PC-Spiel mit eigenen Sprachen und Gesetzen
Das Obfelder Unternehmen Sycoforge arbeitet an einem komplexen Computerspiel – seit acht Jahren
Unter einem Computerspiel verstehen viele ein kurzweiliges Rätselspiel auf dem Smartphone oder ein Rennspiel auf einer Konsole – dass man dabei auch einiges umfassender werden kann, beweist die Game-Firma Sycoforge. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Obfelden und wird von Ismael Wittwer technisch geleitet.
Der frischgebackene Vater gibt im Video-Interview Auskunft, was denn für ein Spiel entwickelt wird. Im Spiel «Return to Nangrim» taucht man in eine Fantasiewelt ein. Im Werbetext wird es als «First-Person-Graphical-Adventure mit Survival- und RPG-Elementen» bezeichnet, was so viel bedeutet, dass man es aus der Ich-Perspektive spielt, Aufgaben zu lösen hat, in der Welt überleben muss und Rollenspiel-Elemente dazukommen.
Die eigene Firma hat Ismael Wittwer 2017 zusammen mit seiner Frau Michela Rimensberger gegründet. Seine Frau amtet als Geschäftsführerin. Auf die Frage, wie viele Spiele man bisher veröffentlicht hat, erhält man eine erstaunliche Antwort: «Noch keines», sagt Ismael Wittwer. Es sei durchwegs üblich, dass unabhängige Spieleentwickler wie sie jahrelang an einem Spiel arbeiten. «Grosse Studios arbeiten mit vielleicht 1000 Personen an, was zu einem eher lieblosen Spiel führen kann», sagt er. «Wir haben den Luxus, ein Spiel langsam zu entwickeln, und so viel mehr reinzustecken.»
Komplexe Spielewelt
Was damit gemeint ist, erfährt man beim Eintauchen ins Spiel. Es geht um die Welt von Arafinn. Diese wird fürs Spiel bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Auch eigene Materialien werden erschaffen, welche der Spieler zu neuen Gegenständen oder auch Flüssigkeiten mischen kann. Der Entwickler spricht von Milliarden von Möglichkeiten im Spiel und meint: «Wir wissen selbst nicht, was alles möglich sein wird.»
Hauptprotagonisten im Spiel sind Zwerge. Als Zwerg erwacht man eines Tages in Arafinn und alles scheint tot zu sein. Nun muss man ergründen, was passiert ist. Um die Komplexität des Spiels zu verdeutlichen, erklärt Wittwer, dass man auch einen Linguisten angestellt hat, der eigene Sprachen erfinde. So sprechen die Zwerge eine eigene Sprache names Hilduir, was so viel wie «Sprache der Hügel» bedeutet. Fürs Spiel muss man die Sprachen aber nicht komplett lernen, diese dienen mehr der Atmosphäre. Falls einen das Ganze etwas an «Herr der Ringe» erinnert, ist das nicht ganz zufällig. Das sei eine seiner Lieblingsfilm- und Buchreihe, sagt Wittwer.
Die Mitarbeiterzahl von Sycoforge ist sehr variabel. «Aktuell sind fünf Personen aktiv, wir waren aber auch schon zwölf», erklärt Wittwer. Dazu kommen immer wieder Freelancer. Neben seiner Frau sind oder waren auch Schwester Melena und Bruder Silas im Unternehmen tätig. Seit Corona hat man kein eigentliches Büro mehr, gearbeitet werde im Homeoffice. «Als wir starteten, hatten wir längere Zeit acht Arbeitsplätze in unserem Wohnzimmer in Obfelden eingerichtet», erklärt er, auf die Gründungsphase zurückblickend.
Kunden-Aufträge als Finanzierung
Wenn so lange an einem Spiel entwickelt wird, taucht unwiderruflich die Frage auf, wie sich das finanziert. Dafür setzt die Firma Projekte anderer Kunden um. So ist man als Ghost-Entwickler von Spielen tätig, dürfe aber nicht sagen, für welche. Ein weniger geheimes Projekt drehte sich um einen Zürcher Krypto-Coin, also um eine virtuelle Währung. Dabei wurde das Wallet (Portemonnaie für das virtuelle Geld) mit spielerischen Elementen versehen.
Ismael Wittwer liebte schon von klein auf Videospiele, vor allem auf dem PC. Es spielte damals Wirtschaftssimulationen mit unendlichen Möglichkeiten. «Die Nutzung war zu Hause aber immer stark reglementiert», sagt er dazu. Von einem Traumjob für einen Gamer würde er nicht sprechen. «Während der intensiven Entwicklungszeiten spielte ich selbst nicht mehr» und früher verloren meine Kampf-Teams häufig Spiele, da ich mich nur noch auf die Gestaltung der Spiele konzentrierte und nicht mehr aufs Geschehen selbst.
In den Spielerkreisen wird schon ungeduldig auf «Return to Nangrim» gewartet. Grund war, dass 2020 auf der Computer- und Videospiel-Messe Gamescom in Deutschland, die wegen Covid online ausgetragen wurde, ein kleiner Ausschnitt aus dem Spiel als Demo veröffentlicht wurde. «Ein bekannter Gamer berichtete darüber und erreichte so Millionen von Spielern», erzählt Wittwer. Am nächsten Tag wollten Hunderte Interessierte mehr dazu erfahren. Innert Monaten folgten Anfragen von grossen Spieleherstellern wie Ubisoft, Epic Games oder Microsoft. Wir warteten aber ab, wollten finanziell unabhängig bleiben.
Unterdessen stehe man aber mit einem Investor in Kontakt und möchte so die Entwicklung langsam zum Abschluss bringen. Man nutze jetzt auch Testgruppen mit 200 bis 300 Leuten, welche Rückmeldungen zum Spiel geben. «Wir wollen nicht an der Community vorbei entwickeln», sagt der 38-Jährige.
Neuen Studiengang mitentwickelt
«Es dauert aber sicher noch anderthalb bis zwei Jahre bis zum Early Access», sagt er. Damit ist ein Zugang gemeint, für welchen die Gamer das Spiel, in einem reduzierten Umfang, vorab zum vollen Preis erwerben, damit sie vor allen anderen das Spiel nutzen dürfen. Und als Erstes starte man nur mit der Simulation der Welt, um sich damit vertraut zu machen. Erst später folgt dann der «Story-Teil», in dem man als Spieler oder Spielerin auch eine Aufgabe hat. Ismael Wittwer wuchs in Obfelden auf, lebte einige Jahre in der Stadt Zürich und studierte Computerwissenschaften an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Vor über 20 Jahren lernte er seine heutige Frau kennen – auch eine Spielerin, was damals noch selten war. Seit 2018 lebt er wieder in Obfelden. Da ihm die Spielentwicklung am Herzen liegt, ist Wittwer als Dozent für Visual Computing tätig und seit Anfang Jahr auch Fachbereichsleiter für einen neuen, von ihm mitentwickelten, Studiengang, an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS), welcher sich um die Entwicklung von Spielen und virtuellen Realitäten dreht. Der Studiengang startet im Herbstsemester 2026 am Zürcher Campus der Hochschule.
Einen Ausgleich von der Technik sucht der Säuliämtler im Sport. Bisher wendete er gut 90 Minuten täglich dafür auf, seit der Geburt der gemeinsamen Tochter einiges weniger. Er koche und esse auch sehr gerne, für was dann der Sport auch wieder praktisch sei.






