Von einem «elektrisierten» (Berufs-)Leben
Hans Fässler war 30 Jahre am Kleinkraftwerk in Ottenbach tätig – jetzt hat er sein Präsidentenamt abgegeben
«Ich bin der falsche Präsident», sagte Hans Fässler vor einem Jahr im Interview mit dem «Anzeiger» freimütig und in Anspielung auf seine 77 Jahre, als er den Vorsitz des Vereins Historisches Kleinkraftwerk in Ottenbach HKO von Heinz Geiger übernahm. Die beiden hatten die letzten zehn Jahre den Aufbau des jetzigen Betriebs des Industriedenkmals federführend vorangetrieben. Darüber hinaus betreute Hans Fässler das Kleinkraftwerk seit Mitte der 90er-Jahre im Rahmen seiner Stelle als technischer Hauswart der Fabrik, der ehemaligen Weberei, und im Auftrag des Kantonalen Denkmalschutzes, der den umtriebigen und versierten Fachmann bald nach seinem Stellenantritt in der Fabrik mit dem Unterhalt des Kleinkraftwerks betraute. Auch für ihn lag letztes Jahr der Rücktritt auf der Hand, aber es war kein neuer Präsident in Sicht. Hans Fässler gab sich ein Jahr Zeit, um eine jüngere Crew auf die Aufgaben vorzubereiten. Das ist ihm nun gelungen. Aber wie wurde aus dem Appenzeller Hans Fässler überhaupt ein Säuliämter und schliesslich «dä Turbine-Hans»? «In meinem Berufsleben kamen die Aufgaben eigentlich immer zu mir, sagt der gebürtige Innerrhoder, dessen Ostschweizer Dialekt auch 40 Jahre Säuliamt nichts anhaben konnten. Bevor er seine Jugendjahre in der Stadt St. Gallen verbrachte, wuchs er die ersten fünf Jahre in Appenzell auf, wo es ihn heute noch an die Landsgemeinde zieht. Wenn er auch nicht mehr im Ring stehen kann, ist ihm das urdemokratische Ritual doch wichtig, dazu gehört auch die gute Verpflegung am Stammtisch im traditionsreichen Gasthof.
Eine Berufslaufbahn mit Hindernissen
Nach einer Elektriker-Lehre bei der Firma Grossenbacher stand die RS an, aber statt einzurücken, verbrachte er mehr als 17 Wochen im Spital. Die erste Hirnblutung hatte ihn ausser Gefecht gesetzt. Ausser dass ihm danach für zwölf Jahre der Geruchssinn fehlte, erholte er sich davon gut. Statt auf Baustellen körperlich anstrengende Arbeit zu verrichten, wurde er zum Kundenberater im Elektrofachhandel. Sein offenes und kommunikatives Wesen kam ihm dabei zugute. Sein Auge für Design und Gestaltung fiel auch dem Chef auf, und er förderte den jungen Hans persönlich. Für zwei Jahre konnte er am heutigen Zentrum für Gestaltung in Ulm eine Ausbildung absolvieren. Als Entwickler und Designer von Lampen setzte er seine Laufbahn bei der Firma Saxer fort, die in Gland/VD hochwertige Leuchten herstellte. Seine Lampen konnte er zu Hause entwickeln und musste nur ab und zu einige Tage am Firmensitz in der Westschweiz verbringen. Die Arbeit beinhaltete aber auch viele Messebesuche. «Den ganzen Januar über war ich jeweils in Paris. Paris lag mir schon, Französisch weniger, aber der Chef war ja auch noch da», meint Hans Fässler verschmitzt. An den Messen in Mailand und Frankfurt war er eloquenter.
Täglich von St. Gallen nach Obfelden gependelt
In St. Gallen arbeitete er Teilzeit als Berufsschullehrer für Elektriker und Elektrofachverkäufer. Junge Menschen zu fördern, gefiel ihm besonders gut. Ausserdem engagierte er sich während acht Jahren im Stadtparlament. Diese politische Arbeit gab er erst auf, als er seine Schriften schliesslich ins Säuliamt verlegte. 1986 hatte er eine Stelle bei Funk und Meier in Obfelden angenommen, während fünf Jahren pendelte er täglich zwischen St. Gallen und Obfelden hin und her. Als er den Bezirk Affoltern schliesslich zu seinem Lebensmittelpunkt machte, fanden ihn rasch weitere Engagements. Während zwölf Jahren organisierte und jurierte er bei den Kunstausstellungen der Gemeinnützigen Gesellschaft mit. «Durch meine diversen Engagements kenne ich unglaublich viele Leute hier im Amt», sagt Hans Fässler, der schliesslich auch sein privates Glück hier fand.
