Wer die Wahl hat…

Kappels Bevölkerungszahl ist in den letzten zwölf Jahren um 50 Prozent gewachsen. Das spiegelt sich nun erstmals auch in den Gemeinderatswahlen am 15. April wider. Um die vier Sitze bewerben sich zwei Kandidatinnen und vier Kandidaten, die sich am Freitagabend vorstellten.

Wahlpodium Kappel mit den Gemeinderatskandidaten. Von links: Martin Hunkeler, Jakob Müller, Carolina Hauser Häberling, Salvatore Nava, Gesprächsleiter Martin Mullis, David Vogelsanger, Heidi Hui und (verdeckt) Marion Ackermann. (Bild Martin Platte
Wahlpodium Kappel mit den Gemeinderatskandidaten. Von links: Martin Hunkeler, Jakob Müller, Carolina Hauser Häberling, Salvatore Nava, Gesprächsleiter Martin Mullis, David Vogelsanger, Heidi Hui und (verdeckt) Marion Ackermann. (Bild Martin Platter)

Der kleine Mühlesaal platzte fast aus den Fugen. Etwa 140 Personen interessierten sich für die Wahlkandidaten, was auch damit zusammenhängen mag, dass dem Kappeler Gemeinderat eine Zäsur bevorsteht. Von den Bisherigen Kurt Bär, Hans Arnold, Rosmarie Gantenbein, Heidi Hui und Markus Kunz (Schulpräsident mit Einsitz im Gemeinderat) möchte einzig Hui weitermachen. Für die fünf Sitze haben sich drei Kandidatinnen und vier Kandidaten aufstellen lassen: Carolina Hauser Häberling, Heidi Hui, Martin Hunkeler, Jakob Müller, Salvatore Nava und David Vogelsanger. Vogelsanger und Müller kandidieren zudem fürs Gemeindepräsidium. Die bisherige Schulpflegerin Marion Ackermann will die Nachfolge von Schulpräsident Markus Kunz antreten und gilt mangels Alternative als gesetzt.

Zu Beginn die Gretchenfrage

Gesprächsleiter Martin Mullis begann gleich mit der Gretchenfrage an die Kandidaten: Wieso sollte man gerade Sie als Gemeinderat bzw. -präsident wählen? Martin Hunkeler, mit seiner Familie erst vor wenig mehr als einem Jahr in die Gemeinde gezogen, sieht sich als Repräsentant der Neuzuzüger. Aufgewachsen ist der 1971 geborene Bankangestellte in Rüschlikon und hat zuvor in Zug gewohnt. Er sagte: «Ich will mich dort engagieren, wo meine beiden Kinder bald zur Schule gehen werden und wir als Familie den nächsten Lebensabschnitt verbringen wollen.» Jakob Müller ist in Uerzlikon aufgewachsen. Der dreifache Vater und sechsfache Grossvater strich seine Tätigkeiten in den verschiedensten Funktionen für die Gemeinde und in der Landwirtschaft heraus. Diese Kenntnisse und Erfahrungen möchte der 60-jährige Meisterlandwirt in seine Behördentätigkeit einbringen. Ähnlich argumentierte Carolina Hauser Häberling. Die 54-Jährige ist in der Gemeinde aufgewachsen, hat vier Kinder und sechs Grosskinder. Mehr als 20 Jahre engagierte sie sich in der Bibliothek Kappel, war acht Jahre Mitglied der Kappeler Rechnungsprüfungskommission und arbeitet in der Buchhaltung ihres Familienbetriebs in der Baubranche. Salvatore Nava (51) wiederum lebt seit fünf Jahren in Uerzlikon. Der gebürtige Neapolitaner ist aber schon seit 30 Jahren in der Schweiz, hat vier erwachsene Kinder, einen Abschluss in Elektrotechnik und arbeitet bei den SBB im Bereich Signalisations- und Sicherheitstechnik. Er wäre gewissermassen die Stimme der zahlreichen Neuzuzüger mit ausländischen Wurzeln. David Vogelsanger, geboren 1954, ist seit 40 Jahren im öffentlichen Dienst, davon seit 30 Jahren im diplomatischen Corps des Bundes und hat in dieser Eigenschaft die meiste Zeit im Ausland gelebt. Auch jetzt noch: Der in Zürich aufgewachsene Vogelsanger ist Schweizer Botschafter in Neuseeland. 1964 habe sein Vater in Uerzlikon ein Bauernhaus gekauft, das Vogelsanger als «Heimat der Familie» bezeichnet. Selbstredend will er sein grosses Kontaktnetz in eine allfällige Tätigkeit als Kappeler Gemeindepräsident einbringen. Heidi Hui (57) ist in Zürich geboren und kam vor 25 Jahren ins Säuliamt. 20 Jahre hat sie in Hausen als Personalverantwortliche für Weisbrod Zürrer gearbeitet und ist seit vier Jahren Gemeinderätin. Marion Ackermann (45) ist vor zehn Jahren mit ihrer Familie nach Kappel gezogen, hat drei Kinder und ist Tierärztin. Seit sechs Jahren ist sie in der Schulpflege und sagt: «Es ist für mich ein Privileg, die Kinder hier in die Schule schicken zu können.»

Von Mullis gefragt, welche Visionen die beiden Präsidentschaftskandidaten denn für Kappel in der kommenden Dekade haben, sagte Müller: «Bedingt durch das rasche Bevölkerungswachstum in der Gemeinde stehen wir vor der Herausforderung, keine Schlafgemeinde zu werden.» Vogelsanger sagte, er halte es nach dem früheren Deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt, den er sehr bewundert habe. Nach seinen Visionen gefragt, habe dieser mal geantwortet, «Wenn er eine Vision habe, nehme er ein Aspirin und gehe zu Bett.» Grundsätzlich stimmte Vogelsanger Müller aber zu, was den Siedlungsdruck und das Bevölkerungswachstum betreffe.

