Pflegeberufe – Vorurteile abbauen
Serie «Start ins Berufsleben»: Anja Jenzer und Enea von Muralt schlossen ihre Lehre in der Kinder-Reha Schweiz ab

Spitzen-Lehrabschlüsse mit Note über 5 erzielten Anja Jenzer, Fachfrau Gesundheit, und Enea von Muralt, Fachmann Gesundheit. Beide sind begeistert vom gewählten Beruf und wollen sich im Berufsfeld weiterbilden. Aber sie wünschen sich generell mehr Wertschätzung für ihre Berufsgruppe: «Pflege ist essenziell, alle ziehen letztlich am selben Strick: Pflegende, Ärzteschaft und weitere medizinische Fachpersonen.» In der Kinder-Reha Schweiz in Affoltern haben sie dieses interdisziplinäre Miteinander optimal erlebt. «Man lernt viel im Austausch mit anderen, die ihr Fachwissen in der Betreuung und bei medizinischen und therapeutischen Indikationen einbringen.»
Beide fühlten sich vom Lehrbeginn an in der Kinder-Reha Schweiz respektvoll aufgenommen und gut begleitet. In der Gesellschaft würden jedoch insbesondere männlichen Pflegenden manchmal Vorurteile entgegengebracht. «Dabei ist es ideal, wenn Patientinnen und Patienten auch Männer als Ansprechpersonen haben. Dies gilt besonders auch beim Beachten und Respektieren von Schamgefühlen», sind sie sich einig.
Kinder-Reha Schweiz
Die Kinder-Reha Schweiz gehört zum Universitäts-Kinderspital Zürich. Hier werden Kinder und Jugendliche betreut, die an den Folgen angeborener oder erworbener Krankheiten oder Verletzungen leiden. Rund 20 Personen absolvieren in der Kinder-Reha Schweiz ihre Ausbildung zur Fachfrau/-mann Gesundheit oder zur Diplomierten Pflegefachperson HF/FH oder sind in einem berufsorientierenden Praktikum engagiert. Manuela Kilic ist Ausbildungsverantwortliche Pflege: «Wir legen besonderen Wert auf selbstverantwortliches Lernen, transferwirksames Lernen sowie Erfahrungslernen und Reflexion.»
Die Anforderungen an die Lernenden sind hoch. Sie müssen die Erfahrungen mit schwerstkranken und schwerstbeeinträchtigten Kindern und Jugendlichen sowie mit deren Eltern verarbeiten können. Oft sind sie nur wenig älter als ihre Patientinnen und Patienten. Die Altersspanne reicht vom Säugling bis zum Heranwachsenden. Das Höchstalter für eine Kinder- und Jugend-Reha beträgt 16 Jahre, in seltenen Fällen bis zum 21. Geburtstag. Anja Jenzer und Enea von Muralt achten immer auf adäquate Nähe und Distanz. Es kam schon mal vor, dass ihnen jugendliche Patienten oder Patientinnen Liebesgefühle entgegenbrachten – man kommt sich nah, wenn man den Alltag miteinander teilt. Sie lernten, sich professionell zu verhalten, weder mit Ablehnung zu verletzen noch intensive Gefühle zu unterstützen. Sich abgrenzen können ist unabdingbar in ihrem Beruf.
Den Arbeitsort, nahe dem Zentrum der Stadt Affoltern und doch im Grünen, finden sie ideal. Besonders loben sie das Arbeitsklima in der Kinder-Reha Schweiz: «Wir werden dies woanders vermissen.»
Anja Jenzer
«Ich wurde durch eine Freundin, die von ihrem Schnuppertag im Spital erzählte, inspiriert, selbst mal in verschiedenen Institutionen wie Rehas und Spitälern zu schnuppern», erzählt Anja Jenzer. «Ich bewarb mich an verschiedenen Orten für eine Lehre als Fachfrau Gesundheit FaGe. Zuoberst auf meiner Wunschliste stand die Kinder-Reha Schweiz.» Sehr schnell bekam sie eine Zusage. Nun ist sie 19 Jahre alt und hat sich im Lauf der Ausbildung persönlich weiterentwickelt. «Ich bin offener, weniger scheu, übernehme mit Selbstsicherheit Verantwortung und kann meinen Beruf professionell ausüben.» Sie lernte in der Lehre zwei verschiedene Abteilungen näher kennen. Sie lobt ihre beiden Berufsbildner, beides Männer. «Es kommt viel mehr auf die Persönlichkeit als auf das Geschlecht an», ist sie überzeugt. Sie will die Höhere Fachschule absolvieren und kann sich gut vorstellen, mit neu generiertem Fachwissen und weiteren Berufserfahrungen einmal in die Kinder-Reha Schweiz zurückzukehren.
Enea von Muralt
Für seinen Beruf brennt Enea von Muralt, aber auch die Fliegerei hat es ihm angetan. Eine ideale berufliche Perspektive würde ihm die Rega bieten. Auch die Laufbahn über Pflegefachmann HF in die Intensivpflege kann er sich vorstellen. «Da kann man bei Patientenverlegungen manchmal auch mitfliegen», lacht er. Ob Zivildienst oder Rekrutenschule, hat er sich noch nicht entschieden. Er will auf alle Fälle praxisorientiert arbeiten, er ist eher ein Macher als ein Theoretiker, schätzt den direkten Kontakt zu Menschen. Zuerst hatte er sich in seinem Berufswahlprozess für eine Tätigkeit in einem Altersheim entschlossen und den Lehrvertrag unterschrieben. Aber dann bekam er die Chance für die Lehre in der Kinder-Reha und durfte die Lehrstelle wechseln. Dafür ist er noch heute dankbar. «Es macht glücklich, wenn man miterleben darf, dass ein Kind zu gehen beginnt. Und die Wertschätzung durch die Eltern ist meist gross.»
Er meint nachdenklich: «Der Beruf ist ein wichtiger Teil des Lebens. Ist er sinnvoll und fühlt man sich am Arbeitsplatz wohl, bedeutet dies meist auch eine hohe Lebenszufriedenheit.» Er schätzt die Ernsthaftigkeit, lacht auch gern im Berufsalltag, aber der Spassgesellschaft steht er kritisch gegenüber. Er sieht einen Beruf im Gesundheitswesen generell als eine Investition in eine gute Zukunft.