Frohnatur trotz körperlicher Rückschläge
Gesundheitlich spielte er allerdings nicht auf der Sonnenseite. Die zweite Hirnblutung ereilte ihn mit 34, die dritte mit 55. Erst dann diagnostizierte man bei ihm Zystennieren, die offenbar auch für schwache Gefässe im Kopf verantwortlich sind. «Kurzschlüsse» sozusagen, auf die er in seinem «Stromerleben» gerne verzichtet hätte. Lange Jahre mit Dialyse waren die Folge, bis er schliesslich eine Spenderniere erhielt. Trotz weiterer gesundheitlicher Probleme ist Hans Fässler ein positiver Mensch, stets gut gelaunt und einem Schwatz nicht abgeneigt.
Verdienste um technisches und kulturelles Erbe und die Störche
Die Stelle als technischer Hauswart bei der Firma Haas in Ottenbach übernahm er Mitte der 90er-Jahre, weil er zugunsten seiner Gesundheit erneut kürzertreten musste. Kürzertreten liegt aber nicht in seiner Natur. Schon bald baute er die Ladeneinrichtungen selbst. Nachdem Lothar das Storchennest auf dem Fabrikkamin ramponiert hatte, installierte Hans Fässler eine selbst geplante, neue Verankerung, so wurde er auch zum Hüter der zunehmenden Storchpopulation rund um die Fabrik. «Toti Vögel hani müese uf Bärn iischigge, da hani amigs ganzi Büechli mit Analyse vom Mageinhalt übercho, u. a. Robidog-Säck», stellt der Vogelschützer trocken fest.
Und da war auch noch dieses Kleinkraftwerk, das einst die Webstühle der Weberei Hürlimann, später Haas, antrieb. Dieser Zweck des Kleinkraftwerks streicht Hans Fässler heraus, ihm ist wichtig, dass das Kleinkraftwerk keinen Selbstzweck hatte, damit wurden Stoffe industriell produziert. Die Seidenwaage, die er damals von Fabrikinhaber Haas senior, zusammen mit Musterbüchern der Weberei erhalten hat, hat Hans Fässler ins Inventar des Kleinkraftwerks gegeben. Seinen Nachfolgern legt er ans Herz, bei Führungen nicht nur die Technik zu beleuchten, sondern auch die Stoffproduktion, damit steige das Interesse am Historischen Kleinkraftwerk auch beim modeinteressierten Publikum. Hier schliesst sich auch der Kreis wieder, für Hans Fässler ist die Technik umso interessanter, wenn auch das Design stimmt und umgekehrt, wie das zum Beispiel bei der Jugendstil-Schalttafel im Historischen Kleinkraftwerk Ottenbach der Fall ist. Am nächsten Mühlentag, am 31. Mai, kann sich das Publikum davon überzeugen.
Stabsübergabe beim Verein Historisches Kleinkraftwerk Ottenbach
Anlässlich der GV Mitte April 2025 hat Bruno Wiederkehr aus Hedingen das Präsidium von Hans Fässler übernommen. Ihm zur Seite steht eine Handvoll Vorstands- und Vereinsmitglieder, die die Geschicke des Industriedenkmals in Ottenbach künftig leiten werden. Zu den Aufgaben des Vereins zählen der Unterhalt im Auftrag des Denkmalschutzes des Kantons Zürich und die Führungen für Interessierte, die meist einen Spaziergang zum längsten Streichwehr im Kanton Zürich beinhalten und die Inbetriebnahme der 105-jährigen Francis Turbine zur Stromproduktion. «2024 konnten wir insgesamt 24 Führungen durchführen», erzählt der abtretende Präsident beim Rückblick auf seine Tätigkeit stolz. Pro Führung brauche es zwei bis drei Vereinsmitglieder, die rund drei Stunden im Einsatz seien, das ergebe eine beachtliche Präsenzzeit. Hinzu kommt der Zeitaufwand für Unterhalt und Reparaturen, die Turbine wird alle 14 Tage in Betrieb genommen, um Standschäden zu vermeiden. Die Unterhaltsarbeiten werden vom Kanton abgegolten, der Rest ist Freiwilligenarbeit. Besondere Einsätze erfordern die Hochwasser, die in den letzten Jahren zunahmen. «Natürlich werde ich bei solchen Extremsituationen zur Stelle sein, wenn es mich braucht, aber sonst bin ich jetzt nur noch Passivmitglied», sagt Hans Fässler, der die Gefahren bei Hochwasser für das Kleinkraftwerk die letzten 30 Jahre miterlebt hat. Die Arbeit von Hans Fässler, der zusammen mit Heinz Geiger zu den Gründungsmitgliedern des Vereins im Jahre 2013 gehört, wurde von Bruno Wiederkehr herzlich verdankt.
Christine Häusermann