Lebendige Architektur

Eine gemeinsame Lebens- und Gestaltungsphilosophie von Isabelle Ryhner-Glenz und Johannes Ryhner

Isabel Ryhner-Glenz und Johannes Ryhner aus Stallikon lassen Architektur mit Kreativität und gemeinsamer Vision lebendig werden. (Bild Deviprasad Rao)

In Stallikon, wo sich Tradition und zeitgemässes Leben unaufgeregt begegnen, gestalten die Architektin Isabelle Ryhner-Glenz und der Architekt Johannes Ryhner etwas, das über rein physische Strukturen hinausgeht. Als Partner im Leben und im Beruf haben sie eine ­Praxis aufgebaut, die architektonische Integrität, Nachhaltigkeit und Elternschaft zu einer stimmigen Einheit verbindet – ein fortlaufendes Projekt, das ebenso sehr von Menschen handelt wie von Gestaltung.

Ihre Geschichte begann in einem Architekturbüro in Zürich, wo intensive Zusammenarbeit unter Druck mehr als nur berufliche Harmonie entfachte. «Anfangs gab es Reibung», erinnert sich Johannes. «Aber genau diese Intensität zeigte uns, wie gut sich unsere Fähigkeiten ergänzen. Daraus wurde echte Zusammenarbeit – und mit der Zeit auch Liebe.»

Isabelle, gebürtig aus dem Kanton Wallis, studierte Architektur an der Akademie in Mendrisio und verbrachte zwei prägende Jahre in Barcelona, wo sie sich intensiv mit dem spanischen Umgang mit Raum und Materialien auseinandersetzte. Johannes stammt aus Glarus und absolvierte sein Architekturstudium an der ETH Zürich. Später wurden sie Partner in einem expandierenden Architekturbüro, das sich von zehn auf fünfzig Mitarbeitende vergrösserte und sich vor allem auf Gesundheits­bauten spezialisierte. Ihre beruflichen Wege verliefen anschliessend getrennt – um sich später auf persönlicher Ebene wieder zu kreuzen.

Heute leben die beiden mit ihren Töchtern Meret und Flora in Stallikon, wo sie auch arbeiten. 2024 gründeten sie ihr gemeinsames Architekturbüro Ryhner Glenz – ein Name, der ihre Wurzeln mit ihrer beruflichen Identität verbindet. Der Entschluss folgte auf eine Vielzahl von Anfragen, nachdem sie zwei identische Häuser für sich selbst entworfen und gebaut hatten – ein frühes Gemeinschaftsprojekt, das Aufmerksamkeit weckte und Nachfrage erzeugte.

Architektur als Beziehung

Ihre Architekturauffassung ist geprägt von direkter Einbindung, minimalistischer Gestaltung und einem konsequenten Nachhaltigkeitsverständnis. «Wir sind aus Überzeugung Generalisten», sagt Johannes. «Wir kümmern uns um alles – vom Konzept bis zum Detail, von den Dachziegeln bis zum Lichtschalter. So sichern wir Qualität und gestalterische Kohärenz.»

Für Isabelle ist Architektur auch eine Frage von Farbe und Emotion. Ihre Zusatzausbildung am Zürcher Haus der Farbe prägt ihren differenzierten Umgang mit Farbklängen und Oberflächen. «Farbe ist kein Beiwerk – sie ist ein Baumaterial», erklärt sie. «Sie schafft Atmosphäre. Ein zurückhaltendes Grün kann beruhigen, ein gedecktes Gelb beleben. Farben sind emotionale Werkzeuge, die beeinflussen, wie Menschen Räume erleben.»

Diese haptische und psychologische Dimension zeigt sich in jeder gestalterischen Entscheidung – von der Oberflächenstruktur bis zur Materialkombination. Ihr Zugang ist sorgfältig, intuitiv und dialogisch. Bevor überhaupt ein erster Entwurf entsteht, investieren Isabelle und Johannes viel Zeit in das Kennenlernen ihrer Bauherrschaften – ihrer Persönlichkeiten, Lebensgeschichten, Gewohnheiten und Werte. «Wir liefern keine schnellen Lösungen», betont Isabelle. «Wir hören genau hin. Jedes Haus muss aus den Menschen heraus entstehen, die darin leben werden.»

