Weniger arbeiten - oder doch nicht?

In fünf Wochen kommt die 38-Stunden-Woche vors Volk – eine Analyse zur Ausgangslage

Wie viele Stunden wird das Personal der Stadt Affoltern künftig arbeiten? (Archivbild Thomas Stöckli)
Wie viele Stunden wird das Personal der Stadt Affoltern künftig arbeiten? (Archivbild Thomas Stöckli)

Arbeiten die Angestellten der Affoltemer Stadtverwaltung bald nur noch 38 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Lohn? Ja – wenn es nach dem Stadtrat geht. Nein, – wenn es nach bürgerlichen und gewerbezugewandten Kreisen geht. Die Stimmberechtigten haben am 3. März die Wahl. Profitieren würden rund 350 Mitarbeitende. Ausgenommen sind die 150 Lehrpersonen der Primarschule, weil sie dem kantonalen Lehrpersonalrecht unterstehen.

Nach aufgeladenen Diskussionen im Sommer hatte sich die Debatte zunächst etwas abgekühlt, bevor sie Anfang Dezember an der Budgetversammlung der Stadt erneut hochkochte: 1,15 Millionen an Mehrkosten waren 2024 für die Einführung der 38-Stunden-Woche vorgesehen, was der Hälfte der jährlich prognostizierten Kosten entspricht; bei einem Ja würde die neue Arbeitszeit ab Juli 2024 gelten. Diese Kröte wollten die Stimmberechtigten so nicht schlucken: Alt ­Nationalrat Toni Bortoluzzi (SVP), der von 1986 bis 1998 selber als Affolterns Gemeindepräsident geamtet hatte, stellte einen Änderungsantrag, dem die grosse Mehrheit der Anwesenden folgte: Entsprechend mussten die veranschlagten 1,15 Millionen wieder aus dem Budget gestrichen werden. Was seine Folgen betrifft, kommt das Machtwort jenes Abends indes eher ­einem Schienbein-Kick als einem Knock-out gleich: Schmerzhaft (und ein wenig demütigend), aber verkraftbar. Würde die 38-Stunden-Woche genehmigt, wäre das Geld zwar offiziell nicht budgetiert, fällig würde es trotzdem.

Vorentscheid oder Wut der Minderheit?

Handelte es sich beim erwähnten Denkzettel um die Meinung des Durchschnitts oder eher um den Frust einer polternden Minderheit? Lediglich 2,8 Prozent der Stimmberechtigten waren am erwähnten Dezember-Abend anwesend (201 von 7286 Personen). Und mit Sicherheit hatte die Budgetversammlung auch Vertreter aus dem Nein-Lager mobilisiert, die sonst nicht zu den Stammgästen zählen. An der Urne wird die Stimmbeteiligung selbstredend höher sein. 2023 lag sie in Affoltern durchschnittlich bei rund 38 Prozent.

Andererseits dürfte dem Pro-Komitee an jenem Abend kaum in die Hände gespielt haben, dass am Horizont des finanziell klammen Bezirkshauptorts bereits die nächste Steuererhöhung erschien: Noch vor der Budgetdebatte wurde den Anwesenden eröffnet, dass der Steuerfuss in der Sekundarschulgemeinde Affoltern/Aeugst wohl nicht mehr zu halten sein wird. Ab 2025 muss er angehoben werden, aller Voraussicht nach um 2 Prozentpunkte. Diese Tatsache könnte auch moderat gestimmte Bürgerinnen und Bürger nachdenklich gemacht haben.

Den beiden Komitees bleiben noch fünf Wochen, um die Stimmberechtigten von ihren Positionen zu überzeugen. Beide Seiten haben bisher eher verhalten mobilisiert: Der Gewerbeverein Affoltern und der Arbeitgeberverband Bezirk Affoltern äusserten sich in der Öffentlichkeit vor allem auf Anfrage zur Thematik. Beide lehnen die Vorlage ab. Ihren Unmut äusserten einzelne Mitglieder im Herbst in Briefen an den Stadtrat.

Das Pro-Komitee, bestehend aus Grünen, SP und EVP, veranstaltete am 10. Januar einen Info-Anlass. Die Stadt Affoltern selbst kündigte für den 31. Januar ein Erklärvideo an. Darin sollen die Argumente beider Lager dargelegt werden.

Zwei Tage davor, am kommenden Montagabend, dürfte die Debatte im ­Kasinosaal Affoltern ihren vorläufigen Höhepunkt finden. Dann lädt die Stadt zum öffentlichen Info- und Diskussionsanlass. Nach der Gemeindeversammlung im Dezember wird es die zweite Möglichkeit sein, beim Volk den Puls zu fühlen. Das Pro-Referat hält Stadtpräsidentin Eveline Fenner, wie bereits an der Veranstaltung vom 10. Januar. Für die ­Gegenseite schicken der Arbeitgeberverband und der Gewerbeverein Affoltern den Unternehmer Peter Feuz ins Rennen. Er ist Geschäftsführer von SHS Haustechnik in Mettmenstetten. Ebenfalls auf dem Podium Platz nehmen werden Christoph Bader von der Uni Bern sowie Arbeitgeberverbands-Präsident Thomas Naef und ein Vertreter des Gewerbevereins Affoltern. Die Stadt rechnet erneut mit medialem Interesse: Pressevertreter waren gebeten, sich anzumelden – ungewohnt im Lokaljournalismus, wo Veranstalter in der Regel dankbar sind, wenn überhaupt jemand über ihre Anlässe schreibt.

Beide Lager zeigen sich optimistisch

Wie fest werden die beiden Lager in den Wochen vor der Abstimmung noch mobilisieren? «Da kommt noch was», kündigt René Ammann, Präsident des Gewerbevereins Affoltern, an. Mit Inseraten und Flyern, so glaubt er, sollte die Mehrheit zu überzeugen sein. Von den beiden Renteninitiativen, die am 3. März ebenfalls zur Abstimmung kommen, erhofft er sich Rückwind: «Es geht nicht auf, immer nur mehr zu wollen.» Auch das Pro-Komitee will in den kommenden Wochen Präsenz ­markieren. Was Veranstaltungen be­treffe, setze man nun auf die Info-Veranstaltung des Stadtrats, sagt Martin Gallusser, alt Stadtrat und Präsident der SP Affoltern. Danach laufe eine Kam­pagne mit Inseraten, Plakaten und ­Flyern an. Im Hinblick auf den Abstimmungs­sonntag zeigt er sich optimistisch: «Wir haben starke Argumente, die die ­Vorlage des Stadtrats stützen.»

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern21.07.2025

Ein Treffen mit der Bildungs­direktorin brachte die Wende

Wie das Säuliamt doch noch zu seinem Kantonsschulprovisorium kam
Bezirk Affoltern21.07.2025

Architekt drohen zehn Monate Gefängnis

Prozess in Affoltern wegen Betrugsvorwurf rund um Eigentumswohnungen
Bezirk Affoltern21.07.2025

Feuerwerksverbot: Handel im Bezirk mässig betroffen

Manor verzichtet dieses Jahr auf den Verkauf von Feuerwerk, Drogerie Rütimann macht weiter