Lokale Modegeschäfte haben zu kämpfen
Inhaberinnen und Inhaber von Modegeschäften im Säuliamt nennen Gründe und wieso sie trotzdem überleben
Jüngst berichtete der «Anzeiger» darüber, dass ein traditionsreiches Modehaus nahe des Bezirks Ende Jahr schliesst («Anzeiger» vom 11. November). Aber kein Grund zum Verzweifeln, im Säuliamt hat es noch einige Modeboutiquen und Kleiderläden zum Shoppen. Nur, muss befürchtet werden, dass auch diese bald schliessen müssen? Einige lokale Modegeschäfte haben Auskunft gegeben, wie das Geschäft so läuft, wie es sich über die Jahre hinweg entwickelt hat und wie sie die Zukunft sehen.
Gründe für rückläufige Nachfrage
Die Nachfrage sei in den vergangenen zwei Jahren tendenziell zurückgegangen, sagt Nicole Reichlin, Inhaberin der Boutique Calimba in Affoltern. Sie führt dies vor allem darauf zurück, dass viele ihrer Kundinnen zunehmend auf Nachhaltigkeit achten und bereits gut ausgestattet seien. «Sie möchten bewusst nicht zu viel einkaufen und bevorzugen langlebige Stücke», erklärt sie.
Sie sucht derzeit eine Nachfolgerin – nicht, weil sich das Geschäft nicht tragen würde. «Davon leben ist möglich, aber nicht auf grossem Fuss», sagt sie. Vielmehr wolle sie beruflich noch einmal etwas Neues wagen. Die Boutique bleibt vorerst geöffnet, und dank der zentralen Lage kann sich Nicole Reichlin weiterhin über eine gute Laufkundschaft freuen.
Beste Lage in Affoltern zu teuer
Als Karin Wild die Modeboutique favorite things in Affoltern übernahm, hätte sie sich den Start in die Selbstständigkeit anders vorgestellt. Eigentlich sollte die Neueröffnung am 19. Januar 2021 stattfinden, doch der zweite Corona-Lockdown machte ihre Pläne zunichte. Statt Kundinnen zu begrüssen, blieb die Tür geschlossen. «Ich musste alles aus dem eigenen Sack bezahlen und erhielt keine Unterstützung, weil ich keine Zahlen aus dem Vorjahr vorweisen konnte», erinnert sich Karin Wild. Trotzdem hielt sie durch und konnte überleben. Aber dies auch nur dank treuer Stammkunden.
Seit der Eröffnung im März 2021 zeigt die Entwicklung nach oben. Die Nachfrage nach den sorgfältig ausgewählten dänischen Modemarken wächst, auch wenn der Verkauf stark wetterabhängig ist. Karin Wild weiss: Kleine Boutiquen müssen kämpfen. Wer bestehen will, muss sichtbar bleiben. «Man muss aktiv sein und viel machen, um die Kundinnen ins Geschäft zu locken», sagt sie. Das gilt besonders, wenn man, wie favorite things, nicht an einer Premium-Lage im Zentrum liegt. Doch für Karin Wild sind die hohen Mietpreise im Herzen von Affoltern schlicht nicht tragbar: «Das würde am Schluss nicht aufgehen.»
Trotzdem kann sie heute von ihrem Geschäft leben, allerdings nur, weil sie alles alleine macht. Angestellte zu beschäftigen, wäre finanziell kaum machbar. Zudem findet sie, habe das Zentrum von Affoltern seinen Reiz ohnehin verloren: «Es gibt zu wenig kleine Geschäfte, die zum Flanieren einladen.» Umso wichtiger ist für Karin Wild ein aktiver, moderner Auftritt. Sie setzt auf regelmässige Newsletter, persönlichen Kundenkontakt, Social-Media-Kanäle, klassische Zeitungswerbung und ihre Website. Und natürlich auf ein einladendes, inspirierendes Schaufenster, das Herzstück jeder Boutique. Genau damit gelingt es ihr, Kundinnen anzuziehen, die das Besondere suchen: nordische Mode mit Charakter, ausgewählt mit Leidenschaft.
Online gefährdet lokales Gewerbe
Eine Abnahme der Kundschaft spüren Carmine und Simone Mauro von Kaenzig Herrenmode in Hedingen. «Es fand eine Änderung im Kaufverhalten statt. Vieles läuft inzwischen online», so Simone Mauro. Sie würden in ihrem Geschäft zwar nicht nur grosse Grössen anbieten, aber womöglich liege es auch an einem veränderten Körperbewusstsein, dass es weniger korpulente Leute gäbe. Ansonsten zeigt sich Simone Mauro ratlos: «Gerade in den letzten zwei Monaten ist es wie abgewürgt.» Das könne aber nicht am Zollstreit liegen, davon seien sie nicht betroffen, sie hätten nur europäische Lieferanten. Aber wenn das so weiter geht, sieht sie die Zukunft düster: «Den Leuten muss wieder mehr bewusst werden, dass sie lokal einkaufen sollten. Es wäre so schade, wenn der lokale Detailhandel ganz verschwinden würde.» Was fehlt, wird einem aber meist erst bewusst, wenn es nicht mehr da ist. Kaenzig Herrenmode gibt jedoch nicht auf.
Ein Vorteil gegenüber online
Dass das Geschäft auch ohne Onlineverkauf gut laufen kann, das beweist Hanna Lukes mit Hanna Lukes Fashion in Hausen. Sogar während der Corona-Jahre hat sie ganz auf online verzichtet. Die Nachfrage sei in den letzten Jahren gleich geblieben. Dies einerseits, weil sie treue Kundinnen aus dem Dorf und der Umgebung habe, andererseits weil sie die Kleider ihrer Kollektion selber produziert und sie individuell anpassen kann. «Das gibt es online nicht», so die professionelle Schneiderin, die auch eine Nähwerkstatt und Kurse im eigenen Atelier anbietet.
Innovative Kombination
Die Online-Konkurrenz für Secondhand ist gross, kann heute doch jeder über Auktionsplattformen selbst seine gebrauchten Sachen verkaufen. Trotzdem verspüren Sarah Gasser und Susi Vögtle in ihrem Kindersecondhand-Laden Deschawü in Mettmenstetten eine positive Geschäftsentwicklung. Ein Grund sei sicherlich, dass es sie erst seit Frühling 2022 gibt und es eine Zeit lang gebraucht habe, sich zu etablieren, aber auch der Trend zur Nachhaltigkeit spiele ihnen in die Hände und die Gewissheit für die Kunden, dass nur geprüfte und tadellose Sachen angeboten würden. Diese Garantie hat man bei Onlinekäufen nicht. Zudem hätten sie ein relativ grosses Einzugsgebiet, da es nicht in jedem Dorf einen Kindersecondhand-Laden gäbe. Und Deschawü ist ja auch nicht nur ein Secondhandladen. Die grosse und vielfältige Abteilung mit Geschenkartikeln locke auch Kundinnen und Kunden ohne Kinder in ihr Geschäft. Nur einen Gewinn können sie nicht erzielen. «Wir sind froh, wenn wir eine schwarze Null schreiben», so Susi Vögtle. Ihr Antrieb ist vor allem, dass geschätzt wird, was sie machen. Es sei aus Leidenschaft, meint auch Nicole Reichlin von Boutique Calimba. So geht es wohl allen im Beitrag befragten.












