Zahl der Mietzinsanfechtungen hat stark zugenommen
Anhaltend hohe Arbeitslast am Bezirksgericht Affoltern

Obwohl das Bezirksgericht Affoltern vor zwei Jahren bei den Richterstellen von 340 auf 400 Stellenprozente aufstocken konnte, ist die Arbeitsbelastung anhaltend hoch. So ist die Gesamtzahl der eingegangenen Fälle von 1422 auf knapp 1700 gestiegen, rund 1600 davon betreffen den zivilrechtlichen und nahezu 100 den strafrechtlichen Teil. Besonders ins Auge sticht die Verdreifachung der Mietzinsanfechtungen.
Das Bezirksgericht Affoltern beschäftigt 19 Juristinnen und Juristen sowie sieben Mitarbeitende in der Kanzlei, mehrheitlich im Teilzeitpensum. Sechs Richterinnen und Richter urteilen über zivil- und strafrechtliche Fälle; Gerichtspräsident ist Peter Frey. Sie werden vom Leitenden Gerichtsschreiber Reto Barblan, sieben Gerichtsschreiberinnen und -schreibern sowie von fünf Auditoren unterstützt.
Gestiegener Referenzzinssatz
Besonders gefordert war die zum Gericht gehörende Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen im vergangenen Jahr wegen der erheblich gestiegenen Zahl an Mietzinsanfechtungen, von 100 auf 300. Hauptgrund dieser Verdreifachung ist der im Frühjahr 2023 angehobene Referenzzinssatz, der an allen Zürcher Gerichten zu Mehrbelastungen geführt hat. «Wir haben das mit der Ansetzung von zusätzlichen Verhandlungstagen effizient abarbeiten können – und dank der Flexibilität der Verhandlungsführenden, der Gerichtsschreiberinnen und dank der Kanzlei-Angestellten. Sie alle haben einen beherzten Einsatz geleistet», sagt Reto Barblan. Die Zahl der Mieterausweisungen ist leicht gestiegen.
Die Gesamtzahl der eingegangenen Fälle in Affoltern steigt seit mehreren Jahren kontinuierlich an, auf rund 1700 im vergangenen Jahr. Das entspricht einer Zunahme von rund 16 Prozent. 1550 Verfahren konnten 2023 abgeschlossen werden – ein höherer Anteil als in früheren Jahren. Auch bei Erbsachen steigt die Zahl der nicht strittigen Fälle innerhalb eines Jahres um 100 auf fast 700. Laut Reto Barblan sind davon jährlich im Durchschnitt nur etwa 5 bis 10 Fälle strittig. Die überwiegende Mehrheit kann zwar zeitnah erledigt werden. Aber generell sind die Verfahrensdauer und der Bearbeitungsaufwand wegen der Komplexität höher als in früheren Jahren. Urteile umfassen manchmal Dutzende von Seiten.
Entlastung durch Friedensrichterämter
Spürbar grösser ist der Aufwand auch im Bereich der familienrechtlichen Verfahren. Die Zahl der Fälle steigt seit mehreren Jahren kontinuierlich. Bei den Scheidungsprozessen verzeichnet der Bezirk Affoltern innerhalb eines Jahres eine Zunahme um 20 auf 130, bei Eheschutzverfahren eine solche von 50 auf 58. Laut dem Leitenden Gerichtsschreiber werden diese familienrechtlichen Verfahren zu über 90 Prozent mit einer Vereinbarung abgeschlossen. Allerdings werde bei Eheschutzmassnahmen und bei vorsorglichen Massnahmen öfter das Obergericht angerufen, bei Scheidungen bedeutend weniger. Auch die Zahl der fürsorgerischen Unterbringungen hat sich kaum verändert; sie liegt im Durchschnitt jährlich knapp unter der 10er-Marke.
Zu erwähnen ist auch, dass die Friedensrichterinnen und -richter im Bezirk Affoltern das Gericht bei Forderungsprozessen erheblich entlasten. Diese Zahl ist stabil, ebenso jene der Konkurse und Rechtsöffnungen, die auch in Corona-Zeiten erstaunlicherweise nicht grösser geworden ist. Jährlich sind das in Affoltern rund 300 Fälle. «Mehr als 80 Prozent der Fälle werden bereits durch Friedensrichterämter erledigt», lobt Reto Barblan.
Zwangsmassnahmen konstant auf hohem Niveau
99-mal musste das Gericht über strafrechtliche Fälle verhandeln, 11 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Fälle am Einzelgericht ist leicht gestiegen, jene am Kollegialgericht (3er-Besetzung) gleich geblieben. Wesentlicher Teil der Strafrechtsfälle betrifft das Zwangsmassnahmengericht. Diese Fälle bewegen sich konstant auf hohem Niveau. Liegen ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund vor, der eine Untersuchungshaft rechtfertigt, kommen solche Zwangsmassnahmen zur Anwendung – zum Beispiel bei Kollusionsgefahr, also wenn Gefahr besteht, dass mutmassliche Täter Beweismittel vernichten, Absprachen tätigen oder Zeugen beeinflussen könnten. Polizei und Staatsanwaltschaft haben das Recht, Verdächtige für 48 Stunden in Gewahrsam zu nehmen. Nach Ablauf dieser Frist müssen Verdächtige entweder auf freien Fuss gesetzt oder beim Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft beantragt werden.
Zwangsmassnahmenrichter oder -richterinnen dürften dann bei der späteren Gerichtsverhandlung weder am Einzel- noch am Kollegialgericht mitwirken. Ein Zwangsmassnahmengericht entscheidet ausserdem über Gewaltschutzmassnahmen. Das ist häufiger der Fall als in früheren Jahren, vor allem wegen häuslicher Gewalt.