Vom IT-Profi zum Tierversteher
Wie Chris Lenz aus Affoltern den Weg von der Software zur Tierpsychologie fand
Lenz Tierpsychologie in Affoltern steht für einen ganzheitlichen Umgang mit Tieren – ohne Dressur und Dominanz. Dahinter steckt die Lebensgeschichte von Chris Lenz, geboren 1963 in Essen und aufgewachsen in Düsseldorf. Über 30 Jahre arbeitete er als Senior Software Engineer in Deutschland und der Schweiz. Wie er selbst sagt: «Meine wahre Berufung fand ich erst später – in der Arbeit mit Tieren.»
Den Anstoss dazu gab ein traumatisierter Hund aus einem rumänischen Tierheim, den er 2017 adoptierte. «Das Tier galt als nicht vermittelbar», erzählt er rückblickend. «Mit Geduld und Vertrauen entwickelte sich aus der schwierigen Beziehung eine enge Partnerschaft. Heute ist der Hund vollständig resozialisiert und unterstützt als Therapiehund andere verhaltensauffällige Tiere.» Die Erfahrungen mit ihm waren prägend – und wurden zur Basis seiner neuen beruflichen Ausrichtung. Im Jahr 2021 gründete Chris Lenz sein Unternehmen «Tier am Albis», das später in «Lenz Tierpsychologie» umbenannt wurde. Er absolvierte ein Studium der Ethologie (Verhaltensforschung) an der Studiengemeinschaft Darmstadt und machte es sich zur Aufgabe, Mensch und Tier auf Augenhöhe zusammenzuführen.
Beziehung statt Befehl
Im Zentrum seiner Arbeit steht nicht das Trainieren von Verhalten, sondern der Beziehungsaufbau. «Tiere sollen nicht einfach funktionieren – sie sollen verstehen», sagt Lenz. Vertrauen ersetzt Kontrolle, Kooperation den Gehorsam. Dabei betrachtet er jedes Tier ganzheitlich: Verhalten, Gesundheit, Ernährung, Auslastung und Haltungsbedingungen fliessen in die Arbeit ein. Regeln sollen zum Menschen passen – nicht umgekehrt.
Tierverhalten spiegelt häufig das Verhalten der Halter und Halterinnen. «Ein hektischer Mensch wird einen nervösen Hund haben», erklärt Lenz. «Wer überfordert ist, zieht ein überdrehtes Tier an.» Deshalb begleitet er Besitzerinnen und Besitzer dabei, ihre eigene Haltung zu reflektieren. Gewalt – ob körperlich oder seelisch – lehnt er strikt ab. Stattdessen fördert er natürliche Autorität, die durch Klarheit, Ruhe und Überzeugung entsteht.
Verhalten verstehen, nicht bekämpfen
Was aber genau ist problematisches Verhalten – und wann besteht Handlungsbedarf? Für Chris Lenz ist die Grenze oft fliessend. Problematisch wird Verhalten dann, wenn es den Alltag der Familie stört. «Disziplinierung ist nie das Ziel – entscheidend ist, warum sich das Tier so verhält und was es damit sagen will.»
Ein Beispiel: Zwei Katzen streiten nach einem lauten Geräusch. Für den Menschen wirkt das zunächst unverständlich – für das eine Tier ist es jedoch eine nachvollziehbare Reaktion: Es hatte sich zuvor beim Herunterfallen eines Tellers erschrocken – in Anwesenheit der anderen Katze. Eine für Menschen kaum nachvollziehbare Verknüpfung. «Solche Situationen erfordern Geduld, genaue Beobachtung und oft ein detektivisches Gespür», sagt der Tierpsychologe.
Training oder Therapie?
Nicht jede Verhaltensänderung lässt sich «trainieren». Oft sind Ängste, Stress oder Traumata die Ursache – dann ist therapeutische Arbeit gefragt. Wichtig bleibt in jedem Fall: «Jedes Tier ist individuell. Pauschale Ratgeber oder Internet-Tipps ignorieren Persönlichkeit, Herkunft und Lebensumfeld.»
Ein zentrales Werkzeug in beiden Bereichen – ob Training oder Therapie – ist das richtige Deuten von Körpersprache. Ein häufiger Irrtum unter Tierhaltenden: «Aufregung wird mit Bewegungsdrang verwechselt. Viele glauben, ein überaktiver Hund brauche mehr Auslauf.» Doch oft ist das Gegenteil der Fall – das Tier ist überfordert und findet keine Ruhe. Gezielte Ruhephasen sind deshalb ein unterschätzter, aber zentraler Bestandteil jeder nachhaltigen Verhaltensarbeit.
«Hunde kommunizieren ständig – wir müssen nur lernen, richtig zuzuhören», so Lenz. Nicht selten verändere sich das Verhalten eines Tieres bereits beim ersten Hausbesuch – allein durch die neutrale Präsenz eines Beraters. Für Lenz ist das kein Zufall, sondern das Ergebnis langjähriger Schulung in Körpersprache und Verhalten.
Blick in die Zukunft
Die Arbeit mit Tieren ist nicht nur praktisches Handwerk, sondern auch ein Feld mit wachsender wissenschaftlicher Relevanz. Potenzial sieht Lenz in der Epigenetik, die untersucht, wie Umweltfaktoren über Generationen hinweg das Verhalten von Tieren beeinflusst. «Auch die Ethologie – also das tiefergehende Studium tierischen Verhaltens – wird zunehmend an Bedeutung gewinnen», ist er überzeugt.
Sein Ziel bleibt jedoch konstant: ein respektvolles, stabiles Zusammenleben zwischen Mensch und Tier – ohne Zwang, aber mit klarer Struktur – individuell angepasst an beide Seiten.
Drei Tipps für angehende Tierhalter und Tierhalterinnen
Nachstehend finden sich drei essenzielle Tipps für alle, die überlegen, ein Tier aufzunehmen.
• Individuelle Beratung suchen: Jedes Tier-Mensch-Gespann ist einzigartig. Pauschallösungen führen selten zum Ziel.
• Vorbereitet sein: Ein Notfallplan für Krankheit oder Abwesenheit sollte frühzeitig durchdacht werden.
• Realität statt Internet: Online-Videos zeigen inszenierte Szenen. Wirkliche Veränderung braucht echte, persönliche Arbeit. (net)