Zahl der Pflegebedürftigen steigt
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Ursprung des ganzen Vorhabens ist ein Workshop der Gemeinde im Jahr 2019, als es darum ging, eine «Vision 2030» für die Gemeinde zu entwickeln. Damals zeigte sich, dass ganz weit oben auf der Wunschliste der Bonstetterinnen und Bonstetter die «Schaffung von Alterswohnungen» (Platz 2) und «Altersdurchmischte Wohnformen» (Platz 3) stehen.
Dahinter steckt das Bedürfnis, am angestammten Wohnort und im vertrauten sozialen Umfeld alt werden zu dürfen. Das ist derzeit nicht für alle möglich. Die Gemeinde zählt aktuell 35 pflegebedürftige Bonstetterinnen und Bonstetter, die in Einrichtungen ausserhalb der Gemeinde untergebracht sind, vor allem in Affoltern. Die Zahl könnte sich gemäss Prognosen bis in 20 Jahren verdoppeln.
Spitex Knonaueramt sieht Risiko
In der Diskussion um die Spitex-Neugründung standen am Dienstag in erster Linie Fragen rund um die Personalknappheit im Gesundheitswesen (Besetzung der Spitex-Stellen) sowie die Angst vor einem Defizit des Vereins, für das die Gemeinde geradestehen müsste. Eine Lösung zusammen mit der Spitex Knonaueramt (der Bonstetten derzeit noch angegliedert ist) hatte sich trotz mehrjähriger Bemühungen als nicht realisierbar erwiesen, wie Arianne Moser in ihrer Präsentation erklärte. Die Spitex Knonaueramt – «unser Lieblingspartner» (Moser) – sah im Bonstetter Vorhaben unter anderem ein zu grosses finanzielles Risiko, wie deren Präsidentin Tessa Müller vor Kurzem in einem Leserbrief und jetzt nochmals an der Gemeindeversammlung erklärte.
Dass Müller als nicht stimmberechtigte Zuschauerin überhaupt Stellung nehmen durfte, hatte sie SVP-Ortsparteipräsident Claude Wuillemin zu verdanken. Dieser hatte zu Beginn der Gemeindeversammlung einen entsprechenden Antrag (Rederecht) gestellt, der mit 164:150 Stimmen gutgeheissen wurde. Ein ebenfalls von Wuillemin gleich zu Beginn gestellter Antrag (im Auftrag der SVP-Parteiversammlung, wie er bei all seinen Anträgen betonte), die Reihenfolge der Abstimmungstraktanden zu ändern, wurde dagegen mit 170 Nein zu 143 Ja abgelehnt.
Der Gemeinderat geht davon aus, dass der Spitex-Verein Bonstetten bereits im Jahr 2033 (fünf Jahre nach dem Start) einen Bruttogewinn (EBIT) von rund 200000 Franken pro Jahr erzielen dürfte und somit in der Lage wäre, das von der Gemeinde gewährte zinslose Darlehen von 500000 Franken im Lauf der Zeit zurückzuzahlen. Und selbst falls der Verein defizitär sein sollte und die Gemeinde finanzielle Unterstützung leisten müsste, wäre diese Lösung wahrscheinlich immer noch günstiger als der Status quo, so Moser. Denn alleine in den letzten sieben Jahren habe die Gemeinde an die Spitex Knonaueramt – laut Statistik eine der teuersten Spitex-Organisationen im Kanton, wie Moser aufzeigte – 585000 Franken an Nachzahlungen leisten müssen. Zudem betonte Moser, dass man in Bonstetten auch in Zukunft selber wünschen könne, ob man Dienstleistungen von der gemeindeeigenen Spitex, der Spitex Knonaueramt oder sonst einer Spitex-Organisation beziehen möchte.
Auf Zweifel und Befürchtungen, der Bonstetter Verein werde nicht genug und nicht ausreichend qualifiziertes Personal für die ambulante Pflege und die Führung des Kleinpflegeheims führen, entgegnete Moser, dass der Fachkräftemangel gleichermassen alle Gesundheitsorganisationen betreffe und somit alle mit demselben Risiko leben müssen. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass (auch) die Spitex Knonaueramt über keine Erfahrung in der Führung eines Kleinpflegeheims verfügt.
Der in Bonstetten als Projektleiter vorgesehene Johannes Schlegel, der zuvor ein ähnliches Alterswohn- und Kleinpflegeheim-Projekt in Grüningen aufgebaut und geleitet hatte, geht für Bonstetten von insgesamt 15 bis 20 Spitex-Vollzeitstellen aus, verteilt auf rund 50 Personen, wie er am Dienstag erklärte. Damit könne im Kleinpflegeheim und in der ambulanten Spitex eine 24-Stunden-Versorgung gewährleistet werden.
Neuverhandlungen abgelehnt
In der Diskussion hielten sich die Befürworter des gemeinderätlichen Vorschlags, darunter FDP-Ortsparteipräsident David Reindl, ungefähr die Waage mit den Projektkritikern und Anhängern der Spitex Knonaueramt.
Für eine Überraschung sorgte der von SVP-Präsident Wuillemin eingebrachte Antrag, neue Verhandlungen mit der Spitex Knonaueramt aufzunehmen, notabene mit einem neuen Projektleiter. Moser stellte schliesslich trotz Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags und mit Hinweis auf mögliche jahrelange, teure Verzögerungen in einer Abstimmung Wuillemins Antrag dem Antrag des Gemeinderats gegenüber. Das Ergebnis fiel unmissverständlich klar aus: Das Stimmvolk votierte mit grosser Ja-Mehrheit bei nur wenigen Gegenstimmen für den Vorschlag des Gemeinderats. Ebenso klar fiel das Ja in einer zweiten Abstimmung zur Spitex-Neugründung aus.
Nach über zwei Stunden durften die Anwesenden schliesslich das tun, was sie während der Diskussion auf Wunsch von Moser hatten unterlassen müssen: kräftig applaudieren! Moser bedankte sich abschliessend bei verschiedenen Personen, die in der Vergangenheit massgeblich zum Projekt beigetragen hatten. Im Weiteren bedankte sie sich bei Gemeindeschreiber Christof Wicky, der eine neue berufliche Herausforderung annehmen und interimistisch durch Peter Trachsel ersetzt werden wird.
Die Gewobag werde nun die Planung umgehend fortsetzen und schon im März 2026 ein Baugesuch vorlegen, erklärte Geschäftsleiter Daniel Muff in Bonstetten.