Vage Antwort zum Rücktritt als Botschafter

Spontan fragte jemand aus dem Publikum Vogelsanger, ob das Amt des Gemeindepräsidenten mit seiner noch laufenden Tätigkeit als Schweizer Botschafter in Neuseeland vereinbar ist. Vogelsanger antwortete: «Falls ich gewählt werde, würde ich am folgenden Tag beim Bundesrat meinen Rücktritt einreichen.» Auf das Nachhaken, wie schnell denn das gehen würde, blieb Vogelsanger vage: Er gehe davon aus, dass er etwas früher pensioniert werden könne, da er einige Dienste in Krisengebieten geleistet habe.

Auf Mullis’ Frage, ob sich demnächst Gemeindefusionen oder sogar eine «Grossgemeinde Oberamt» aufdränge, winkten alle Kandidaten ab. Eine Votantin wollte wissen, wie die Kandidaten zum Bezirksspital Affoltern stehen. Hunkeler sagte: «Es gibt andere Gemeinden, die näher am Spital Affoltern sind. Wir haben das Spital in Baar näher.» Man könne nicht auf Teufel-komm-raus erhalten, was sich nicht lohne. Müller würde sich für den Erhalt des Bezirksspitals einsetzen: «Es liegt mir am Herzen, ich bin dort zur Welt gekommen. Aber wir sind alle auch Unternehmer», sagte er vieldeutig. Ihn stört die Stimmungsmache, die kein objektives Bild vermittelt, wie es tatsächlich um das Spital steht. Und Äusserungen, die Gemeinden erhielten viel Geld, wenn sie das Spital fallenliessen. Er glaube, dass es Konzepte gibt, die eine Erhaltung sichern könnten. Hauser Häberling schloss sich den Argumenten Müllers an, vermutet jedoch, dass sich das Spital in der heutigen Form nicht halten kann.

Bezirksspital: Fass ohne Boden

«Spezialisierung könnte die Lösung sein, zum Beispiel im Palliativ-Bereich», sagte Hauser Häberling. Mit einem Austrittsbeschluss von Hedingen werde es allerdings schwierig, das Spital zu halten. Nava erinnert sich: «Als Einwohner erlebte ich die Spitalschliessung in Cham, die ebenfalls sehr emotional diskutiert wurde.» Inzwischen sei das Spital privatisiert. Der Entscheid liege in der Hand des Stimmvolkes. Vogelsanger meinte: «Die Spitalfrage ist die schwierigste, die auf die künftige Behörde und die Stimmbürger zukommt.» Sehr viele emotionale Bindungen bestünden zum Bezirksspital. Andererseits dürfe es kein Loch ohne Boden werden. «Schon jetzt geht ein namhafter Teil des Gemeindebudgets an den Spital.» Hui schloss sich dem Votum an und ergänzte: Das Spital sei bereits ein Fass ohne Boden. Sie bedauert, dass die Zahlen bis heute nicht genügend transparent präsentiert werden konnten und kein gangbarer Weg in Sicht sei. Ackermann: «Ich bin die Einzige, die keine Affinität zum Spital Affoltern hat. Ich gehe nach Baar.»

In der Frage nach der geplanten Mauer um die Kloster-Domäne in Kappel gaben sich die Kandidaten pragmatisch bis witzig. Müller: «Wenn man die Fakten kennt, dann muss man die Mauer nehmen, um die 12,5 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds zu erhalten.» Hui pflichtete dem bei: «Tatsache ist, dass ein Wettbewerb gewonnen wurde, mit Mauer, der Bedingung für den Lotteriefonds ist.» Sie sehe zwar den Widerspruch zur Offenheit, aber auch die Notwendigkeit der Investitionen. Nava nahms mit Humor und sorgte für Heiterkeit im Saal: «Die Mauer bauen und nach Amerika exportieren.» Historiker Vogelsanger äusserte sich skeptisch gegenüber dem Mauerbau, mit Verweis auf den turbulenten Werdegang der Klosteranlage. Gegenteiliger Meinung war Hauser Häberling, die auf dem Klosterareal aufgewachsen ist. Sie sagte: «Ich habe die Mauer stets gut gefunden, weil sie etwas Schützendes und Bewahrendes hat.»

Bevorzugung von Kandidaten

Die Frage nach der politischen Ausrichtung beantwortete Ackermann mit rechtskonservativ. Hui zieht es in die bürgerliche Richtung. Vogelsanger ist seit 20 Jahren Mitglied der SVP. Nava erklärte, dass er stets Menschen und Anliegen und nicht Parteien wähle. Sein Denken sei dem Freisinn wohl am nächsten. Hauser Häberling wählt vor allem mitte-links und grünliberal. Müller war einst in der BDP, ist aber wieder ausgetreten. Er ist ein Freund einer starken Mitte, aber eher rechts davon. Hunkeler bezeichnete sich als wertkonservativ, mit einem Schuss Liberalismus. Eine Votantin wollte wissen, was es mit dem von Gemeindepräsident Kurt Bär und Gemeinderat Hans Arnold promoteten «Viererticket» Vogelsanger, Hui, Ackermann und Hunkeler auf sich hat. «Weil wir die gleichen Werte vertreten. Das Ticket existiert nur bis zu den Wahlen am 15. April. Dann sind wir wieder offen», erklärte Vogelsanger. Müller und Hauser Häberling äusserten sich nicht erfreut über diese einseitige Bevorzugung von Kandidaten. Das Stimmvolk hat Mitte April die Möglichkeit, dies an der Urne zu korrigieren.

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