikel) als «vielschichtig und komplex». Das Bauprojekt, vorgestellt von Gemeinderat Bernhard Blümel, soll in eigener Regie von der Gewerkschaftlichen Wohn- und Baugenossenschaft Gewobag in Zürich erstellt werden. Die Genossenschaft hat dafür 2022 im Dorfzentrum mehrere Grundstücke und Gebäude erworben, darunter das denkmalgeschützte Restaurant Löwen. Voraussetzung für den Bau des Projekts ist die Genehmigung des Gestaltungsplans: Er würde der Genossenschaft erlauben, die Grundstücke höher und dichter zu bebauen, als in der Bonstetter Bau- und Zonenordnung vorgesehen. Als Ausgleich für den Mehrwert hat sich die Genossenschaft in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber der Gemeinde unter anderem verpflichtet, preisgünstige Alterswohnungen und ein Kleinpflegeheim zu erstellen, einen Spitex-Stützpunkt einzuplanen, das Restaurant Löwen weiterzuführen (u. a. künftiger Mahlzeitenlieferant für das Kleinpflegeheim) und den eingedolten Bodenfeldbach freizulegen.
Betrieben werden sollen das Kleinpflegeheim und der Spitex-Stützpunkt – ab hier wirds knifflig – mit Mietvertrag von einem neu zu gründenden Verein Spitex Bonstetten. Der Gemeinderat möchte den Verein mit einer Anschubfinanzierung ausstatten, bestehend aus drei Teilen: Auflösung des Legats Ida Gloor (575000 Franken, hierfür muss der ursprüngliche Legatszweck leicht angepasst werden), Auflösung des Legats Reichling (118000 Franken) und ein befristetes, rückzahlbares und zinsloses Darlehen der Gemeinde von 500000 Franken (ergibt die eingangs erwähnten 1,2 Mio.). «Zu einem so günstigen Angebot kommen wir nie mehr», erklärte dazu Moser mit Blick auf das Gesamtprojekt.
Umstrittene Spitex-Neugründung
In der Fragerunde am Dienstag erwies sich vor allem die geplante Neugründung eines Spitex-Vereins Bonstetten als umstritten. Mehrere Votantinnen und Votanten bezeichneten die Neugründung und den damit verbundenen Austritt Bonstettens aus der Spitex Knonaueramt als zu riskant: Wird man in Bonstetten genügend Personal finden? Was passiert mit den Legaten und dem Darlehen, wenn der neue Verein Konkurs geht?
Moser wies in der Diskussion mehrmals darauf hin, dass man gerne weiter mit der Spitex Knonaueramt zusammengearbeitet hätte. Sämtliche Gespräche seit 2020 seien aber ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Sie habe, so Moser, «mehrere hundert Stunden in dieses Thema investiert» und leider oft «keine kompetenten Ansprechpartner auf der Gegenseite gehabt». Als man sich schliesslich für einen Alleingang entschied, habe man von der Spitex Knonaueramt zu hören bekommen, dass man beweisen werde, dass das Bonstetter Vorhaben nicht funktionieren könne.
Die ebenfalls im Saal anwesende Präsidentin der Spitex Knonaueramt, Tessa Müller (sie war nach ihrer Wahl ab 2024 involviert), begründete ihr Vorgehen vor allem mit dem finanziellen Risiko, das mit dem 500000-Franken-Darlehen verbunden ist. Sie könnte es gegenüber den anderen zwölf Spitex-Gemeinden nicht verantworten, wenn man das Geld nicht zurückzahlen könnte. Die von Moser und Müller jeweils mit kleinen Spitzen garnierten Stellungnahmen endeten immerhin mit dem Versprechen, dass man sich gegenseitig keine Angestellten abwerben und den per Ende 2027 geplanten Austritt einvernehmlich über die Bühne bringen will.
Moser gab sich grundsätzlich überzeugt, dass ein Bonstetter Spitex-Verein kostendeckend betrieben werden kann. Nicht unerwähnt blieb dabei, dass die Spitex Knonaueramt (mit ihrem vergleichsweise breiten Angebot an Fachleuten) derzeit eine der teuersten Organisationen im Kanton ist.
Als Vorbild für das Vorhaben in Bonstetten (Alterswohnungen, Kleinpflegeheim und eigener Spitex-Stützpunkt) gelten zwei ähnliche, offenbar gut funktionierende Projekte der Gemeinden Grüningen und Bäretswil. Der dortige frühere Geschäftsführer Johannes Schlegel beantwortete am Dienstag in Bonstetten selber Fragen aus dem Publikum. Dabei wurde bekannt, dass Schlegel als Projektleiter in Bonstetten vorgesehen ist.
Günstige Alterswohnungen
Unstrittig ist, trotz aller umstrittener Details, dass die Bonstetterinnen und Bonstetter unbedingt in ihrem eigenen Dorf alt werden möchten. Und dass manche das momentan nicht können. Derzeit befinden sich zirka 35 Einwohnerinnen und Einwohner in auswärtigen Alters- und Pflegeheimen (vor allem in Affoltern), sieben ausserhalb des Bezirks. Die Zahl dürfte in den nächsten Jahren deutlich steigen und sich im Fall von Bonstetten bis 2045 verdoppeln.
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) geht grundsätzlich davon aus, dass im Knonaueramt bis 2040 rund 100 Pflegeplätze fehlen dürften – selbst mit Einrechnung der geplanten Betten in Bonstetten.
Was ebenfalls für das geplante Wohnprojekt spricht: die Mietpreise (Kostenmiete) für die 30 Alterswohnungen. Laut Moser wird eine 2,5-Zimmer-Wohnung zwischen 1500 und 1700 Franken pro Monat kosten, eine 3,5-Zimmer-Wohnung zwischen 1600 und 1800. Für Bonstetter Verhältnisse sehr attraktive Preise.
Und was passiert, falls an der ausserordentlichen Gemeindeversammlung im September zwar der Gestaltungsplan gutgeheissen, die Vereinsgründung Spitex Bonstetten aber abgelehnt wird? Dann dürfte die Genossenschaft das Bauprojekt dennoch realisieren und den vorgesehenen Platz für das Kleinpflegeheim und den Spitex-Stützpunkt anderweitig nutzen, so Moser.
Läuft alles wie vom Gemeinderat geplant, soll der Verein Spitex Bonstetten im Januar 2028 starten, das Kleinpflegeheim 2030. Ein Bild von den geplanten Alterswohnungen können sich die Bonstetterinnen und Bonstetter indes jetzt schon machen: Am Samstag, 30. August, können von 10 bis 12 Uhr, Im Weierächer 6 in Wettswil, von der Genossenschaft neu erstellte Wohnungen besichtigt werden.