Von Hochwacht zu Hochwacht
Sommerserie «Hoch hinaus», Teil 4: auf dem Albisgrat nach Süden
Der Albiskamm trennt das Knonauer Amt von der Region Zimmerberg. Der Weg hinauf ist teilweise sehr steil, insbesondere auf der Seeseite im Bereich der Fallätschen. Menschen wurden in allen Besiedlungsphasen seit der Jungsteinzeit viel früher am See als im Reppischtal sesshaft und suchten den Weg vom unteren Seebecken auf die Albiskette, sei es, um Angriffe vom oberen Zürichsee her früh zu entdecken, sei es, um bei Angriffen Schutz zu finden. Am leichtesten begehbar waren die Wege von Albisrieden auf den Üetliberg, der als erster Teil des Albiskamms seit der Jungsteinzeit (ab 5000 v. Chr.) begangen wurde. Eine spätbronzezeitliche Siedlung (1200–800 v. Chr.) ist mit über 40000 Fundstücken belegt. Die einzelnen Siedlungen in der Jungsteinzeit und der Bronzezeit bestanden allerdings jeweils nur für wenige Generationen. Erstmals für eine längere Zeit durchgehend bewohnt war der Üetliberg zwischen etwa 500 und 250 v. Chr., als hier eine keltische Zentralsiedlung stand, die von archäologischen Funden belegt wird.
Militärische Nutzung des Üetlibergs
Vermutlich eignete sich der Üetliberg allerdings auch in Zeiten, in welchen er nicht ständig besiedelt war, für militärische Zwecke, insbesondere als Hochwacht, von der aus die Gegend beobachtet werden konnte, vielleicht auch öfters als Fluchtburg. Dies scheint zur Römerzeit so gewesen zu sein. Vermutlich wurden römische Bauten oder Ruinen auch noch im Frühmittelalter (5.–11. Jahrhundert n. Chr.) genutzt. In dieser Zeit begann wohl die Besiedlung der Buchenegg, vermutlich von Tägerst her, denn Buchenegg und Tägerst bildeten später zusammen formell eine Bürgergemeinde und zählten beide von Beginn weg zur Kirchgemeinde Stallikon.
Archäologische Ausgrabungen
Schriftlich erwähnt wird eine Üetliburg in einem vermutlich zwischen 1210 und 1217 verfassten Güterverzeichnis, wobei es sich vermutlich um Ruinen handelte, denn die archäologischen Ausgrabungen lassen vermuten, dass der Bau dieser Burg anlässlich der Ungarneinfälle in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts aufgenommen, aber nie fertiggestellt wurde.
Zwischenfazit: Während rund 6000 Jahren wurde der Üetliberg wohl regelmässig als Hochwacht genutzt, oft auch als Fluchtburg sowie gelegentlich für dauerhaftes Wohnen und Arbeiten. Auf dem Albisgrat weiter in Richtung Süden wurden aber bis ins Frühmittelalter keine Zeugnisse menschlichen Lebens gefunden.
Erschliessung vom Knonauer Amt her
Im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts wurde die erstmals 1185 erwähnte Schnabelburg gebaut. Die hier ansässigen Freiherren nannten sich «von Eschenbach-Schnabelburg». Von hier scheint kein Weg zum Albis geführt zu haben, die Erschliessung erfolgte über den Weg von Heisch über die Schnabellücken nach Sihlwald und Langnau. Die Schnabelburg erlaubte einen guten Blick in die Innerschweiz, von woher die grösste Gefahr drohte durch Söldner, die immer wieder auf Beutezügen die Gegend der späteren Landvogtei Knonau durchstreiften. Ab dem Alten Zürichkrieg (1439–50), als sich Schwyz an den oberen Zürichsee ausweiten konnte, stieg die Gefahr von Angriffen von Süden her auf die Stadt Zürich auf dem Land- und dem Wasserweg. Damit gewann der Üetliberg als Hochwacht-Standort weiter an Bedeutung.
Spätestens im 15. Jahrhundert wurde der Albispass mit einem Fuss- und Saumweg erschlossen, vielleicht auch als Folge des Alten Zürichkriegs, um Truppen rascher über die Albiskette verschieben zu können. Der Weg führte auf dem heutigen Fussweg von Türlen hoch und auf der anderen Seite ebenso steil hinunter zum Unteralbis oberhalb von Langnau. Wagen waren auf dieser Strecke ausgeschlossen.
Ein Netz von Hochwachten
Nicht zuletzt als Folge der Reformation, die als Vorwand für zahlreiche weitere Kriege zwischen Zürich und Schwyz während gut dreier Jahrhunderte diente, baute Zürich sein Netz an Hochwachten zur Überwachung des ganzen Herrschaftsgebietes aus, ähnlich wie etwa die Städte Luzern, Freiburg und insbesondere Bern. Zum Üetliberg gesellte sich die Hochwacht nördlich der Schnabelburg, auf Langnauer Boden direkt an der Grenze zu Hausen gelegen.
Die Hochwacht liegt auf 878 m ü. M., acht Meter höher als Üetliberg Kulm in einer Entfernung von knapp zehn Kilometern Luftlinie. Topografisch zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie direkte Sichtverbindungen zum Üetliberg, zu Zürich, zum Pfannenstil, zum Zimmerberg, zum Schloss Wädenswil zuliess. Auch mit dem Klosteramt Kappel und dem Landvogteischloss in Knonau war Sichtverbindung möglich, wobei diese beiden regionalen Machtschwerpunkte nicht Teil des Netzes mit 23 Standorten zur Verteidigung der Stadt Zürich waren. Die Standorte verfügten in der Regel über eine bemannte Wachthütte und oft einen Wachtturm. Mit einem Visierinstrument wurden die benachbarten Stationen exakt lokalisiert, damit eine Feuersbrunst nicht irrtümlich als Zeichen gewertet wurde. Nachts wurden die Signale mit Feuerschein übermittelt, tagsüber mit Rauch, bei Nebel mit Geschützdonner.
Erste befahrbare Strasse über den Albis
Erst im 18. Jahrhundert wurde der Albispass mit einer neuen Strasse, auf deren Trassee die heutige Passstrasse weitgehend verläuft, für Kutschen befahrbar gemacht. Bis dahin war der Verkehr über den Albis bescheiden, die Verbindung von Zürich in die Innerschweiz führte auf dem See nach Horgen und von dort über Sihlbrugg nach Zug. Im 19. Jahrhundert wurden die Wege ausgebaut, unter anderem eine durchgehende Verbindung zwischen der Hochwacht und dem Üetliberg erstellt.
Seit der Gründung des Schweizer Bundesstaates 1848 drohte keine Gefahr mehr aus der Innerschweiz. Die militärische Nutzung der Albiskette wich nun zivilen Bedürfnissen, zuerst als Verkehrs- und Transportweg zu wirtschaftlichen Zwecken, später immer mehr für Wanderungen in der Freizeit. Die beiden Türme dienen nun als Aussichtspunkte ausschliesslich zum Vergnügen.






