Wie eine Gemeinderätin in Hausen zu einem neuen Grundstück kam

Gemeindenahe Stiftung verkauft Haus unter der Hand – zum Wohl der Stiftung, wie der Stiftungsrat betont

Im Haus an der Zugerstrasse 3 sind zwei Mietwohnungen untergebracht. (Bild Livia Häberling)

Im Haus an der Zugerstrasse 3 sind zwei Mietwohnungen untergebracht. (Bild Livia Häberling)

An der Zugerstrasse 3 in Hausen steht, etwas zurückversetzt, ein Haus mit hellbeigen Schindeln und dunkel­grünen Läden. Während der Jahrzehnte hatte die Liegenschaft der Widmer-Frick-Stiftung gehört. Wer im Internet nach Informationen über diese Stiftung sucht, wird wenig finden, aber zumindest dies: Sie wurde im Jahr 1962 gegründet und unterstützt kommunale oder regionale Organisationen, die sich der ambulanten Kranken- und Betagtenpflege in der Gemeinde Hausen annehmen.

Die offizielle Postadresse lautet auf die Gemeinderatskanzlei Hausen. Dem Stiftungsrat gehören drei Personen an: Christoph Rohner, der als Stiftungsratspräsident amtet, Maya Langhi und ­Stefan Gyseler. Alle drei sind zugleich in der Gemeinde in unterschiedlichen Funktionen engagiert. Rohner als Gemeinde­schreiber, Langhi als Gemeinderätin und Gyseler als Gemeinde­präsident.

In dem Haus an der Zugerstrasse sind zwei Wohnungen untergebracht. Vor einigen Tagen wurde dem «Anzeiger» zugetragen, die beiden Parteien hätten eine neue Vermieterin. Eine Hausemer Gemeinderätin habe die Liegenschaft gekauft. Der Blick ins Grundbuchamt bestätigt dies: Das Grundstück ist auf ein Immobilienverwaltungsunternehmen eingetragen, das ihr und ihrem Ehemann gehört. Überschrieben wurde das Haus Mitte November 2023.

Mit anderen Worten: Ein Stiftungsrat mit Personen, die zugleich in der politischen Gemeinde engagiert sind, hat einer Amtskollegin ein Haus verkauft. Die Öffentlichkeit nahm davon keine Notiz und hatte selber keine Möglichkeit, um das Haus mitzubieten, weil es gar nicht auf den Markt kam. Wie kam es dazu?

Ursprünglich finanzierte die Stiftung eine Krankenschwester für Hausen

«Da muss ich etwas ausholen», sagt Christoph Rohner anderntags am Telefon. Der Stiftungsrat habe ebenfalls erwogen, den Verkauf öffentlich zu thematisieren, habe dies dann aber wieder verworfen. Unter anderem, weil es der Philosophie der Gründerin entspreche, die Stiftungsaktivitäten eher diskret zu kommunizieren.

Die Widmer-Frick-Stiftung wurde im Jahr 1962 von Frau Widmer-Frick, der Witwe eines Industriellen, ins Leben gerufen. Sie wurde als gemeindenahe Stiftung gegründet, wie es damals noch üblicher war. Das heisst: Nach Widmer-Fricks Willen sollte der Stiftungsrat aus zwei Gemeinderatsmitgliedern (praxisgemäss dem Sozialvorsteher und dem Gemeindepräsidenten) bestehen. Hinzu kommt der Gemeindeschreiber, der als Präsident amtet.

Das Stiftungsvermögen bestand bei der Gründung aus mehreren Immobilien. Der Zweck der Stiftung lag seit je im Gesundheitsbereich: Konkret finanzierte die Stiftung damals eine Krankenschwester für Hausen, die auch in einer dieser Liegenschaften wohnte. Die Zeit habe diese Art der Krankenpflege jedoch überholt, sagt Christoph Rohner. Veränderungen im Gesundheitssystem und in der Finanzierung hätten dazu geführt, dass der ursprüngliche Zweck der Stiftung nicht mehr einzuhalten gewesen sei. Deshalb wurde er bereits im Jahr 2006 angepasst. Danach sei über längere Zeit die Spitex Knonaueramt mit ­einer jährlichen Spende von 25000 Franken bedacht worden. Inzwischen sind es pro Jahr noch 20000 Franken, die auf mehrere Organisationen verteilt werden: Zuletzt wurden das Nachbarschaftshilfe-Projekt «Kiss» und die Stiftung «WaBe» unterstützt. Zudem hat die Widmer-Frick-Stiftung ein dreijähriges Pilot-Projekt für das Café Palaver in Hausen finanziert.

Die Stiftung gab mehr aus, als sie mit Grundstücken einnahm

Dass die Stiftung ihre jährliche Spenden-Summe zuletzt senken musste, ist laut Christoph Rohner auf deren finanzielle Situation zurückzuführen: «Die Stiftung hat in der Vergangenheit stets ein wenig über ihren Verhältnissen gelebt.»