Zuhause, Büro und Spielplatz

Dieser Grundsatz prägt auch ihren Alltag. Ihr Architekturbüro liegt in Gehdistanz zum Wohnhaus, ihre Kinder sind ein selbstverständlicher Teil des Tagesgeschehens. «Die Mädchen waren schon auf Baustellen, haben uns beim Skizzieren und Bauen beobachtet», erzählt Isabelle. «Sie wissen, was wir tun. Wir haben sie immer eingebunden – nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Überzeugung.»

Familienleben begreifen sie nicht als Hindernis, sondern als Antrieb. «Kinder zu haben, hat uns effizienter und fokussierter gemacht», sagt Johannes. «Man lernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Man hört besser zu – einander, dem Ort, den Auftraggebern.» So haben sie sich einen Alltag geschaffen, der Raum für berufliche und familiäre Bedürfnisse lässt – mit wechselnder Aufgabenteilung, abgestimmten Schulwegen und klaren Qualitätsansprüchen. «Es ist kein klassischer Bürojob von neun bis fünf», meint Johannes. «Aber das wollen wir auch nicht. Was wir leben, ist flexibler – und menschlicher.»

Breites Portfolio, lokaler Anker

Auch wenn Ryhner Glenz vor allem für feinfühlig gestaltete Einfamilienhäuser bekannt ist, reicht ihre Erfahrung weit darüber hinaus: Bürobauten, Arztpraxen, denkmalpflegerische Sanierungen und Wohnbauten gehören dazu. «Familienhäuser haben einen besonderen Reiz», sagt Johannes. «Aber wir schätzen auch die Herausforderungen grösserer oder technisch komplexer Bauaufgaben. Jedes Projekt bringt neue Fragestellungen und Chancen.»

Besonders angetan sind sie von Umbauten und Sanierungen – dem sensiblen Weiterbauen im Bestand. «Mit ­bestehenden Strukturen zu arbeiten, verlangt eine andere Haltung», so Isabelle. «Es geht um Dialog, nicht um Dominanz. Um Kontinuität, nicht um ­Ersatz.»

Ihre Inspirationen sind vielfältig: von Peter Zumthors poetischem Materialbewusstsein über die strukturelle Klarheit eines Mies van der Rohe bis hin zu alltäglichen Beobachtungen, Ausstellungen oder Fundstücken aus der Natur. «Ein bestimmtes Licht auf einer Wand, eine Zeile in einem Buch – das kann ein ganzes Projekt prägen», sagt Isabelle. «Inspiration ist überall, wenn man aufmerksam bleibt», ergänzen beide.

Verwurzelt bleiben, bewusst wachsen

Für die Zukunft planen Isabelle und ­Johannes kein rasantes Wachstum. Ihre Vision ist leise, aber präzise: das Büro mit einem kleinen Team – nicht mehr als fünf oder sechs Personen – zu erweitern, dabei aber fest in Stallikon verankert zu bleiben. «Wir haben diesen Ort nicht nur wegen der Landschaft gewählt, sondern wegen des Lebensrhythmus, den er erlaubt», sagt Johannes. «Hier sollen unsere Kinder aufwachsen. Hier fühlen wir uns zu Hause.»

Ihre Geschichte ist keine von Blitzkarrieren oder Stararchitektur. Es ist die Geschichte bewusster Entscheidungen, sinnstiftender Arbeit und eines gemeinsam gestalteten Lebens. In einer Branche, die oft von Effekten lebt, bieten Isabelle Ryhner-Glenz und Johannes Ryhner einen anderen Entwurf: einen, der Prozess vor Prestige, Menschen vor Portfolios und Beständigkeit vor Kurzlebigkeit stellt.

Gemeinsam bauen sie weiter – nicht nur Räume, sondern Beziehungen, Geschichten und ein Leben, das Bestand hat.

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