Ursprünglich hatten der Stiftung drei Grundstücke gehört. Als Rohner im Jahr 2018 in Hausen Gemeindeschreiber und damit auch Stiftungsratspräsident wurde, waren es noch zwei: Eines wurde im Baurecht abgegeben und warf einen Baurechtszins ab, das andere – eben jenes Haus an der Zugerstrasse 3 – wurde von zwei Parteien bewohnt und warf Mietzinsen ab. Letztere waren allerdings nicht besonders hoch. Hinzu kamen die Kosten, die im Unterhalt anfielen. Das alles wirkte sich auf die Vermögenssubstanz aus; sie nahm stetig ab.

Christoph Rohner sagt, eine professionelle Überprüfung habe denn auch ergeben, dass die Stiftung das Doppelte an Miete hätte einnehmen müssen, um nachhaltig wirtschaftlich zu bleiben. Funktioniert hatte das Mieter-Vermieter-Verhältnis bisher, weil beide Seiten genügsam waren: Die langjährigen Mieter arrangierten sich mit dem Wohnstandard, den das Haus mit Bausubstanz aus dem 19. Jahrhundert bot. Und die Stiftung sah im Gegenzug von Mietzins­erhöhungen ab. Ein weiteres Problem fiel bei der Verwaltung des Grundstücks an: Denn trotz aller Bescheidenheit der Mieter musste hin und wieder die Liegenschaftsverwaltung ausrücken: hier ein kaputter Backofen, dort ein tropfender Wasserhahn. All das kostete die Stiftung weiteres Geld. Mittelfristig musste eine Lösung her. «Der Stiftungsrat kam deshalb zum Schluss, dass die Stiftungsaktivitäten am nachhaltigsten zu finanzieren sind, indem die beiden Grundstücke verkauft werden und das Geld angelegt wird», sagt Christoph Rohner.

Neue Eigentümer wollten das Grundstück eigentlich gar nicht

Das eine Grundstück wurde an die Baurechtsnehmer verkauft. Das Haus mit den Mietwohnungen, wie erwähnt, an ein Immobilienverwaltungsunternehmen, das zur Hälfte einer Hausemer Gemeinderätin gehört. Sie selbst betont auf Anfrage, dass es ihr Ehemann gewesen sei, der die Verhandlungen geführt habe. Sie habe sich bewusst rausgehalten. Und ihr Ehemann sagt: «Wir hatten ursprünglich überhaupt kein Interesse an dieser Liegenschaft.» Das Grundstück mit ihrem Haus grenzt allerdings direkt an jenes an der Zugerstrasse 3, und weil sie darüber nachgedacht hätten, im Garten ihres Hauses ein Stöckli zu bauen, hätten sie sich bei der Stiftung um ein Näherbaurecht erkundigt.

Aus Sicht der Stiftung habe man dieses nicht gratis gewähren können, sagt Christoph Rohner, weil ein Näherbaurecht allenfalls den Wert des Grundstücks vermindert hätte. So habe man unter anderem für eine einseitig zu ­einem späteren Zeitpunkt ausübbare Verkaufsoption nachgefragt und sei so bei Verkaufsverhandlungen gelandet. «Dem Stiftungsrat ist bewusst gewesen, dass der Verkauf von aussen möglicherweise als heikel wahrgenommen werden könnte», sagt Christoph Rohner. Dennoch hätten die Vorteile eines zeitnahen Verkaufs überwogen: «Wir wussten, dass es nicht ganz einfach sein würde, diese Liegenschaft zu verkaufen. Die Bausubstanz ist alt. Und vor allem wollten wir für die aktuellen Mieter eine nachhaltige Lösung sicherstellen.» Deswegen sei auch eine alternative Nutzung, etwa zu Asylzwecken, keine Option gewesen. Gemäss Christoph Rohner holte die Stiftung gestützt auf diese Verkaufsverhandlungen daraufhin drei unabhängige Schätzungen nach eigener Wahl ein. Aus dem Durchschnitt ergab sich der Verkaufspreis: 1395 Franken für den Quadratmeter. «Wir haben einen sehr guten Preis erzielt», betont Rohner. «Wir sind überzeugt, dass der Verkauf im Sinn der Stiftung war.»

Seriös überprüfen lässt sich der Verkaufspreis nicht. Dazu müssten Immobilienspezialisten Zugang zu einer Vielzahl weiterer Informationen zum Grundstück und zur Liegenschaft haben.

Vorerst sind keine Mietzinserhöhungen möglich

Doch wieso kam das Grundstück nicht auf den Markt? Christoph Rohner sagt, man habe die Mietparteien «nicht aufschrecken» wollen. «Ausserdem bezweifle ich, dass wir auf anderem Weg, in der Gesamtheit betrachtet, ein ähnlich gutes Angebot erhalten hätten.» Schliesslich habe man mit den neuen Eigentümern eine soziale Lösung aushandeln können, was den Umgang mit den aktuellen Mietern betrifft: Innerhalb der nächsten zwei Jahre darf weder der Mietzins erhöht noch den Mietern gekündigt werden. Sollte das Haus einst umgebaut oder abgerissen werden, würden die jetzigen Besitzer, möglichst innerhalb der Gemeinde, eine Ersatzwohnung anbieten. Grund zur Sorge gebe es für die Mieter aber keine, versichert der Ehemann der Gemeinderätin: «Es bleibt alles, wie es ist. Wir haben mit dem Haus keine Pläne.»

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